Nach jahrelangem Kampf — der mit dem Verkauf ihres ersten Plattenlabels an den Musikmogul Scooter Braun begann — konnte die Popsängerin die Rechte an ihren ersten sechs Alben von der US-Investmentgesellschaft Shamrock Capital erwerben. Die Amerikanerin hat nun die Kontrolle über ihre gesamte Musik, ihre Konzertfilme, Musikvideos und unveröffentlichten Werke. «Zu sagen, dass damit mein grösster Traum in Erfüllung gegangen ist, ist zurückhaltend ausgedrückt», schrieb sie anschliessend auf ihrer Website.
Die genauen Bedingungen wurden zwar nicht bekannt gegeben, jedoch soll der Deal laut eines «New York Post»-Berichts 600 Millionen bis eine Milliarde Dollar gekostet haben. Eine mit der Vereinbarung vertraute Person schätzte den Preis am unteren Ende dieser Spanne, eine andere bezeichnete die Zahlen als höchst ungenau. Beide wollten jedoch nicht genannt werden, da sie nicht über die Bedingungen sprechen dürfen.
Als jemand, der über weite Teile dieses Dramas vor einigen Jahren berichtet hat, kann der Autor dieses Artikels sagen, dass jeder, der mit Swifts Musik zu tun hatte, auch Geld damit verdient hat. Scott Borchetta — der Swift entdeckt hatte — erhielt 300 Millionen Dollar, als er 2019 sein Unternehmen (ihr Label Big Machine) an Braun verkaufte. Braun verkaufte Swifts Alben ein Jahr später für etwa 360 Millionen Dollar an Shamrock, behielt aber den Rest des Labels. Shamrock ist nun — wahrscheinlich mit einem gewissen Aufschlag, nachdem es einige Jahre Lizenzgebühren kassiert hat — ausgestiegen.
Taylor Swift selbst ist jedoch die grösste Gewinnerin von allen: Sie kanalisierte ihre Frustration in die produktivste Phase ihrer Karriere, unterstützt von der besten Marketingkampagne in der Geschichte des Musikgeschäfts.
Die Swift-Wende
Mittlerweile ist es fast in Vergessenheit geraten, aber Swifts Karriere war auf einem Tiefpunkt, als Braun ihre Platten kaufte. Ihre beiden damals jüngsten Alben — Reputation und Lover — gehörten zu den am schlechtesten verkauften ihrer Karriere. Sowohl die Presse als auch die Kritiker schienen sich ihr abgewandt zu haben.
In ihrem öffentlichen Streit mit Braun stellte Swift sich als ultimatives Opfer dar, als Künstlerin, die von gierigen Musik- und Private-Equity-Managern ungerecht behandelt worden war. Dann nutzte sie die zusätzliche Auszeit während der Corona-Pandemie, um einige ihrer ersten Alben neu aufzunehmen.
Die meisten Leute in der Musikbranche konnten mit dieser Strategie nichts anfangen, da sie davon ausgingen, dass es den meisten Fans egal sein würde. Ups! Swift hatte die Loyalität ihrer Fans so wie nur wenige andere gepflegt. Die neuen Alben generierten Milliarden von Streams und Millionen von Dollar.
Die Neuauflage dieser ersten Werke war der Auftakt einer Welttournee, die alle Epochen von Swifts Karriere umfasste – eine Greatest-Hits-Tour für einen Popstar, der erst Mitte 30 war. Obwohl Swift in den USA schon immer grösser war als im Ausland, füllte sie Stadien auf der ganzen Welt und stellte den Rekord für die meistverkaufte Tour der Musikgeschichte auf.
Ausserdem veröffentlichte sie vier neue Alben in ebenso vielen Jahren und gewann zwei weitere Grammys für das Album des Jahres. Diese Auszeichnung gewann sie viermal — so oft wie niemand zuvor. Taylor Swift erreichte ein Niveau, das wir seit Michael Jackson oder den Beatles nicht mehr erlebt haben.
Rückblick auf Swifts zahlreiche Fehden
Swift stellte die Jagd nach ihren Masteraufnahmen als Kreuzzug für die Rechte der Künstler dar — und alle Beteiligten in der Saga taten so ziemlich das, was man von ihnen erwarten würde.
Nachdem sie zum grössten Popstar der Welt geworden war, verliess Swift Big Machine für einen lukrativeren Vertrag bei der Universal Music Group — der grössten Plattenfirma der Welt. Als Teil der Vereinbarung sicherte sie sich die Rechte an ihren zukünftigen Werken.
Swift wollte ihre früheren Alben kaufen, konnte sich aber mit Big Machine nicht einigen. Borchetta — der seinen grössten Star verloren hatte — entschied sich, sein Unternehmen an den Meistbietenden zu verkaufen, solange der Katalog noch aktuell war.
Dann gab es noch das Problem mit dem Käufer: Braun — Manager von Justin Bieber und Ariana Grande — hatte seit seiner Zeit mit Kanye West eine bewegte Vergangenheit mit Swift. Laut Music Business Worldwide bot Braun Swift an, ihr ihre Alben zu verkaufen, doch die beiden Seiten konnten sich nicht einigen. Swift stellte eine andere Version der Ereignisse dar und beschuldigte Braun, sie zum Schweigen bringen zu wollen. Braun wiederum verkaufte die Alben dann an Shamrock für etwa das Doppelte dessen, was er dafür bezahlt hatte. Später verkaufte er sein gesamtes Unternehmen für etwa eine Milliarde Dollar.
Auch wenn Swift und Braun wohl für immer als Feinde verbunden bleiben werden, sind beide aus ihrem Streit weitaus reicher hervorgegangen. Und auch Shamrock verliert durch den Verkauf an Swift nicht gerade Geld. Denn für andere Musiker erscheint die Firma nun als guter Partner — was für ein Unternehmen, das viele Kataloge kauft, wichtig ist.
Ein bleibender Einfluss
Streitigkeiten zwischen Künstlern und Plattenfirmen sind so alt wie das Musikgeschäft selbst. Doch Swift ist möglicherweise eine der letzten grossen Popstars, die sich Sorgen darüber machen muss, dass sie nicht Eigentümerin ihrer Werke ist. Die meisten grossen Musiker lizenzieren ihre Songs heute an Plattenfirmen.
Hört man sich beispielsweise einmal die neuen Alben von Olivia Rodrigo und Morgan Wallen an, wird man feststellen, dass ihre Werke unter einer Exklusivlizenz grosser Plattenlabels stehen und nicht deren Eigentum sind. (Rodrigo und Wallen veröffentlichen über Tochtergesellschaften der Universal Music Group.)
Die letzten Jahre haben Swifts Ruf als geschäftstüchtigste Künstlerin unserer Zeit gefestigt. Sie hat im Alleingang die Verhandlungen zwischen grossen Musikkonzernen, Streaming-Unternehmen und Social-Media-Diensten beeinflusst. Ihr Erfolg mit Neuaufnahmen veranlasste Labels, ihre Verträge anzupassen und zu verhindern, dass andere Künstler ihrem Beispiel folgen.
(Bloomberg)