Bei den Ursachen für den Mangel an Computerchips treffen mehrere Faktoren zusammen. Schon der Handelskonflikt China-USA begann, sich vor zwei Jahren auf den Lieferfluss auszuwirken. Die Coronakrise hat die Knappheit durch die stärkere Hinwendung zu Homeoffice, Gaming oder Streaming-Fernsehen noch verstärkt.

Die Nachfrage nach Halbleitern, Grundbausteinen elektronischer Geräte, ist wegen deren Alltagseinsatz generell hoch. Der Übergang zum Mobilfunkstandard 5G spielt dabei eine Rolle, genauso die Autobranche, wo der immer umfangreichere Einbau von Steuerungs- und Assistenzsystemen - konventionell oder elektrisch - enorm Chips benötigt. Die Autohersteller gehören zu den Leidtragenden der "chip shortages." 

Auf Aktien der Chiphersteller und -Entwickler selbst hatte der Engpass aber durchaus einen positiven Einfluss. Am "Philadelphia oder PHLX Semicondutor Index" (SOX) lässt sich die Auswirkung des Chip-Booms ablesen. Der Branchen-Gradmesser hat seinen Punktestand seit Anfang März 2020 auf gut 3300 mehr als verdoppelt. In den vergangenen sechs Monaten hat der SOX aber nur noch leicht zugelegt. Zuletzt hat sich bei vielen Chip-Aktien ein leichter Kursrückgang gezeigt. 

Der PHLX Semiconductor Index (SOX) seit 1. März 2020 (Chart: Bloomberg).

Bei grossen Chip-Namen wie Samsung, Micron oder SK Hynix sind die Börsenkurse in den vergangenen Wochen gar spürbar gefallen. Die Preislevel von Samsung und Hynix sind in den vergangenen Tagen an der südkoreanischen Börse um 10 beziehungsweise 12 Prozent zurückgekommen. Micron an der US-Börse hat 11 Prozent eingebüsst. Samsung ist der zweitgrösste Chip-Hersteller der Welt, Hynix Nummer Vier und Micron Nummer Fünf. 

Während internationale Investoren grosse Beträge aus diesen Chip-Aktien abziehen, kaufen koreanische Retail-Anlegerinnen und -Anleger sich gerade massiv in diesen Markt ein. Dies hat die Kurse bereits etwas stabilisiert. Die in Korea genannten "Ants"-Trader spielen eine ähnliche Rolle wie die oft als Robinhooder oder Reddit-Trader bezeichneten Privatanleger in den USA. 

Den Einstieg bei diesen unter Druck gekommenen Chip-Aktien sehen grosse Investmentbanken allerdings kritisch. Auslöser der jüngsten Verkäufe bei Chip-Aktien waren kritische Berichte vor allem zu Halbleiterkonzernen, die DRAM- oder NAND-Speicherchips herstellen.

Negative Prognose für Speicherchip-Markt

Samsung, Micron oder Hynix kamen durch Prognosen etwa von Morgan Stanley und anderer Vermögensverwalter unter Druck, wonach die Stückpreise für DRAM- oder NAND-Chips fallen würden. Die Kurse der betroffenen Aktien dürften sich längere Zeit schlechter entwickeln als der Markt, wie es in der Beurteilung heisst. Morgan Stanley erwartet, dass das Speicherchip-Geschäft noch im laufenden Jahr vom Mitt- in den Spätzyklus fallen und sich erst Anfang 2023 erholen wird. 

Probleme bekundet auch Intel, das weltweit grösste Unternehmen der Branche. Grund für das Misstrauen der Märkte ist der Zweitquartalsbericht vom 22. Juli. Wie viele Technologie-Unternehmen legte Intel über Erwarten gute Zahlen vor und optimierte das Bild noch mit einem angehobenen Ausblick.

Der Kurs fiel nach der Präsentation aber um 5 Prozent und ist seitdem kaum gestiegen: Der Preisrückgang bei Notebook- und Desktop-Prozessoren setzt der Marge zu. Auf dem Chip-Markt verliert Intel Geschäft an den Konkurrenten Advanced Micro Devices (AMD). Diese Probleme dürfte Intel nicht schnell loswerden. So macht auch der gefallene Preis die Aktie derzeit nicht attraktiv.

Hohe Bewertungen versus operative Leistung

Bei allen latenten Sorgen um die Branche wollen Analysten und Marktbeobachter noch nicht von einem "Winter der Chip-Aktien" sprechen. Abseits von den Speicherchips und Intel ist das Bild bei den Chip-Aktien differenzierter. Intel-Konkurrent AMD, wo der Kurs von einem Rekordhoch auch etwas zurückgefallen ist, steht bei Analysten und Investoren immer noch hoch im Kurs. Mit dem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 59 können die Märkte immer noch leben. Ausserdem liegt die Bewertung tiefer als beim Mitbewerber im Grafikprozessorenmarkt Nvidia - dort liegt das KGV bei 82.

Doch auch Nvidia bleibt aus der Sicht weiter Teile des Marktes eine immer noch investierbare Aktie: Sorgen um die Schwäche des Kryptomarktes - von Nvidia entwickelte Chips werden gern für Bitcoin-Mining eingesetzt - haben den Kurs bisher kaum belastet, genauso wenig wie die wacklig gewordene Kaufabsicht des Chipdesigners Arm. Die Standbeine Gaming und Künstliche Intelligenz sprechen weiterhin für das kalifornische Unternehmen. 

Der grösste Auftragshersteller bleibt interessant

Eine derzeit (fast) unerschütterliche Grösse bei Chips bleibt TSMC, genannt auch Taiwan Semicondutor. TSMC ist aufgrund seiner operativen Leistung und der zentralen Stellung im Halbleitergeschäft in sehr vielen Tech-Fonds und -ETF enthalten. 

Nach Umsatz der weltweit drittgrösste Hersteller, ist TSMC weit vor Samsung und Intel der auf der Welt wichtigste Hersteller oder "Foundry", der für andere Unternehmen Chips baut (viele grosse Namen im Chip-Geschäft sind Kunden von TSMC, Samsung oder Intel, weil sie als "Fabless"-Unternehmen Chips nicht selbst herstellen). Taiwans bekanntestes Unternehmen ist sehr stark in der Smartphone- und Autoindustrie verankert und kann auch Preiszyklen relativ gut kontrollieren.

Ein Ende des Chip-Engpasses hängt nicht unwesentlich von TSMC ab. Am Aktienkurs lässt sich wenig von einer Krise ablesen, auch wenn der Kurs seit Jahresanfang mehr oder weniger seitwärts verläuft. Probleme könnten sich eher mittelfristig auftun, falls die nun getätigten Investitionen zum Produktionsausbau die Chip-Knappheit in Überkapazitäten kippen lässt. Zudem ist TMSC mit dem Sitz in Taiwan natürlich latent der Drohnung Chinas ausgesetzt, das regelmässig mit der Annexion der Inselrepublik droht.  

Auch Schweizer Chip-Zulieferer profitieren

Über alles gesehen sind der immer breitere Einsatz von Halbleitern sowie die sich im Engpass widerspiegelnde sehr hohe Nachfrage weiter Treiber für Chip-Aktien. Positiv gesehen werden im Moment auch zum Teil spezialisierte Chip-Entwickler wie NXP Semiconductors oder Skyworks Solutions sowie Zulieferer und Ausrüster der Chip-Industrie wie etwa ASML oder Broadcom.

In den entlegeren Winkeln der Chip-Welt stehen auch Schweizer Halbleiter-Zulieferer immer noch in der Gunst der Märkte. Die Aktien von VAT, Comet und Inficon haben unter dem Eindruck des Chip-Booms seit Anfang Jahr 62, 61 respektive 28 Prozent zugelegt. VAT ist Weltmarktführer für Vakuumventile, die für die Herstellung von Chips benötigt werden. Comet und Inficon liefern Kontroll- und Messysteme für die Qualitätsicherung im sehr komplexen Herstellungsprozess von Halbleitern.