Die Gruppen sollen vier deutsche Zahlungsdienstleister genutzt haben, um insgesamt rund 300 Millionen Euro von Kreditkarteninhabern zu entwenden. Fünf der Mitglieder wurden in Deutschland festgenommen.
Die Strafverfolgungsbehörden teilten am Mittwoch auf einer Pressekonferenz mit, dass ehemalige Mitarbeiter von vier grossen deutschen Zahlungsdienstleistern unter Verdacht stehen, darunter auch Führungskräfte. Sie sollen von den betrügerischen Aktivitäten gewusst, diese aber trotzdem zugelassen haben. Einige Beschäftigte sollen sogar mit den Tätern zusammengearbeitet haben, sagte Harald Kruse, Oberstaatsanwalt der Stadt Koblenz.
Die mutmassliche Zusammenarbeit zwischen möglichen Kriminellen und Zahlungsdienstleistern habe «einen Teil des deutschen Finanzplatzes kompromittiert», sagte er. Im Gegenzug sollen die Unternehmen laut Kruse «erhebliche Umsätze» erzielt haben, unter anderem durch Rückbuchungsgebühren.
Namen der Zahlungsdienstleister nicht veröffentlicht
Das von den deutschen Behörden aufgedeckte System nutzte Kreditkartendaten von Personen aus 193 Ländern, um mehr als 19 Millionen Abonnements über gefälschte Webseiten einzurichten. Die Abbuchungen wurden bewusst gering gehalten und unklar beschrieben, damit die Opfer nichts bemerkten. Anschliessend wurden die Gelder über verschiedene deutsche Bankkonten transferiert, um ihre Herkunft zu verschleiern, so die Behörden.
Die Behörden äusserten sich nicht zu den Namen der betroffenen Zahlungsdienstleister. Bei einem Unternehmen sollen die Beschuldigten eine Software zur Verschleierung der Geldflüsse installiert haben.
Seit dem Wirecard-Skandal vor rund fünf Jahren gehen deutsche Behörden, darunter auch die Finanzaufsicht BaFin, strenger gegen junge Zahlungsdienstleister vor. Viele dieser Firmen wuchsen mit dem Boom des Online-Shoppings rasant, doch ihre oft unzureichenden Kontrollmechanismen machten sie auch anfällig für kriminelle Machenschaften.
Die BaFin hatte zuvor bereits mehrere Massnahmen gegen die betreffenden Zahlungsunternehmen ergriffen, darunter Geschäftsbeschränkungen oder -verbote, sagte Birgit Rodolphe, die Leiterin der Abteilung für Geldwäscheprävention der Aufsichtsbehörde. «Die Personen, die in diesem Komplex als Beschuldigte geführt werden, sind nicht mehr in den betroffenen Unternehmen tätig», sagte sie. Sie fügte hinzu, dass einige Massnahmen nicht offengelegt worden seien, da der Gesamterfolg der Operation im Fokus stand.
Das BKA gab bekannt, dass in Zusammenarbeit mit anderen internationalen Behörden mehrere Gebäude in Deutschland, Italien, Kanada, Luxemburg, den Niederlanden, Singapur, Spanien, den USA und Zypern durchsucht wurden. In Deutschland und Luxemburg wurden Vermögenswerte im Wert von über 35 Millionen Euro sichergestellt.
4,3 Millionen Kreditkarteninhaber betroffen
Die Netzwerke stehen im Verdacht, zwischen 2016 und 2021 die Daten von 4,3 Millionen Karteninhabern missbraucht zu haben, insbesondere über Streaming-, Dating- und Unterhaltungswebseiten. Neben den 300 Millionen Euro Schaden konnten Transaktionen im Wert von rund 750 Millionen Euro nicht abgerechnet werden, beispielsweise weil die entsprechenden Karten abgelaufen waren, so die Behörden.
Unzer E-Com GmbH war eine der vier Firmen, die von den Behörden kontaktiert wurde, sagte eine Unternehmenssprecherin. Die Ermittlungen beziehen sich auf ehemalige Mitarbeitende und nicht auf das Unternehmen selbst, und die betreffenden Geschäftsbeziehungen haben im Jahr 2021 geendet, so die Sprecherin.
Ein Sprecher von Nexis deutscher Tochtergesellschaft lehnte eine Stellungnahme zu den laufenden Ermittlungen ab und erklärte, das Unternehmen kooperiere stets transparent mit den zuständigen Behörden. «Nexi Germany war seit 2021 nicht in derartige Geschäfte verwickelt», so der Sprecher.
Worldlines deutsche Payone Niederlassung habe «keine Kenntnis von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft» gegen das Unternehmen oder seine Mitarbeitenden, sagt eine Sprecherin.
Bereits vor einigen Monaten gab es Vorwürfe gegen Worldline, dass das Unternehmen in den vergangenen Jahren Warnungen ignoriert und weiter Geschäfte mit gesperrten und risikoreichen Kunden gemacht habe — und so betrügerische Transaktionen begünstigte. Daraufhin leitete die Brüsseler Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die belgische Tochtergesellschaft des Unternehmens ein. Der Aktienkurs ist seitdem weiter gefallen und erreichte am Mittwoch ein neues Allzeittief.
(Bloomberg/cash)
