cash.ch: Der Dollar hat zum Schweizer Franken seit Jahresbeginn fast 10 Prozent an Wert verloren. Überrascht?
Thomas Stucki: Der Dollar tendiert zum Franken über die Jahre schwächer, insofern bin ich nicht wirklich überrascht. Aber ein derartiger Verlust in dieser Grössenordnung ohne Gegenbewegung ist immer ein Hingucker.
Ist eine Trendwende absehbar?
Solange die Zoll- und Schuldendiskussion in den USA nicht aus der Welt geschafft ist und sich die Frage stellt, wie verlässlich Amerika als Partner noch ist, wird sich der Dollar nicht erholen. Entsprechend bleibt der Dollar vorerst unter Druck, auch wenn ich ausschliessen würde, dass er in nächster Zeit noch einmal 10 Prozent abwertet. Ein Kurs von 80 Rappen zum Franken scheint in nächster Zeit ein realistisches Ziel zu sein.
Und wo steht der Dollar in einem Jahr?
Der Dollar ist trotz allem die grösste Reservewährung der Welt. Private Firmen kommen nicht umhin, in Dollar zum Beispiel Direktinvestitionen in den USA zu tätigen und Zentralbanken haben keine Alternative, als einen Teil der Währungsreserven in liquiden US-Staatsanleihen zu halten. Sollte sich die Wirtschaftspolitik in Amerika etwas beruhigen, so dürfte sich der Dollar mit Blick auf die Zwischenwahlen 2026 stabilisieren. Insgesamt dürfte der Dollar über die nächsten zwölf Monate auf einem Niveau von 80 Rappen verharren.
Zu Europa: Die Euro-Hausse nach Bekanntgabe des deutschen Rüstungs- und Infrastrukturpakets war nur von kurzer Dauer...
Beim Euro muss zwischen kurzer, mittlerer und langer Frist unterschieden werden. Die Grundprobleme des Euro aufgrund dessen Konstruktion mit den unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen und der fiskalischen Disziplin sind weiterhin da. Das heisst, langfristig wird der Euro zum Franken an Wert verlieren. Auf der anderen Seite profitiert der Euro derzeit vom Vertrauensverlust in den Dollar und präsentiert sich als Alternative. Insofern dürfte der Euro in den nächsten Monaten stabil bleiben. Wenn die fiskalischen Massnahmen in Deutschland sinnvoll umgesetzt werden, kann dies zu einem wirtschaftlichen Aufschwung führen. Das unterstützt den Euro, aber das reicht nicht, damit der Euro zum Franken wieder auf die Parität steigt. Ich sehe eher ein Niveau von 95 bis 96 Rappen.
Bleiben der Dollar und der Euro stabil zum Schweizer Franken, dann müsste die Schweizerische Nationalbank (SNB) an der Sitzung vom Donnerstag die Leitzinsen nicht senken?
Die SNB hat die Zinsen im letzten Jahr zu stark gesenkt. Das ist das Problem. Wenn man heute ein Zinsniveau in der Schweiz von plus 0,75 Prozent oder 1,00 Prozent hätte, wäre der Franken nicht stärker als er heute ist. Und die Nationalbank könnte relativ ruhig im Juni und im September noch ein, zwei Zinssenkungen nachschieben und alle würden sagen, die hiesigen Währungshüter machen es richtig. Zusätzlich wird die Zinsdiskussion bei der Nationalbank erschwert durch die Nullzinsgrenze, die da drohend schwebt. Der währungsgewichtete, reale Franken ist im April sehr stark gestiegen - trotz stabilem Euro, aber halt einem schwachen Dollar. Die Unsicherheit ist gross und die Inflationsrate in der Schweiz sinkt stärker als die Nationalbank erwartet. Das heisst, die Nationalbank muss ein Zeichen setzen auf der Zinsseite. Darum gehe ich davon aus, dass sie am Donnerstag die Zinsen senken wird.
Um wie viele Basispunkte wird die SNB den Leitzins senken?
Der Markt geht davon Ende Jahr von minus 0,25 Prozent aus. Ich bin der Meinung, das macht man in einem Schritt. Wir werden am Donnerstag eine Zinssenkung auf minus 0,25 Prozent sehen. Das ist es dann ein für alle Mal.
Ein für alle Mal? Das hiess es schon bei einem Leitzins von 1 Prozent vor Jahresfrist, jetzt sei fertig mit Zinssenkungen...
(lacht)... An Negativzinsen hat niemand Interesse und es gibt momentan keinen Grund, wieder Richtung minus 0,75 Prozent oder minus 1,00 Prozent zu gehen. Aber ob plus 0,25 Prozent, 0,00 Prozent oder minus 0,25 Prozent ist für die Konjunktur und die Wirtschaft nicht entscheidend. Solange man in diesem Bereich bleibt, ist die Geldpolitik wirtschaftsverträglich. Man wird auch nicht die grossen Verzerrungen sehen, wie das in der letzten Negativzinsphase geschehen ist, mit dem Boom am Schweizer Immobilienmarkt.
Die Renditen von Frankenobligationen sind wieder nahe Null. Machen Obligationen in den Depots überhaupt noch Sinn?
Wenn man das Portfolio in Aktien und Obligationen unterteilt, dann muss die Rendite von den Aktien kommen und die Stabilität von den Obligationen. Mit Ausnahme 2022 hat dies in der Vergangenheit immer funktioniert, so auch im April nach dem 'Liberation Day' - sprich Aktien sind gesunken und die Obligationen haben sich als Gegenstück gut gehalten. Die Renditen in den Schweizer Obligationen sind nun knapp über null. Wenn man Schuldner mit Rating AA oder Single A nimmt bei Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren, ist die Rendite noch deutlich über null. Man verdient noch etwas, deshalb ist Kaufen und Halten mit einer sauberen Staffelung bei den Verfalldaten die richtige Strategie.
Sind Obligationenfonds aus Schwellenländer mit hohen Renditen eine Alternative?
Was ich bei Obligationen nicht mache, sind zu starke Konzessionen bei der Qualität einzugehen. Es macht für mich keinen Sinn, Bonds aus den Emerging Markets zu kaufen. Da habe ich lieber Aktien aus den Emerging Markets. Das gilt auch für Fremdwährungsobligationen, wo ich das Währungsrisiko absichern muss. Ganz ohne Fremdwährungsobligationen geht es allerdings auch nicht. Dies, weil der Kreis der Emittenten im Ausland grösser ist. In der Schweiz gibt es fast nur öffentlich-rechtliche Emittenten plus Banken und Versicherungen..
Es gibt High-Yield-Anlagen in Europa und USA auf ETF-Basis mit Renditen von 5 bis 9 Prozent. Ist das eine Alternative als Beimischung in ein Portfolio?
Ja, High-Yield-Anlagen als Beimischung in ein Portfolio ist valabel im Unterschied zu Obligationen aus den Emerging Markets. Die Renditen sind hoch, so bleibt auch auf Währungsbasis noch etwas übrig. Wenn man das als Beimischung hat, ist es aber nicht ein Trading-Instrument, sondern man muss es als Beimischung mittel- und langfristig im Portfolio haben. Nur so kann man die Mehrrenditen der High-Yield-Obligationen ziemlich gut abschöpfen. Mit dem Bewusstsein im Unterschied zu den normalen Obligationen sind die Preisschwankungen natürlich auch auf abgesicherter Basis deutlich höher.
Thomas Stucki ist Anlagechef der St. Galler Kantonalbank. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven. Er hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder.
2 Kommentare
Fragen sie doch lieber den Bankmenschen, warum man sein Geld nicht besser völlig liquide halten soll, als es in nichtrentierende Oblis zu stecken.
Ich wage zu behaupten, seine Antwort darauf wäre eher zur allgemeinen Erheiterung als ehrlich. ;-)
„Die SNB hat die Zinsen im letzten Jahr zu stark gesenkt. Das ist das Problem. Wenn man heute ein Zinsniveau in der Schweiz von plus 0,75 Prozent oder 1,00 Prozent hätte, wäre der Franken nicht stärker als er heute ist“
…diese Aussage teile ich klar nicht! Klar ist bezüglich Zinsprognosen liegt dieser Herr ziemlich immer daneben. Man siehe all seine Prognosen in den Interviews die letzen Jahre.