Die 13. Anhebung der Leitzinsen durch die Bank of England in Folge sei unausweichlich, erklärt der Ökonom Suren Thiru vom Institute of Chartered Accountants in England and Wales mit Blick auf die hartnäckig hohe Inflation. Die englische Notenbank hat am Donnerstag den Leitzins entsprechend um 50 Basispunkte von 4,5 auf 5,0 Prozent erhöht. Ein solcher Schritt bedeutet für Eigenheimbesitzer, die Hypotheken mit variablem Zinssatz bedienen müssen, deutlich höhere Zahlungen. In Grossbritannien werden Immobilien meistens variabel finanziert. In der Schweiz beträgt der Anteil an flexiblen Saron-Hypotheken nur 20 Prozent, während 80 Prozent der Immobilienkredite eine feste, längere Laufzeit bei sogenannten Festhypotheken haben.

Bereits jetzt liegt der Leitzins in Grossbritannien auf dem höchsten Niveau seit der Finanzkrise 2008. Der Straffungsprozess von fast null Prozent Ende 2021 auf derzeit 5 Prozent ist einer der schärfsten, den die britische Wirtschaft je zu verkraften hatte. Hintergrund ist der starke Anstieg der Inflation, der vor allem auf den russischen Krieg gegen die Ukraine zurückgeht. 

Ein Zinsanstieg hat konkrete Folgen

Die Hypothekenzahlungen für einen durchschnittlichen Haushalt, der eine Umschuldung vornimmt, würden um 2900 Pfund (3300 Franken) pro Jahr zulegen, rechnete die Denkfabrik Resolution Foundation vor. Die Erhöhung treffe bis 2026 etwa 7,5 Millionen Haushalte. Der Thinktank Institute for Fiscal Studies (IFS) warnte, wegen Zinserhöhungen könnten 1,4 Millionen Hypothekeninhaber mindestens ein Fünftel ihres verfügbaren Einkommens verlieren. Eine YouGov-Umfrage für die Schuldenhilfe Stepchange ergab, dass schon jetzt fast die Hälfte der Hypothekeninhaber Probleme mit Kreditverpflichtungen und Rechnungen hat.

Die Zahl der Immobilienbesitzer, die eine Hypothek bedienen müssen, ist seit 1989 von 40 auf 30 Prozent gefallen. Ältere Menschen haben ihre Hypotheken abbezahlt. Zudem kaufen weniger Jüngere ein Eigenheim, hohe Kosten verwehren ihnen den Sprung auf die "Immobilien-Leiter". Nach wie vor aber ist der Wunsch nach Eigentum unter Britinnen und Briten weit verbreitet. Gemietet wird in aller Regel nur für eine begrenzte Zahl von Jahren, auch weil Mieter im Vergleich zu Deutschland deutlich weniger Rechte haben.

Der prominente Verbraucherschützer Martin Lewis forderte "harten oder weichen politischen Druck" auf die Banken. Mit Premierminister Rishi Sunak habe er besprochen, dass Banken ihre Margen erhöhten, sagte Lewis dem Sender ITV. "Das heisst, sie erhöhen Hypotheken, aber nicht die Sparzinsen, so dass sie mehr Geld verdienen." Falls die Leitzinsen jahrelang weiter steigen - Resolution erwartet eine Anhebung auf 6 Prozent bis Mitte 2024 -, müssten viele Menschen ihre Finanzen auf den Kopf stellen. "Das wird ein Alptraum", sagte Lewis.

Von der Regierung dürfen Verbraucher aber keine Extra-Hilfe erwarten. Sunak räumte zwar ein, die Inflation setze vor allem Familien stark zu. Er habe aber bereits "entschieden" gehandelt mit Verweis auf bestehende Hilfen etwa bei Energierechnungen. Der konservative Regierungschef hat versprochen, die Inflation zu halbieren. Er argumentiert, staatliche Eingriffe würden die Verbraucherpreise nur weiter antreiben. "Die Zinsen steigen, weil die Inflation zu hoch ist", sagte Sunak am Donnerstag und kündigte an, er werde seinen Kurs beibehalten. Die oppositionelle Labour-Partei wirft den Tories hingegen "wirtschaftlichen Vandalismus" vor.

Sorgen bereitet den Eigentümern zudem, dass die Häuserpreise zuletzt deutlich gefallen sind. Im April kostete eine Immobilie im Durchschnitt 286'000 Pfund. Das waren 7000 Pfund weniger als noch zu Hochzeiten im September 2022, wie das Statistikamt ONS mitteilte.

Die Immobilienpreise in Grossbritannien schwanken einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge viel stärker als in Deutschland. "Der deutsche Wohnungsmarkt ist resilient gegenüber plötzlichen Wertschwankungen, eine konservative Immobilienfinanzierung mit langer Zinsbindung und hohe Transaktionskosten beruhigen den Transaktionsmarkt", sagte IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer. Deutsche Wohnimmobilien seien auch wertstabiler als in Frankreich und den Niederlanden. Jedoch gelten die Kaufnebenkosten für Grundbucheintrag, Makler und Notar in Deutschland im internationalen Vergleich als hoch.

(AWP)