Sollten bereits zugesagte Milliarden wie für die Ansiedlung der Halbleiterhersteller Intel und TSMC oder staatliche Investitionen dadurch ausbleiben, hätte das verheerende Folge, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, der Nachrichtenagentur Reuters.

«Wenn jetzt die Politik ihre Versprechen kassieren würde, wäre das der Super-GAU.» Damit würde Vertrauen langfristig verspielt. Dies wiederum werde dazu führen, dass nicht nur deutsche, sondern auch ausländische Unternehmen hier weniger investierten. «Das wird die De-Industrialisierung, aber auch andere Probleme eher beschleunigen», sagte Fratzscher mit Blick etwa auf staatliche Hilfen für die Digitalisierung und den ökologischen Umbau der Volkswirtschaft. «Deutschland kann zum kranken Mann Europas werden, wenn die Transformation verschlafen wird», warnte der Ökonom.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte zuletzt den Sinn staatlich geförderter grosser Infrastruktur-Investitionen im Halbleiter- und Batteriesektor infrage gestellt. Deren Finanzierung ist offen, weil nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes die Mittel aus dem Klimafonds KTF und dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds nicht umgewidmet werden dürfen.

Ein sehr grosser Anteil aus diesem Milliardentopf sei für Projekte in Ostdeutschland vorgesehen gewesen, allein rund 15 Milliarden Euro für die Ansiedlung von Intel in Magdeburg und von TSMC in Dresden. Das nun abzublasen, «wäre in jeglicher Hinsicht sehr gefährlich», warnte Fratzscher auch mit Blick auf die 2024 in Sachsen, Thüringen und Brandenburg anstehenden Landtagswahlen. Damit würde «der Wahlerfolg der AfD quasi garantiert», sagte der DIW-Präsident.

Dass die Ampel-Regierung ihren Etat für 2024 nun nicht mehr in diesem Jahr, sondern erst im Januar verabschieden will, hält Fratzscher für das kleinere Problem. Wichtiger sei die Frage, wie das Haushaltsloch geschlossen werden könne, das von Lindner auf 17 Milliarden Euro beziffert und vom DIW sogar auf 25 Milliarden Euro geschätzt wird.

«Meiner Überzeugung nach ist es das Beste, eine erneute Notlage zu erklären und alle Versprechen einzuhalten», sagte Fratzscher. Dadurch könnte die Schuldenbremse ausgesetzt werden, was wiederum eine höhere Neuverschuldung erlauben würde. Gleichzeitig müsse angekündigt werden, mittelfristig Steuerreformen und den Abbau von Subventionen den Staatsetat auf sichere Beine zu stellen.

(Reuters)