Die Europäische Zentralbank (EZB) ist aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel auf ihrem Zinserhöhungskurs im Kampf gegen die hohe Inflation noch nicht am Ziel. Die Inflationsrate sei zwar deutlich zurückgekommen seit Oktober, dennoch blieben die Zahlen weiter hoch, sagte Nagel am Freitag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesfinanzminister Christian Lindner auf dem Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der sieben führenden Industrienationen (G7) im japanischen Niigata. Die Geldpolitik müsse daher weiter entschlossen handeln, um Preisstabilität zeitnah zu erreichen. "Die letzte Zinserhöhung wird dabei wohl nicht die letzte gewesen sein." Um die hartnäckige Inflation zu überwinden, müsse die Geldpolitik noch hartnäckiger sein.

Entscheidend werde sein, ein ausreichend hohes Zinsniveau zu erreichen, sagte Nagel. Dieses müsse dann solange wie nötig gehalten werden. Was ausreichend und erforderlich sei, hänge in erster Linie von der weiteren Entwicklung der Inflationsaussichten ab. "Aus heutiger Sicht sind noch mehrere Zinsschritte nötig." Die Unsicherheit bei dieser Aussage sei aber überdurchschnittlich hoch. Es müsse sichergestellt werden, dass die Teuerungswelle tatsächlich ende.

Fed-Direktorin Michelle Bowman ist mit Blick auf eine mögliche Zinspause noch unentschieden. Das Zinsniveau bremse die Wirtschaft zwar, sagte sie am Freitag laut Redetext bei einem Symposium der EZB. Doch ob es in dieser Hinsicht bereits ausreichend restriktiv sei, um die Inflation zu drücken, bleibe unsicher: "Ich werde die eingehenden Daten weiterhin genau beobachten, während ich über den angemessenen geldpolitischen Kurs für unsere Juni-Sitzung nachdenke." Weder der jüngste Arbeitsmarktbericht noch die Inflationsdaten lieferten aus ihrer Sicht schlüssige Hinweise auf eine sinkende Inflation, wie sie sie sehen wolle.

Zugleich dämpfte Bowman Spekulationen auf eine Zinssenkung in absehbarer Zeit: "Ich gehe auch davon aus, dass unser Leitzins noch einige Zeit lang ausreichend restriktiv bleiben muss, um die Inflation zu senken und Bedingungen zu schaffen, die einen nachhaltig starken Arbeitsmarkt unterstützen."

Ähnlich hatte sich am Donnerstag schon der US-Währungshüter Neel Kashkari geäussert. Hintergrund sind Spekulationen, wonach die Fed nach einer mehrmonatigen Zinspause bereits im September die Geldpolitik wieder lockern und den geldpolitischen Schlüsselsatz senken könnte. Bowman schloss auch weitere Zinserhöhungen nicht aus: "Sollte die Inflation hoch bleiben und der Arbeitsmarkt angespannt bleiben, dürfte eine weitere Straffung der Geldpolitik angebracht sein, um einen ausreichend restriktiven Kurs der Geldpolitik zu erreichen, um die Inflation im Laufe der Zeit zu senken."

Die Fed hat die Zinsen seit Anfang 2022 von nahe null auf eine Spanne von 5,00 bis 5,25 Prozent angehoben, um den Preisauftrieb einzudämmen und den Arbeitsmarkt abzukühlen. Sie hält sich die Option einer Zinspause offen, will aber mit Blick auf die hereinkommenden Daten flexibel bleiben. Die EZB-Währungshüter um Notenbankchefin Christine Lagarde hatten vergangene Woche im Kampf gegen die Inflation die Zinsen um 0,25 Prozentpunkte angehoben. Der an den Finanzmärkten massgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder erhalten, liegt damit inzwischen bei 3,25 Prozent. Es war bereits die siebte Zinsanhebung in Folge seit der Zinswende im Juli 2022.

(cash/Reuters)