An einem Tag reagieren die Börsianer überall auf der Welt besorgt über steigende Coronafallzahlen und mögliche neue Lockdowns – und nur einen Tag später ignorieren sie all das. Am einen Handelstag sind defensive Titel oben, nur, damit Anleger am nächsten Tag wieder in Zykliker gehen. Dass der defensiv ausgerichtete SMI seit Ende Juni nicht mehr wirklich zulegt, kann als leichter Vorliebe der Märkte für die Zykliker gewertet werden. Aber das Blatt kann sich schnell wieder wenden.
Orientierung zu finden, ist nicht einfach. Zwischendurch werden mal wieder Gewinne mitgenommen. Gleichzeitig regnet es neue Kursziele und Guidance-Änderungen der Firmen. Klar, das ist alles Handelsalltag. Vor diesem dennoch recht nervösen Hintergrund sind folgende Schweizer Aktien in den vergangenen Handelstagen aufgefallen:
Idorsia
In Biotech-Aktien steckt meistens viel Bewegung. So steigt der Kurs des Medikamentenentwicklers Molecular Partners in nur fünf Tagen um ein Viertel, während das Frauenmedizin-Start-Up Obseva an der Börse 23 Prozent nachlässt. Bei Idorsia wiederum beträgt das Minus seit Anfang vergangerer Woche knapp 20 Prozent.
Das Start-up fasziniert Anleger, weil es vom erfolgreichen und sehr engagierten Mediziner- und Actelion-Gründerpaar Martine und Jean-Paul Clozel geführt wird. Möglicherweise etwas weniger fasziniert ist die Johnson-&-Johnson-Tochter Cilag, die, wie man seit letzer Woche weiss, fast 12 Millionen Idorsia-Aktien verkauft. Dies hat dem Kurs vergangene Woche zugesetzt.
Idorsia wird bis auf weiteres wie viele kotierte Biotechfirmen keinen Gewinn machen. Hoffnungen bestehen aber dank Daridorexant, einem Schlafmittel, das das Unternehmen entwickelt. Der Kurs dürfte eng auf diesen Forschungszweig reagieren, der zuletzt Studien erfolgreich durchgeführt hat. Der Cilag-Kursrückgang macht die Aussichten bei Idorsia im Moment eher interessanter.
Die Idorsia-Aktie hat seit dem Börsengang 2017 deutlich an Wert gewonnen (Chart: cash.ch).
Swiss Life
Zugegeben, mit minus 1,7 Prozent Kursrückgang innert einer Woche ist Swiss Life längst nicht die Aktie mit der grössten Kursveränderung der vergangenen Tage. In den Schlagzeilen war der Lebensversicherungskonzern zwar. Der gerade angekündigte Kauf der Shopping Mall Glattzentrum in Wallisellen ZH von der Migros ist zwar eine wichtige News, unterstreicht aber vor allem, dass die Swiss Life ihre Bedeutung als grösster privater Immobilienbesitzer der Schweiz ausbaut.
Das auffällige ist eher, dass bei allem Hin- und Her an der Börse sich das Image der Versicherungsaktien etwas verbessert hat. Die Schrecken der Coronazeiten seien langsam eingepreist, sagen Marktexperten. Die Angst, dass die guten Dividendenzahler ihre Aktionäre künftig nicht mehr so üppig an den Gewinnen teilhaben lassen könnten, ist etwas zurückgewichen. Bei der Swiss Life, wo Anleger jetzt schon auf eine Dividendenrendite von 4,2 Prozent kommen, könnte die Ausschüttung noch zunehmen. Ein Titel, bei dem man sich positionieren kann.
Alcon
Die Aktie des Augenmedizinaltechnikers hat innert Wochenfrist 4,5 Prozent verloren und kostet 53,10 Franken. Zu den Neuigkeiten, die zuletzt über Alcon die Runde machte, gehört eine 345-Millionen-Dollar-Strafe in den USA, die Alcon zusammen mit dem Ex-Mutterkonzern Novartis zahlen muss. Dazu kommt, dass die Märkte etwa kritischer gegenüber Medtech geworden sind. Alcon, seit April 2019 an der Börse, befindet sich immer noch in einer Turnround-Phase.
Seit Anfang Jahr liegt der Kurs allerdings nur 3 Prozent im Minus und gehört damit knapp zum oberen Drittel im SMI. Einen langen Atem braucht es bei Alcon dennoch: Wegen des grossen US-Marktes ist Alcon in vielerlei Hinsicht eine Wette auf die Folgen der Coronavirus-Verbreitung in den USA, das dortige Wirtschaftswachstum und nicht zuletzt den Ausgang der Präsidentschaftswahlen im November.
Die 20 SMI-Aktien in den vergangenen Tagen: Swiss Life figuriert in den hinteren Rängen (Grafiken: Bloomberg).
Arbonia
Die Industriegruppe für Gebäudetechnik hat ihren Wert an der Börse innert einer Handelswoche um 14 Prozent gesteigert. Mehr als 10 Prozent allein stieg die Aktie am Montag: Die Halbjahres-News sind überraschend positiv ausgefallen. Trotz Umsatzrückgangs hat das Unternehmen, das am stärksten in der Schweiz und Deutschland Geschäfte macht und dessen wichtigster Aktionär der Industrieinvestor Michael Pieper ist, das operative Ergebnis gesteigert.
Im Vergleich zum Jahresanfang liegt Arbonia aber immer noch um etwa 15 Prozent im Minus. Die vor einigen Jahren eingeleitete Fokussierung des Geschäfts nützt Arbonia. Angesichts einer Rezession aber ist auch bei diesem Unternehmen – trotz derzeit verdienten Zuspruchs – Vorsicht angebracht. Vontobel etwa bezweifelt, ob Arbonia die Kapitalkosten decken kann. Andere Analysten sind optimistischer und verweisen darauf, dass die Industriegruppe relativ attraktiv bewertet sei. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist mit 26 (Bloomberg) angemessen.
Die Halbjahresbilanz haben Arbonia zu den bestperformenden Aktien im SPI werden lassen.
Achiko
Achiko ist ein indonesisches Fintech und ein Neuzugang nicht nur an der Schweizer Börse, sondern in der Schweiz überhaupt: Das Unternehmen hat erst kürzlich den Sitz von den Cayman Islands nach Zürich verlegt, um seriöser zu erscheinen, und hat im Juni seine Geschäftstätigkeit hier aufgenommen. Mit diesem Schritt soll sich auch die Liquidität der Aktie erhöhen, sagte das Management des Unternehmens kürzlich.
Das Unternehmen kam Ende vergangenen Jahres nach etwas Hin und Her über ein Direct Listing an die Börse SIX. Die Aktie ist seit letztem Jahr von 2 Franken auf 25 Rappen gesunken. Allein in den letzten fünf Tagen ist der Kurs um fast 13 Prozent zurückgegangen. Achiko zielt auf den Markt für Zahlungsdienstleistungen und arbeitet an Plattformen, die Regierungen und die Wirtschaft einander näherbringen sollen. Kürzlich wurde vermeldet, dass Achiko für eine Plattform eine Lizenz für eine Coronavirus-Testtechnologie abgeschlossen habe.
Interessant ist, dass das Fintech mit der fintech-affinen und –erfahrenen Hypothekarbank Lenzburg zusammenarbeitet. Für die fintecharme Schweizer Börse ist Achiko ein interessanter Neuzugang, aber auch ein Exot: Bevor investiert ist, sollte mehr konkretes über die Firma, des Geschäftsmodell und auch über Analysteneinschätzungen bekannt sein. Bloomberg führt bisher noch keine Ratings oder dergleichen auf.