Logistiker haben turbulente Wochen hinter sich. Auch wenn die Zollpolitik von US-Präsident Trump derzeit etwas weniger im Fokus steht, hat dies der Komplexität des Welthandels keinen Abbruch getan. Eingeschränkte Sichtbarkeit und hohe Unsicherheit bleiben Gift für die globalen Handelsströme - und wenn diese stocken, stockt die Weltwirtschaft.
Rund 80 Prozent des Welthandels werden über den Seeweg abgewickelt. Entsprechend stark wirken sich geopolitische Entwicklungen auf die Aktienkurse der Branche aus. So notiert der Schweizer Logistikriese Kühne + Nagel fast 50 Prozent unter dem Allzeithoch, die US-Firma UPS auf einem Fünfjahrestief. Für Anleger stellt sich somit die Frage, ob die Talsohle bereits erreicht ist.
Kühne+Nagel: Rückgrat unter Druck
Im ersten Quartal 2025 stiegen die Erlöse von Kühne + Nagel um 15 Prozent, der Gewinn nach Steuern um 9 Prozent. Die Profitabilität bleibt jedoch hinter den Zielen zurück. So liegt die operative Marge mit 19 Prozent unter dem mittelfristigen Anspruch von 25 bis 30 Prozent.
Zwar profitiert der Konzern von gestiegenen Frachtraten und stabiler Kontraktlogistik, die Aktie notiert jedoch weit unter früheren Höchstständen. Ende August markierte sie mit 162 Franken ein Fünfjahrestief. Aktuell liegt sie bei 164 Franken und ist damit weit vom Rekordwert von 319,40 Franken im Herbst 2021 entfernt. Seit Jahresbeginn haben die Titel 21 Prozent nachgegeben, auf 52 Wochen steht das Minus sogar bei 38 Prozent.
Die Analysten sind geteilter Meinung: Sieben Experten empfehlen den Kauf, neun das Halten und sechs den Verkauf der Aktie. Die UBS senkte das Kursziel zuletzt auf 179 Franken bei unverändert neutraler Einstufung. Auch die Helvetische Bank hat die Aktie aus ihrer Favoritenliste gestrichen und verweist auf Belastungen durch Deglobalisierung und die US-Zollpolitik.
Gleichzeitig spricht einiges für einen langfristigen Rückenwind. Dazu zählen der anhaltende E-Commerce-Boom, die zunehmende Komplexität globaler Lieferketten, die Nachfrage nach CO₂-ärmeren Transportlösungen sowie die starke Marktstellung des Konzerns. All dies sind strukturelle Treiber, die das Geschäftsmodell über Jahre stützen dürften.
Die Aktien von Kühne+Nagel haben das Potenzial für langfristiges Wachstum, stehen jedoch kurzfristig unter Margendruck und sind durch politische Risiken belastet. Für Anleger dürfte somit kurzfristig Vorsicht angebracht sein, auf längere Sicht bleibt Kühne + Nagel ein Qualitätswert mit attraktiven Perspektiven.
DSV: Globaler Champion durch DB Schenker-Übernahme
Durch die Übernahme von DB Schenker im Frühling 2025 stieg die dänische DSV zum weltweit grössten Frachtführer auf. Obwohl das operative Ergebnis im zweiten Quartal 2025 leicht unter den Erwartungen lag, hält das Management an seiner Jahresprognose fest. Laut dem Unternehmen bremsen politische Unsicherheiten, insbesondere im Handel zwischen den USA und Mexiko, die Investitionen.
Die Aktie gab seit Jahresbeginn rund 7 Prozent nach, liegt auf Sicht von zwölf Monaten jedoch 16 Prozent im Plus. Zur Zeit kostet ein Titel 1349,5 dänische Kronen. Die grosse Mehrheit der Analysten (21) spricht eine Kaufempfehlung für die Aktien von DSV aus. Zum Verkauf rät derzeit keiner. Damit bleibt DSV ein langfristig attraktiver Konsolidierer der Branche. Ähnlich wie bei Kühne+Nagel könnten jedoch geopolitische Unsicherheiten und Integrationskosten für Schwankungen sorgen. Laut Analysten finden Anleger, die an die fortschreitende Konsolidierung im Sektor glauben, mit DSV einen starken Langfristwert, bei dem sie jedoch Volatilität akzeptieren müssen.
UPS: Zollpolitik belastet das Geschäft
Der weltgrösste Paketzusteller ist auch im Frachtgeschäft tätig und leidet derzeit besonders unter der US-Zollpolitik. So sank im zweiten Quartal 2025 der Umsatz auf 21,2 Milliarden Dollar und der bereinigte Gewinn je Aktie fiel von 1,79 auf 1,55 Dollar. Änderungen bei der De-Minimis-Regel für Importe aus China und Hongkong führten zu einem sinkenden Paketvolumen. Angesichts der momentanen fragilen Lage wagte UPS keinen Ausblick.
Auch die Anleger zeigen sich derzeit zurückhaltend. Die Aktie markierte am Donnerstag mit 84,50 Dollar ein neues Fünfjahrestief. Seit Jahresbeginn beträgt das Minus 30 Prozent, auf Zwölfmonatssicht sind es 32 Prozent.
Ein Blick auf die Analystenratings ergibt ebenfalls ein gemischtes Bild: Es gibt 16 Kaufempfehlungen, 16 Halten und zwei Verkaufsempfehlungen. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 104,33 Dollar (Bloomberg-Konsens). Auch wenn UPS derzeit politisch stark belastet ist, sprechen die soliden Fundamentaldaten für den Paketdienstleister und somit als Option für geduldige Anleger.
DHL: Robust, aber abhängig vom Welthandel
Die DHL Group hat sich im zweiten Quartal als widerstandsfähig gezeigt. So stieg der operative Gewinn um 6 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro und der Nettogewinn um fast 10 Prozent. Der Umsatz sank hingegen um 4 Prozent auf 19,8 Milliarden Euro. Belastend wirkten sich dabei Wechselkurseffekte und der schwächere Welthandel aus. Während das Expressgeschäft dank Preiserhöhungen mehr Ertrag brachte, brach das Frachtgeschäft deutlich ein.
Die Aktie notiert derzeit bei gut 39 Euro. Seit Jahresbeginn hat sie 16 Prozent zugelegt, auf Zwölfmonatsbasis beträgt das Minus 1 Prozent. Analysten vergeben zwölf Kauf-, zehn Halte- und zwei Verkaufsempfehlungen. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 43,70 Euro.
Der deutsche Weltkonzern ist grundsätzlich solide aufgestellt und bietet langfristig Potenzial, ist aber ebenfalls anfällig für globale Handelszyklen. Und die sind derzeit unsicher. Dennoch halten Analysten den Titel für das Anlegerportfolio als defensiven Wert mit Potenzial für moderate Gewinne für interessant. Eine Immunität gegenüber konjunkturellen Schwächen ist jedoch nicht gegeben.
Maersk: Gewinner höherer Frachtraten
Die dänische Reederei Maersk profitierte zuletzt von einer robusten Nachfrage in der Seefracht und hob ihre Gewinnprognose auf 8,0 bis 9,5 Milliarden Dollar an. Im zweiten Quartal stieg das operative Ergebnis um sieben Prozent auf 2,3 Milliarden Dollar, der Umsatz kletterte auf 13,1 Milliarden Dollar.
Trotz der Marktvolalatilität blieb die Nachfrage widerstandsfähig. Ein Rückgang der US-Importe wurde durch ein starkes Wachstum der Einfuhren in andere Regionen, einschließlich Europas, «mehr als ausgeglichen», hiess es in der Quartalsmitteilung. «Trotz der Marktvolatilität und der historischen Unsicherheit im Welthandel ist die Nachfrage widerstandsfähig geblieben, und wir haben weiter schnell und flexibel reagiert», sagte CEO Vincent Clerc.
Allerdings beruht der Rückenwind stark auf den aktuell erhöhten Frachtraten, die traditionell sehr zyklisch sind. Mit der Auslieferung zahlreicher neuer Containerschiffe in den kommenden Jahren droht eine Überkapazität, die die Preise und damit die Margen deutlich belasten könnte. Hinzu kommen geopolitische Unsicherheiten auf wichtigen Handelsrouten wie dem Roten Meer.
Die Aktie notiert bei 13'580 dänischen Kronen und damit rund zehn Prozent über dem durchschnittlichen Kursziel von 12'118 Kronen. Analysten zeigen sich daher vorsichtig. Nur zwei Kaufempfehlungen stehen elf Halte- und 16 Verkaufsempfehlungen gegenüber. Seit Jahresbeginn liegt der Kurs 12,5 Prozent im Plus, auf Sicht von zwölf Monaten sogar 34,3 Prozent. Sie gehen davon aus, dass Maersk kurzfristig von den hohen Frachtraten und einem flexiblen Kostenmanagement profitieren wird. Langfristig droht jedoch Druck durch Überkapazitäten und die zyklische Natur der Branche. Für Anleger ist dies eher ein Titel für taktische Engagements im Zyklus als ein klassischer Langfristwert.
Hapag-Lloyd: Belastet durch US-Zollpolitik
Wie aus dem Unternehmensbericht hervorgeht, musste die Hamburger Reederei im zweiten Quartal 2025 einen Gewinneinbruch von fast zwei Dritteln auf 156 Millionen Euro hinnehmen. Gründe hierfür waren eine volatile Nachfrage, überlastete Häfen und die angespannte Sicherheitslage im Roten Meer. Der Umsatz stieg leicht auf 4,6 Milliarden Euro, was auf höhere Transportmengen zurückzuführen ist.
Die Aktie notiert derzeit bei 119,90 Euro. Seit Jahresbeginn hat sie 21,8 Prozent verloren, auf Zwölfmonatsbasis 17,4 Prozent. Die Analysten bleiben ebenfalls zurückhaltend. Es gibt keine Kaufempfehlung, sechs Mal die Empfehlung «Halten» und sieben Mal die Empfehlung «Verkaufen». Das Konsens-Kursziel liegt bei 109,89 Euro. Angesichts der sinkenden Frachtraten, geopolitischer Belastungen und eines schwachen Gewinnprofils bietet Hapag-Lloyd aktuell wenig Kaufargumente für Anleger, höchstens für risikofreudige Investoren mit spekulativem Horizont.
Der Transport- und Logistiksektor spiegelt also wie kaum ein anderer die Dynamik des Welthandels wider. Während einige Akteure wie DSV und DHL ihre Stärke ausspielen, leiden andere wie UPS, Hapag-Lloyd oder Kühne + Nagel unter geopolitischen Risiken und strukturellem Margendruck.
Daher ist der Sektor für Anleger ein zweischneidiges Schwert: Einerseits kann er für langfristig orientierte Investoren attraktiv sein, die auf globale Vernetzung setzen. Andererseits ist er durch kurzfristige Rückschläge aufgrund von Politik und Konjunktur belastet.