Als die Europäische Zentralbank jüngst die schwindende Dominanz des Dollar und den Aufschwung des Euro bei Reservewährungen verkündete, war EZB-Direktor Benoit Coeure die Zufriedenheit anzumerken: Wenn jetzt noch die europäische Währungsunion vertieft werde, sei dies ein "Schub für die globale Rolle des Euro". Tatsächlich könnte sich der Trend des vergangenen Jahres in der Zukunft fortsetzen - da sank der Anteil des Dollar an den weltweiten Reservewährungen auf 61,7 Prozent, der des Euro stieg im Gegenzug auf 20,7 Prozent. Treibende Kraft ist aber offenbar nicht, dass der Euro so attraktiv ist, sondern der Dollar unter US-Präsident Donald Trump an Attraktivität verliert.

Der Grund liege vor allem in US-Sanktionsdrohungen, die Trump in alle Richtungen ausstosse, sagte ein EU-Diplomat zu Reuters. Dies sorge weltweit dafür, dass man stärker daran denke, Geschäfte ohne Nutzung des Dollar abzuwickeln. Der Iran als ideologischer Hauptgegner der USA etwa verkauft sein Öl nicht mehr über die US-Währung.

Die grossen EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Grossbritannien haben ein besonderes Finanzinstrument (Instex) geschaffen, das weiter Handel mit dem Iran ermöglichen soll - unter Umgehung des Dollar und der als ungerecht empfundenen US-Sanktionen. Es werde bald die ersten Zahlungen über das neue Instrument geben, kündigte Aussenminister Heiko Maas vor wenigen Tagen an. In einer ersten Phase sollen über Instex zwar nur humanitäre Güter in den Iran geliefert werden, später aber auch normale Produkte.

Leitwährung als politischer Hebel

Ökonom Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank sieht die Erfolgsaussichten jedoch nicht allzu rosig: Es sei schwierig, am Dollar vorbei Zahlungsverkehr zu organisieren. Denn Geschäftspartner treibe letztlich doch die Angst um, auf einer US-Sanktionsliste zu landen. Der Devisenexperte sieht die Dominanz des Dollar als wichtigen Hebel für Washington, politische Ziele durchzusetzen.

Diesen betätige nicht erst US-Präsident Donald Trump. Es sei schon gängige Praxis der Supermacht seit den Regierungszeiten von dessen Vorgänger Barack Obama: "Die USA nutzen den Status des Dollar als Weltleitwährung verstärkt, um ihre Sanktionspolitik zu erzwingen."

Washington laufe damit aber auch Gefahr, den Bogen zu überspannen: "Natürlich hat diese Strategie das Potenzial, den Status des Dollar als Leitwährung zu erodieren, wenn der Preis, den die übrige Welt für die Nutzung des Dollar bezahlen muss, zu hoch wird", warnt der Devisenexperte. Dass Trump im Zollkonflikt mit China Telekommunikationsfirmen ins Visier nehme, sei in diesem Zusammenhang ein heikler Punkt: "Man könnte den Verdacht haben, dass bei den Sanktionen neben sicherheitsrelevanten, teilweise auch handelspolitische Motive dahinterstehen."

Der nach wie vor unangefochtene Status des Dollar als Leitwährung beruhe auch darauf, dass er schon lange etabliert sei. Die Anpassungskosten bei einer Umstellung auf eine bislang weniger gebräuchliche Währung seien daher hoch. Allerdings könnten diese sinken, falls sich der Abstand zwischen Dollar und Euro bei der Nutzung verringere, wie dies beispielsweise bei grenzüberschreitenden Zahlungen über das Swift-System abzulesen sei.

Interesse an Alternativen zum Dollar

Hinzu kommt, dass die Politiker auf dem alten Kontinent den Euro noch stärker auf der Weltbühne sehen möchten. So wollen die EU-Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel kommende Woche eine neue strategische Agenda bis 2024 beschliessen. In dem Reuters vorliegenden Entwurf heisst es ausdrücklich, "dass die internationale Rolle des Euro gestärkt werden" soll. Dies ist so allgemein formuliert, weil die Erklärung auch von den neun Nicht-Euro-Mitgliedern getragen werden soll. Aber etwa die französische Regierung lässt keinen Zweifel daran, dass sie vor allem die Euro-Zone für das Machtzentrum hält - in dem nach einem britischen EU-Austritt 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Rest-EU versammelt wäre.

Und Länder wie die aufstrebende Supermacht China, die ebenfalls mit US-Sanktionen überzogen werden, haben ebenfalls ein Interesse daran, die Dollar-Dominanz zu brechen. Der Yuan ist zwar bei den Reservewährungen kaum vorangekommen. Aber dass die Führung in Peking Interesse an Alternativen zum Dollar hat, hat sie schon durch die starke Unterstützung des Euro in der Finanzkrise gezeigt. Bei Russland ist dies nicht anders: Moskau hat seine Dollarbestände in seinen Währungsreserven bereits erheblich abgebaut. Hintergrund ist auch hier, dass Washington den Dollar als politische Waffe einsetzt.

Doch statt hochfliegender Pläne ist beim Aufstieg des Euro wohl eher Realismus angebracht: Auch in der Bundesregierung rechnet man nicht damit, dass die europäische Gemeinschaftswährung den Dollar ablösen könnte. Zudem zeige sich schon an dem Finanzinstrument für Iran, wie schwierig es sei, Geschäfte um den Dollar und US-Sanktionen herum zu machen. Das liege auch an der Bedeutung des amerikanischen Marktes. Selbst wenn nicht-amerikanische Firmen einen Weg fänden, ohne Dollar auszukommen, müssten sie immer noch die Gefahr abwägen, den Zugang zum US-Markt zu verlieren. Hinzu kommt für etliche Länder in einer Zeit wachsender Spannungen in der Welt eine Abhängigkeit von militärischem Schutz der USA.

(Reuters)