Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Eigenkapitalanforderungen seien «extrem», schrieb die UBS, nachdem die Landesregierung im Juni die Pläne zur Bankenregulierung vorgestellt hatte. Auch der Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung, Marcel Rohner, äusserte vor Wochenfrist sein Missfallen über die geplanten regulatorischen Änderungen für die UBS nach dem Untergang der Credit Suisse. Und kürzlich doppelte auch Lars Förberg nach. Er ist Mitgründer der Investmentgesellschaft Cevian Capital, die mit 1,4 Prozent an der UBS beteiligt ist.

Förberg sagte in der «Financial Times»: «Unter den aktuellen Vorschlägen ist es nicht machbar, eine grosse internationale Bank von der Schweiz aus zu betreiben. Wir sehen daher keine andere realistische Option als den Auszug.» 

Auch Förberg bezog sich auf die bundesrätlichen Pläne, aufgrund derer eine Kapitalaufstockung von rund 24 bis 26 Milliarden Dollar auf die UBS zukommt. Lobbyarbeit sei zwecklos, da die Vorgaben nicht mehr veränderbar seien, sagte Förberg. Der Bundesrat habe klar signalisiert, dass die UBS für die Schweiz zu gross sei. Zuletzt hatte auch eine US-Zeitung berichtet, dass die UBS Pläne für eine Verlegung des Hauptsitzes in die USA in Erwägung ziehen soll.

Auch UBS-Konzernchef Sergio Ermotti äusserte sich - etwas dezenter - zur Standort-Frage: «Wir wollen weiterhin als erfolgreiche globale Bank von der Schweiz aus operieren», sagte er bei Bloomberg TV. Die Vorschläge des Bundesrates bezeichnete er jedoch als «strafend und exzessiv». Die Bank müsse darüber nachdenken, wie sie die Interessen ihrer Aktionäre und anderer Gruppen schützen könne. «Es ist aber definitiv zu früh, um mögliche Szenarien und unsere Reaktionen darauf zu kommentieren.»

Aussagen über einen Wegzug aus der Schweiz wohl eher «Verhandlungstaktik»

Wie schätzen Experten diese Aussagen ein? Aussagen über einen Wegzug aus der Schweiz seien wohl eher Verhandlungstaktik, sagt Roland Pfänder, Analyst des Finanzdienstleisters Oddo BHF, im Gespräch mit cash.ch. Fraglich sei, «ob die USA Sitz einer Grossbank sein wollen, die wie die UBS einen Geschäftsschwerpunkt in Asien hat».

Und: Werden die Vereinigten Staaten diese Bank im Notfall retten? Pfänder erinnert an die US-Investmentbank Lehman Brothers, die in der Finanzkrise Ende der Nullerjahre niederging und fallen gelassen worden sei. Die damals über 150 Jahre alte Bank war zahlungsunfähig geworden. Getroffen hatte es auch Branchennachbar Merrill Lynch; er wurde schliesslich von der Bank of America aufgekauft.

Indes hat die Schweiz der UBS einiges zu bieten, qualifiziertes Personal, politisch stabile Verhältnisse und Neutralität beispielsweise. Gerade die letzteren zwei sind Werte, welche die USA nicht verkörpern. Handkehrum würde eine Sitzverlegung der UBS die Schweiz wohl nicht nur Arbeitsplätze und Steuergelder kosten. Auch der Nimbus eines global relevanten Finanzplatzes würde wohl leiden. «Wird das Paket so umgesetzt, wie es jetzt vorgeschlagen ist, dann werden wir ernsthafte Schwierigkeiten haben, den Finanzplatz international wettbewerbsfähig zu halten», sagte Rohner im Interview mit der NZZ. 

Pfänder bezeichnet es zwar als «unschön», dass die UBS aufgrund der Schweizer Regulierung langfristig einen höheren Kapitalstock halten muss als die Konkurrenz. Das sei besonders im Investmentbanking ein Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Banken wie JP Morgan oder Goldman Sachs. Es ist eine Ansicht, die sich mit früheren Aussagen von Ermotti deckt. «Die Gewinner werden unsere Konkurrenten ausserhalb der Schweiz sein», sagte er im Mai mit Blick auf die Regulierung des Schweizer Bankensektors. 

Eigenkapitalvorschriften sind für die UBS «stemmbar» 

So, wie die Eigenkapitalvorschriften zurzeit geplant sind, entsprechen sie Pfänder zufolge dem «Worst Case» für die UBS. «Sie sind für die Bank aber stemmbar», sagt der Experte von Oddo BHF.

Seine Sicht wird von der Deutschen Bank (DB) im Grossen und Ganzen geteilt. Auch sie erachtet die im Juni vorgelegten Pläne zur Bankenregulierung als ein nahezu schlimmstmögliches Szenario für die mittlerweile noch einzige global aktive Schweizer Grossbank. Doch dank des kapitalgenerierenden Geschäftsmodells könne UBS ihre Kapitalquoten in den kommenden Jahren steigern und zugleich die Kapitalrendite deutlich erhöhen, befanden die zuständigen DB-Analysten Mitte August.

Die Analysten der Deutschen Bank haben dabei eine grundsätzlich optimistische Haltung gegenüber der UBS. Das zeigt sich bei der Anlageempfehlung für die Aktie. Die Analysten haben ein «Buy»Rating auf der Aktie mit einem Kursziel von 35 Franken. 

Oddo BHF ist da etwas zurückhaltender. Das Rating lautet «Neutral», das Preisziel beträgt bei 27 Franken. Der aktuelle Kurs der UBS-Aktie liegt bei 33,50 Franken, also zwischen der Einschätzung der Deutschen Bank und der Einschätzung von Oddo BHF.

Seit der Bundesrat Anfang Juni den Regulierungsvorschlag bekanntgegeben hat, sind die Valoren um zirka 20 Prozent gestiegen. Anscheinend gehen auch die Anleger davon aus, dass die UBS die Kapitalanforderungen bewältigen kann - oder sie glauben, dass die Regulierung im weiteren politischen Prozess noch angepasst und am Ende weniger streng als zurzeit vorgesehen ausgestaltet sein wird.

Auch in anderer Hinsicht können Investoren durchatmen: «Die Dividende sollte sicher sein. Die UBS sollte diese durch weiter steigende Gewinne auch in den kommenden Jahren steigern können», sagt Experte Roland Pfänder.

Mit gewissen Abstrichen muss man bei den Aktienrückkäufen rechnen

Sein Berufskollege von JP Morgan geht gemäss der Analyse vom September davon aus, dass die UBS mit den erwirtschafteten Gewinnen genügend Kapital zurückbehalten kann, um die regulatorischen Anforderungen innerhalb von 8 Jahren zu erfüllen, und gleichzeitig Dividenden zahlen könne. Mit 38 Franken hat JP Morgan zudem eines der höchsten Kursziele für die UBS-Aktie gesetzt. Das Rating lautet «Overweight».

Mit gewissen Abstrichen muss man hingegen bei den Aktienrückkäufen rechnen. Diese dürften zurückgehen, aber nicht komplett wegfallen, wie Pfänder sagt. Seine Erklärung lautet so: Im Jahr 2028 werden sich die Aktienrückkäufe voraussichtlich auf zirka fünf Milliarden Dollar belaufen. Sie könnten auf deutlich unter drei Milliarden Dollar sinken, wenn die UBS durch die verschärften Kapitalvorschriften mit 2,7 bis 4,0 Milliarden Dollar zusätzlich belastet wird und Kapital aufbaut.

Die Annahme des Oddo-Experten dazu ist: Die UBS muss ab 2028 möglicherweise über sechs bis neun Jahre hinweg zusätzliches Eigenkapital in Höhe von bis zu 24 Milliarden Dollar aufbauen. Daraus ergibt sich ein jährlicher Kapitalaufbau von 2,7 bis 4,0 Milliarden Dollar - die nicht mehr für Aktienrückkäufe eingesetzt werden.

Allerdings könne die UBS durch Bilanzanpassungen die erhöhten Kapitalanforderungen unter die 24 Milliarden Dollar senken. Dies kann den Druck auf die Aktienrückkäufe verringern.

Reto Zanettin
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