Es ist eine verbale Kehrtwende des US-Präsidenten Donald Trump: Er habe doch keine Absicht, den Chef der amerikanischen Notenbank, Jerome Powell, zu entlassen. Zuvor hatte Trump den Fed-Chef als «Mr. Too Late, a major loser» bezeichnet. Sinngemäss übersetzt heisst das: Powell sei zu spät und ein Versager. Grund für den verbalen Angriff ist die Zinspolitik der Fed.
In den Augen des amerikanischen Präsidenten sind die Zinsen zu hoch. Es gebe praktisch keine Inflation mehr, deshalb und um eine Konjunkturverlangsamung zu vermeiden, sollen die Zinsen fallen, und zwar jetzt, schrieb Trump in einem Beitrag auf der Online-Plattform «Truth Social» am Montag. Am Freitag war bekannt geworden, dass das Weisse Haus prüfe, ob Powell entlassen werden könne. In Folge kamen an den Märkten Sorgen um die Unabhängigkeit der US-Zentralbank auf.
Die Bedenken sind noch nicht vom Tisch: «Ich würde mir wünschen, dass er seine Idee, die Zinsen zu senken, etwas aktiver verfolgt», bekräftigt Trump laut der Nachrichtenagentur Bloomberg seine Haltung in Sachen geldpolitischem Kurs der Fed. Damit interessiert auch nach wie vor die Frage, ob der Notenbank-Chef überhaupt so einfach vor die Tür gesetzt werden kann.
Kann Trump Fed-Chef Powell feuern?
Jerome Powell ist einer der sieben Mitglieder des Boards of Governors der US-Notenbank, deren Amtszeit jeweils 14 Jahre beträgt. 2018 wurde Powell von Trump in dessen erster Präsidentschaft für vier Jahre als Fed-Chef nominiert. 2022 wurde Powell für eine zweite Amtszeit als Fed-Chef bestätigt, die noch bis Mai 2026 läuft.
Ob Trump die rechtliche Befugnis hat, Powell zu entlassen, ist unklar. Der Federal Reserve Act von 1913, mit dem die US-Notenbank gegründet wurde, sieht vor, dass Mitglieder ihres Direktoriums, ihres Board of Governors, die vom Präsidenten nominiert und vom US-Senat bestätigt werden, nur aus einem triftigen Grund abberufen werden können. Lange Zeit wurde dies so interpretiert, dass damit Fehlverhalten gemeint ist und nicht Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des geldpolitischen Kurses. Allerdings fehlen bei der Beschreibung der Amtszeit des Fed-Chefs im Gesetz genaue Angaben dazu, welche Grenzen es für eine Abberufung gibt.
Ist das schon einmal vorgekommen?
Sollte Trump versuchen, Powell aus dem Amt zu jagen, wäre das ein beispielloser Vorgang. Es gibt keinen rechtlichen Präzendenzfall. Allerdings sind derzeit bei US-Gerichten Klagen anhängig wegen der von Trump angeordneten Entlassungen von Bundesbehörden-Mitarbeiten. Diese Verfahren werden genau verfolgt, weil sie Hinweise dazu geben könnten, ob Trump die rechtliche Befugnis hat, Powell zu entlassen. Eine Klage ist derzeit beim Obersten Gerichtshof, dem Supreme Court, anhängig.
Jeder Versuch, den US-Notenbankchef zu entlassen, würde mit ziemlicher Sicherheit ebenfalls schliesslich dort landen. Das «Wall Street Journal» hatte vergangene Woche berichtet, Trump habe eine Entlassung von Powell und dessen Ersetzung durch den ehemaligen US-Notenbanker Kevin Warsh diskutiert. Warsh habe aber von diesem Schritt abgeraten und dafür argumentiert, Powell solle bis Ende seiner Amtszeit Mai 2026 Fed-Chef bleiben.
Was würde eine Entlassung von Powell praktisch bedeuten?
Viel würde davon abhängen, in welcher Form Trump den Notenbankchef entlassen würde. Denn wie alle seine Vorgänger im Chefsessel der Federal Reserve bekleidet Powell dort gleich drei wichtige Positionen. Er ist Chef der Federal Reserve, zugleich ist er Mitglied des Boards of Governors der Notenbank und ausserdem noch Leiter ihres Offenmarktausschusses FOMC, der über die Zinsen entscheidet.
Kann Trump Powell lediglich als Fed-Chef entlassen?
Sollte Trump versuchen, Powell lediglich als Fed-Chef abzusetzen, könnte dieser womöglich Mitglied im Board of Governors bleiben, und diese Amtszeit würde erst im Januar 2028 enden. Die nächste Vakanz im Direktorium steht erst ab Januar 2026 an. In der Zwischenzeit hätte Trump dann nur die Möglichkeit, ein anderes amtierendes Board-Mitglied zum Fed-Chef zu nominieren.
Zwei der sechs anderen Mitglieder, und zwar Christopher Waller und Michelle Bowman, waren von Trump in dessen erster Amtszeit als US-Präsident nominiert worden. Bowman wurde erst kürzlich von Trump als für die Bankenaufsicht zuständige Vizechefin der US-Notenbank nominiert. Beide haben jedoch in der Vergangenheit auf die Bedeutung der Unabhängigkeit der US-Notenbank hingewiesen. Es ist daher nicht klar, ob unter ihrer Führung die Fed die von Trump geforderten Zinssenkungen beschliessen würden.
Könnte Trump Powell als FOMC-Leiter absetzen?
Trump hat keinen direkten Einfluss darauf, wer den Vorsitz des FOMC übernimmt. Dieser wird jährlich von den zwölf Mitgliedern bestimmt. Das sind die sieben Mitglieder im Direktorium, der Chef der Federal Reserve von New York und vier weitere Chefs regionaler Fed-Ableger, die dem Gremium nach einem Rotationsverfahren angehören. Traditionell wählt das FOMC den Fed-Chef zu seinem Vorsitzenden und den New Yorker Fed-Chef zu seinem Stellvertreter. Das Gremium kann aber jedes seiner Mitglieder zum Vorsitzenden küren - auch Powell, sollte er noch Gouverneur bleiben.
Könnte Trump Powell als Gouverneur absetzen?
Das hätte die grösste Wirkung. Denn sollte dies allen erwartbaren rechtlichen Anfechtungen zum Trotz vor den Gerichten Bestand haben, würden bei der Fed Vakanzen im Board und auf der Position des Fed-Chefs entstehen. Dafür könnte Trump dann einen Kandidaten seiner Wahl nominieren. Zudem würde ihm das womöglich die Tür öffnen, beliebig viele weitere Gouverneure zu entlassen, um so eine Fed-Führung nach seinen Wünschen zu gestalten.
Welche Folgen hätte eine Entlassung für die Märkte?
Sollte Trump über eine Neubesetzung des Fed-Chef-Postens tiefere Zinsen erwirken, so wäre dies nur scheinbar positiv für die Märkt. Der - für die Märkte an sich positive Einfluss tieferer Zinsen - würde durch Unsicherheit deutlich überlagert. Anleihengläubiger würden eine höhere Risikoprämie für das Halten von Staatsanleihen verlangen - was die Renditen mittel- bis langfristiger Anleihen nach oben treibt.
Zugleich sinken die kurzfristigen Zinsen, weshalb die US-Rendite-Kurve insgesamt deutlich steiler würde - «obwohl dies nicht unbedingt auf verbesserte Wachstumsaussichten hindeuten würde», sagt GianLuigi Mandruzzato, Ökonom von EFG Asset Management.
Er sieht zudem negative Konsequenzen für den Dollar. «Seine Rolle als Weltreservewährung beruht auf dem Vertrauen in die US-Institutionen. Eine politisierte Fed würde dieses Vertrauen untergraben.» Deshalb dürfte sich der Dollar weiter abschwächen, was wie ein Bumergang auf die US-Wirtschaft zurückschlagen würde: Teurere Importgüter treiben die Inflation und die Inflationserwartungen an.
Nicht verschont blieben die Aktienmärkte. Die Volatilität würde ansteigen, da die Anleger die Auswirkungen einer vom Willen des Präsidenten abhängigen Zentralbank antizipieren. «Eine erhöhte Aktienrisikoprämie würde die US-Aktienkurse drücken und die erwarteten Renditen im Vergleich zu anderen Märkten negativ beeinflussen», so Mandruzzato.
Insgesamt würde sich die Flucht der Anleger aus US-Vermögenswerten verstärken, sollte Donald Trump weiter am Sessel von Jerome Powell sägen.
Würde Powell eine Entlassung anfechten können?
Powell hat das Recht, seine Entlassung vor einem Bundesgericht anzufechten. Er müsste dies aus eigenen Mitteln finanzieren. Als Anwalt und ehemaliger Private-Equity-Manager dürfte er über das dafür nötige Privatvermögen verfügen. Powell hatte in der Vergangenheit wiederholt erklärt, dass seine Entlassung aus seiner Sicht rechtlich nicht zulässig sei.
(cash/Reuters)