«Es könnten Tage der Wahrheit kommen: Die Deadline für Zollverhandlungen mit den USA läuft nun aus», fassen die Strategen der LBBW zusammen. Auch für die Vereinigten Staaten könnte es brenzlig werden. Das umstrittene Steuer- und Ausgabengesetz «One Big Beautiful Bill» werde die Staatsverschuldung deutlich nach oben treiben. «Schon das erste Halbjahr stand im Zeichen einer deutlichen Vertrauenserosion in die USA.» Trotz Rekordhochs hinkten die US-Indizes im internationalen Vergleich hinterher.

Mit einem Anstieg von rund 20 Prozent hat zum Beispiel der deutsche Leitindex Dax im ersten Halbjahr stark zugelegt. Nach Berechnungen der LBBW hat er damit die viertbesten ersten sechs Monate seiner Geschichte aufs Börsenparkett gelegt. Der Swiss Market Index hat in diesem Jahr 3 Prozent gewonnen. 

«Mit einem beim Dax überragenden ersten Halbjahr haben Aktien viel Positives vorweggenommen und sind hoch bewertet», sagt Helaba-Strategin Claudia Windt. US-Präsident Donald Trump könnte mit seinen «reziproken Zölle» zum Spielverderber werden.

Erhöhte Marktvolatilität

An den Börsen herrscht weiter Unsicherheit, ob die EU ein Abkommen mit der US-Regierung aushandeln kann. Zuletzt hatte Vietnam einen Deal abgeschlossen. Gelingt das den Europäern bis kommenden Mittwoch nicht, könnten US-Importe wieder mit deutlich höheren Zöllen belegt werden.

«Während mir eine umfassende Einigung unwahrscheinlich erscheint, wäre bereits ein grober Rahmen-Deal als Erfolg zu werten», sagt Robert Greil. Der Chefstratege von Merck Finck rechnet weiter mit erhöhter Marktvolatilität, sieht aber auch ein grosses Interesse der US-Administration, die Wirtschaft nicht zu sehr zu belasten und Inflationsrisiken im Zaum zu halten. «Daher erwarten wir keine katastrophalen Zollentwicklungen und eine zunehmend wachstumszentrierte US-Politik.»

Doch Trump hat mit der EU, dem grössten Handelspartner der USA, ein besonders schwieriges Verhältnis, warnt die Commerzbank. Seine Taktik, das Androhen rabiater Massnahmen, um die Handelspartner zu Zugeständnissen zu bewegen, verfange sich vor allem bei kleineren und von den USA abhängigen Ländern.

«Bei grösseren Volkswirtschaften, die sich mehr oder weniger auf Augenhöhe mit den USA befinden, ist ein Erfolg der US-Taktik weniger sicher.» Das gelte besonders auch für China. Eine Fristverlängerung sei nicht auszuschliessen. Letztlich gingen jedoch viele Börsianer davon aus, dass man sich schliesslich auf einen mindestens zehnprozentigen Zoll für die meisten Handelspartner verständigen werde.

«Auch wenn der schlussendlich durchschnittlich gültige Zollsatz der USA dann deutlich höher wäre als die 2,5 Prozent, die letztes Jahr galten, scheint der Finanzmarkt davon auszugehen, dass dies keine grössere Wirtschaftskrise auslösen wird», sagen die Commerzbank-Ökonomen Bernd Weidensteiner und Christoph Balz. Die Wahrscheinlichkeit negativer Überraschungen sei angesichts des eingepreisten moderaten Zollszenarios grösser, warnt die Helaba.

Zur Wochenmitte folgen Protokolle der vergangenen Fed-Sitzung

An relevanten Konjunkturindikatoren zur Orientierung mangelt es in der neuen Woche. Zur Wochenmitte folgen die Protokolle der vergangenen Fed-Sitzung. Nach den zuletzt überraschend starken Arbeitsmarktdaten haben Anleger die Hoffnung auf eine Zinssenkung im Juli begraben. Wahrscheinlicher sei, dass die Fed bis September wartet.

«Dann dürfte sich das Inflationsbild etwas geklärt und die Unsicherheit bezüglich der Zollsätze verringert haben», sagt Commerzbank-Ökonom Weidensteiner.

(Reuters)