Seit Anfang Jahr hat die türkische Lira 50 Prozent an Wert gegenüber dem Schweizer Franken verloren - für einen Franken gibt es aktuell 30,40 türkische Lira. Mit der Straffung der Geldpolitik hat sich der Kurs in den letzten Wochen immerhin etwas stabilisiert, nachdem Touristen in der Spitze im Juli gar 32 türkische Lira pro Franken ausbezahlt erhalten hatten. 

Der Hauptgrund für die aktuelle Stabilisierung der Währung ist die Abkehr von der unkonventionellen Geldpolitik, welche der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan dem Land verschrieben hat. Mit der neuen installierten Zentralbankgouverneurin Hafize Gaye Erkan kehrt das Land am Bosporus nun wieder zu einer "normaleren" Geldpolitik zurück - sprich bei steigender Inflation werden die Zinsen angehoben und umgekehrt. 

An ihrer geldpolitischen Sitzung heute hat die türkische Zentralbank denn auch eine für die Märkte überraschende Entscheidung getroffen: Sie hat die Leitzinsen gleich um 750 Basispunkte auf 25 Prozent erhöht - der Konsensus ging nur von einer Erhöhung um 250 Basispunkte auf 20 Prozent aus. Das gibt der türkischen Lira am Donnerstag Auftrieb und die Währung legt gegenüber dem Franken 3 Prozent zu. 

Ob dies nun die Trendwende ist, darf vorerst bezweifelt werden. Betrachtet man die Wertentwicklung der türkischen Lira über die letzten fünf Jahre, so hat die Valuta 75 Prozent gegenüber dem Franken verloren. Und der Weg zu einer nachhaltigen Erholung dürfte gemäss ING-Chefökonom Muhammet Mercan steinig bleiben.

Während eine implizite Rendite von 35 Prozent durch die Dreimonatsterminkontrakte die Lira zu einem vermeintlich attraktiven Hochzinsland macht, so scheint es nicht, als hätte die Lira bislang internationale Nachfrage nach dem beliebten Carry Trade geweckt. "Erst wenn es der Zentralbank gelingt, die Inflation und die Inflationserwartungen zu senken und die Realzinsen deutlich weniger negativ zu gestalten, könnte die Lira auf breitere Unterstützung stossen." Mercan warnt denn auch davor, dass die Talfahrt bald wieder an Fahrt gewinnen könnte. "Aufgrund der hohen Inflation scheint eine allmähliche Abwertung der wahrscheinlichste Weg zu sein."

Konsumenten tragen die Hauptlast

Wie schwierig die wirtschaftliche Situation in der Türkei ist, zeigt ein Blick auf das Konsumentenvertrauen. Nach Angaben des türkischen Statistikinstituts stürzte der Konsumentenvertrauensindex im August von 80,1 im Vormonat auf 68 Punkte ab. Das ist der stärkste Rückgang seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2004, Monate nachdem Erdogan erstmals Premierminister wurde. Der steile Einbruch folgt auf eine Reihe von Steuererhöhungen, mehrere Zinserhöhungen und eine deutliche Aufwärtskorrektur der offiziellen Inflationserwartungen für das Jahr.

Zentralbank-Gouverneurin vor enormen Herausforderungen

Obwohl die neue Gouverneurin Erkan seit über zwei Monaten das Amt innehat, schlossen sich erst Ende Juli drei neue Mitglieder dem siebenköpfigen geldpolitischen Ausschuss an. Die Ernennungen verändern nun das Gleichgewicht im Entscheidungsgremium zugunsten einer konventionelleren politischen Ausrichtung. 

Neben der Wahl von Erkan, die zuvor längere Zeit in den USA bei Goldman Sachs Group und First Republic Bank tätig war, ernannte Erdogan im Juni auch den ehemaligen Anleihestrategen von Merrill Lynch, Mehmet Simsek, zum Finanzminister. Zu den neuen Mitgliedern, die dem geldpolitischen Ausschuss der Zentralbank beitreten, gehören ein ehemaliger Berater der Federal Reserve Bank of New York und der ehemalige Chefökonom eines der grössten privaten Kreditgeber der Türkei. Zwei Sitze sind weiterhin vakant.

Mit Spannung wird nun die nächste Sitzung der Zentralbank erwartet. Sollte Erkan und ihr Team dem neuen, datenorientierten Ansatz zur Entscheidungsfindung tatsächlich Folge leisten, so ist mit weiteren kräftigen Zinserhöhungen zu rechnen. Dies würde die türkische Lira weiter stabilisieren. Ob das politisch realistisch ist, wird sich dabei weisen müssen. 

(cash/Bloomberg)