Das Loch ist riesig: Die Ausgaben des Bundes sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Ohne einschneidende Sparmassnahmen drohen in den kommenden Jahren hohe Defizite. Der Bundesrat um Finanzministerin Karin Keller-Sutter hat daher eine Expertengruppe beauftragt, den Haushalt zu durchleuchten und Sparpotenzial zu finden.
So soll der Bundeshaushalt ab 2027 um drei Milliarden und ab 2030 um vier Milliarden Franken entlastet werden. Und die Rotstift-Truppe hat geliefert. Sie schlägt 60 Massnahmen vor, die mögliche Einsparungen von bis zu 3,9 Milliarden im Jahr 2027 und 4,9 Milliarden im Jahr 2030 bieten. Blick listet die wichtigsten Posten auf.
Klima und Energie
Um das Klima zu retten und den Umstieg auf die erneuerbaren Energien zu beschleunigen, nimmt der Bund viel Geld für Subventionen in die Hand. Zu viel, sagt die Expertengruppe. Gelder an Immobilienbesitzer und Unternehmen könnten reduziert werden. Die Gruppe schlägt eine Priorisierung vor, zum Beispiel beim Gebäudeprogramm oder den Technologiefonds. Damit könnte bis 2030 rund 400 Millionen eingespart werden. Wenn dadurch die Klimaziele nicht mehr vollständig erreicht werden können, empfehlen die Experten stärker auf CO2-Abgaben zu setzen, deren Einnahmen aber an die Bevölkerung zurückverteilt werden. Wer weniger CO2 ausstösst, kann damit Geld verdienen. Das Volk hatte eine solche Abgabe 2021 allerdings abgelehnt.
Verkehr
Die Schweiz ist ein Bahnland. Um das zu finanzieren, gibt es unter anderem den Bahninfrastrukturfonds. Für die Expertengruppe ist es denkbar, dort 200 Millionen pro Jahr weniger einzuspeisen. Auch in den Fonds für die Nationalstrassen könnte weniger Geld fliessen – 117 Millionen bis 2027. Dafür müssten geplante Ausbauprojekte priorisiert und allenfalls gestoppt werden. Keine Abstriche soll es hingegen bei der Reparatur von Gleisen und Strassen geben.
Doch auch den Pendlern könnte es ans Portemonnaie gehen. Beim Regionalverkehr habe eine stärkere Nutzerfinanzierung «in Form von Tariferhöhung» Potenzial. So könnten die Bundesbeiträge um 5 Prozent gekürzt werden. Auch beim Güterverkehr und den Nachtzügen sehen die Experten Sparpotenzial.
Landwirtschaft
Sie haben den Ruf als Subventionsjäger: Die Bauern bekommen viel Geld vom Bund. Doch sind die Direktzahlungen ihr Geld wert? Die Expertenkommission kritisiert die Effizienz der Bauernsubventionen gleich mehrfach. So schlägt sie vor, die Beihilfen für die Viehwirtschaft zu streichen und die Beiträge für die Werbung beispielsweise von Schweizer Fleisch zu kürzen. Auch bei den Landwirtschaftsqualitätsbeitragen sollen die Subventionssätze gekürzt werden. Allein damit könnten 65 Millionen gespart werden.
Asyl und Migration
Der Bund soll die Integrationspolitik für Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personen stärker darauf fokussieren, die Migranten in den Arbeitsmarkt zu integrieren. So lassen sich Ausgaben, zum Beispiel für die Sozialhilfe, sparen. Der Bund soll den Kantonen nur noch während vier Jahren eine Pauschale pro Flüchtling beziehungsweise vorläufig Aufgenommenem zahlen – heute sind es fünf beziehungsweise sieben Jahre. Diese Massnahme könnte die Transferzahlungen des Bundes an die Kantone erheblich senken, ist die Expertengruppe überzeugt. Bis 2027 soll der Bund damit um 250 Millionen Franken entlastet werden, bis 2030 insgesamt um 500 Millionen Franken.
Senioren
Es war ein politischer Kniff: Um die Kündigungs-Initiative der SVP zu bodigen, führte der Bund vor wenigen Jahr eine Überbrückungsrente ein für Leute, die kurz vor der Pensionierung entlassen werden. Der Spargruppe ist sie ein Dorn im Auge: Es gäbe keine Notwendigkeit dafür. Also: Streichen und bis zu 48 Millionen bis 2030 sparen.
Mehr Sparpotenzial sieht die Gruppe bei der AHV-Finanzierung. Auch der Bund beteiligt sich an den Kosten der AHV. Neu sollen die Bundesbeiträge von den AHV-Ausgaben entflochten werden und beispielsweise an die Entwicklung der Mehrwertsteuer gekoppelt werden. So könnte man 2030 289 Millionen Franken sparen.
Familien
Der Bund solle sich, so die Rotstift-Truppe, aus Bereichen zurückziehen, die eigentlich in die Verantwortung der Kantone fallen. Ein Beispiel dafür ist die familienergänzende Kinderbetreuung, wo der Bund gänzlich auf Leistungen und einen geplanten Ausbau verzichten könnte. Die Expertengruppe verortet hier ein Sparpotenzial von 896 Millionen Franken bis ins Jahr 2030.
Bildung
Die Expertengruppe schlägt vor, die Studiengebühren zu erhöhen. Sie hält es für realistisch, diese für Studierende aus der Schweiz zu verdoppeln und für internationale Studierende sogar zu vervierfachen. Die dadurch gewonnenen Einnahmen sollen genutzt werden, um die staatlichen Zuschüsse an die ETH und die kantonalen Hochschulen zu kürzen. Zudem schlägt die Expertengruppe vor, die Unterstützung für Auslandsaufenthalte von Studierenden um 10 Prozent zu senken.
Der Bund soll zudem keine Zuschüsse mehr für den Bau von Hochschulen locker machen. Damit könnten bis 2030 weitere 34 Millionen Franken gespart werden. Der Bericht schlägt weiter Kürzungen der Forschungsausgaben an den Schweizerischen Nationalfonds um 10 Prozent vor. Damit sollen 145 Millionen Franken eingespart werden.
Unterstützung der Kantone
Der Bund wird immer wieder in Bereichen aktiv, in denen eigentlich die Kantone zuständig wären. Darauf soll künftig verzichtet werden. Dabei geht es zum Beispiel um Kontrollen der Bundespolizei an Flughäfen. Ein grösserer Brocken ist die Kürzung des soziodemografischen Lastenausgleichs, ein Teil des nationalen Finanzausgleichs. Dieser dient dazu, die unterschiedlichen Kosten von Armut, Alter oder Ausländerintegration in den verschiedenen Regionen auszugleichen. 140 Millionen könnten so gespart werden.
Gesundheit
Die Kosten im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung sollen durch ein gemeinsames Handeln von Bund und Kantonen gedämpft werden. Der Bund soll in Abstimmung mit den Kantonen ein Ziel festlegen, um wie viel die Gesundheitskosten steigen dürfen – so wie es der Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative vorsieht, den das Parlament angenommen hat. Das Sparpotenzial liegt hier bis 2027 bei 18 Millionen Franken, bis 2030 gar bei 80 Millionen Franken.
Entwicklungshilfe
Bei der Entwicklungshilfe wurde schon viel gespart – da sind sich auch die Experten einig. Je nachdem, wie stark und schnell die Armee wachsen könnte, müsste aber auch die Entwicklungshilfe weiter bluten. Kürzungen von bis zu 313 Millionen sind aus Sicht der Expertengruppe denkbar.
Bundespersonal
In den letzten 15 Jahren ist der Personalbestand des Bundes stark gestiegen. Waren es 2009 noch 33'100 Vollzeit-Äquivalente, waren es im vergangenen Jahr rund 38'600. Die Expertengruppe schlägt vor, den Personalbestand in den kommenden Jahren stabil zu halten und Pensionierungen zu nutzen, um Effizienzgewinne zu erzielen. Neue Aufgaben sollen durch bestehende Ressourcen bewältigt werden, anstatt zusätzliches Personal einzustellen.
Bis ins Jahr 2030 sollen so bis zu 300 Millionen Franken eingespart werden, wobei etwa zwei Drittel davon durch Kürzungen im Personalbereich zustande kommen. Da eine Stelle im Durchschnitt mit 150'000 Franken veranschlagt wird, bedeutet das, dass etwa 1300 Stellen (3 Prozent aller Stellen) abgebaut werden sollen.
Und auch den Beamten-Löhnen könnte es an den Kragen gehen. Die Expertengruppe empfiehlt, die jährlichen individuellen Lohnerhöhungen auf das Niveau der Privatwirtschaft zu begrenzen.
Armee / Verteidigungsausgaben
Es war der grosse Knall zu Beginn des Jahres: das Milliarden-Loch bei der Armee. Gleichzeitig muss die Armee wegen des Kriegs in der Ukraine aufrüsten – und braucht dafür mehr Geld.
Die Expertengruppe geht nun aber zumindest teilweise in eine andere Richtung. Sie hat beim Verteidigungsdepartement um Viola Amherd (62) angefragt, was es bedeuten würde, wenn das Militär weniger stark wachsen würde. Das sei nicht zu verantworten, sei die Antwort gewesen. Trotzdem legt die Spargruppe nun eine Variante vor, in der die Verteidigungsausgaben weniger stark ansteigen als geplant. Dies wegen der erwarteten Sparanstrengungen in den anderen Departementen. Doch heftige Diskussionen sind vorprogrammiert.
Einnahmen
Die Expertengruppe sieht aufgrund der Einsparungsmöglichkeiten keine dringende Notwendigkeit, auch auf der Einnahmeseite anzusetzen. Sie hat aber dennoch einige Massnahmen geprüft, um mehr Steuereinnahmen zu generieren. Ihre Empfehlungen: Ungerechtfertigte Steuervergünstigungen sollen gestrichen werden, etwa bei der Mineralölsteuer und Schwerverkehrsabgabe. Das könnte zusätzliche Einnahmen im mittleren zweistelligen Millionenbereich bringen. Weitere Vorschläge umfassen:
- Besteuerung von Kapitalbezügen aus der zweiten und dritten Säule wie Renten, was dem Bund 200 Millionen jährlich einbringen würde.
- Einheitlicher Mehrwertsteuersatz von 6,8 Prozent, der jährlich rund eine Milliarde zusätzliche Einnahmen bringen könnte.
- Grundstückgewinnsteuer für Private auf nationaler Ebene mit einem Potenzial von ebenfalls rund einer Milliarde Franken pro Jahr.
Bei den Massnahmen der Expertengruppe handelt es sich um unverbindliche Vorschläge. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sämtliche Vorschläge auch umgesetzt werden. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am Mittwoch eine erste Diskussion geführt. Nun soll diese an runden Tischen mit Kantonen, Parteien und den Sozialpartnern weitergehen. Erst danach legt der Bundesrat einen definitiven Sparplan fest.
Dieser Artikel ist zuerst im Blick erschienen.
3 Kommentare
Ein Aspekt wurde vergessen: Die Bevölkerung der Schweiz wächst sehr schnell. Dies verursacht grosse Kosten beim Ausbau der Infrastruktur. Ein wichtiger Aspekt dabei ist der Zuzug von immer mehr Firmen aus dem Ausland. Diese generieren dadurch immer mehr Arbeitsplätze; und dies notabene bei einem Fachkräftemangel. Somit sollte man die Unternehmenssteuern so weit erhöhen, dass nicht mehr so viele Firmen in die Schweiz kommen. Steuergeschenke an Firmen sollten abgeschafft werden. So würden erstens mehr Einnahmen generiert und zweites benötigt der Ausbau der Infrastruktur weniger Geld.
Es könnten auch einige Millionen eingespart werden, wenn man den Autokratischen Ländern die Entwicklungshilfe komplett streicht, wenn diese ihre abgewiesenen Flüchtlinge nicht aufnehmen.
Ebenso wäre eine Bezahlkarte für Flüchtlinge -analog Deutschland- ein Sparpotenzial, noch mit dem Effekt, dass dann auch hier weniger "Flüchtlinge" kommen würden.
Politiker sollten Unternehmer des Landes sein, aber sie sind nur Verwalter.
Verwalter Sparen, indem sie Leistungen reduzieren, in dem sie dort, wo wenig Lobby herrscht, einfach weniger auszugeben. Unternehmer aber versuchen die Leistung zu erhalten, aber effizienter zu erbringen.
Zu diesem Bundesrat habe ich kein Vertrauen. Die machen nicht Politik für das Land, sondern bürgerliche Parteipolitik gegen die Interessen des Landes.