Sowohl die amerikanische Notenbank Fed am Mittwochabend als auch die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag haben die Leitzinsen jeweils um 25 Basispunkte erhöht. In einem Punkt unterscheiden sich die Zins-Entscheide allerdings. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte, dass die Zinserhöhungen in Europa noch nicht abgeschlossen seien. Entsprechend signalisieren die Zinsmärkte, dass die europäischen Währungshüter die Zinsen bis im Herbst um 0,25 bis 0,50 Prozent anheben dürften.

In den USA hat Fed-Präsident Jerome Powell zurückhaltender kommentiert, ob es weitere Zinserhöhungen geben werde. Mark Haefele, Chief Investment Officer bei UBS Wealth Management, schliesst zwar eine weitere Zinserhöhung der US-Notenbank im Juni nicht aus. "Aber unser Basisszenario ist, dass sich die Fed am Ende für eine Pause entscheiden wird."

Wer nun denkt, dass mit dem potenziellen Ende der US-Zinsstraffungen nun freie Fahrt an den Aktienmärkte besteht, dürfte sich zu früh gefreut haben. Einerseits ist die Inflation immer noch zu hoch, als dass die Fed bereits Zinssenkungen in Erwägung ziehen könnte. Da die Nachfrage des Privatsektors nach wie vor gut ist und der Arbeitsmarkt noch keine nennenswerten Risse aufweist, gibt es für die Fed kaum einen Grund, ihre restriktive Haltung in absehbarer Zeit zu ändern, schreibt der UBS-Stratege. Die Fed wird sich wahrscheinlich damit begnügen, an der Seitenlinie zu sitzen, eine Weile am aktuellen Zinssatz festzuhalten und die eingehenden Daten bewerten, bevor sie ihren nächsten Schritt unternimmt.

Kursrückgang des S&P 500 Index auf 3'800 Punkte?

Haefele schreibt, die Positionierungsdaten deuten darauf hin, dass viel Geld darauf wartet, wieder in Aktien investiert zu werden. "Diese Möglichkeit könnte Anlegerinnen und Anleger dazu verleiten, Risiken eher früher als später einzugehen, da ein ordentlicher Kursrückgang bei Aktien bereits vor der ersten Zinssenkung als Kaufgelegenheit angesehen wird.

Der Wunsch der Anleger, die Zinssenkungen der Fed frühzeitig vorwegzunehmen, könnte verhindern, dass Aktien um mehr als 10 Prozent sinken. "Damit würde der S&P 500 etwas unter unser Jahresendziel von 3'800 fallen", so Haefele. 

Das Nettoergebnis ist, dass Aktien im Vergleich zu hochwertigen Anleihen auf dem aktuellen Niveau immer noch unattraktiv erscheinen. Die Anlagekonklusion ist für Haefele denn auch klar und gibt Obligationen den klaren Vorzug für den Moment: "Angesichts angemessener Renditen und des Spielraums für Kapitalgewinne im Zuge einer Konjunkturabschwächung sehen wir attraktive Gelegenheiten in hochwertigen festverzinslichen Wertpapieren. Wir bevorzugen Anleihen gegenüber Aktien, und wir bevorzugen Engagements in hochwertigen Staats-, Investment-Grade- und nachhaltigen Anleihen."

Die UBS empfiehlt ihren Kunden, weiter über die USA und Wachstumsaktien hinaus zu diversifizieren. Nach einem starken Jahresauftakt preisen US-Aktien hohe Chancen auf eine sanfte Landung der US-Wirtschaft ein. Doch strengere Kreditbedingungen, sinkende Unternehmensgewinne und relativ hohe Bewertungen bergen Risiken.

Im Gegensatz dazu bevorzugt die UBS Aktien aus Schwellenländern, die von einem schwächeren Dollar, steigenden Rohstoffpreisen, starkem Gewinnwachstum und Chinas stärker als erwarteter Erholung angetrieben werden, neben ausgewählten Gelegenheiten in Europa. 

 

Thomas Daniel Marti
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