Das Institut habe leitende Mitarbeiter in den vergangenen Wochen darüber informiert, dass die Verlegung des Hauptsitzes verstärkt geprüft werden müsse, nachdem die Schweizer Regierung Anfang Juni strengere Kapitalvorgaben vorgeschlagen hatte, wie eine mit der Situation vertraute Personen zur Nachrichtenagentur Reuters sagte. Eine interne Beurteilung habe ergeben, dass London eine der besten Optionen für einen alternativen Standort wäre, sollte ein Umzug in Betracht gezogen werden, so eine zweite Person. Es gibt allerdings keine Anzeichen dafür, dass die Bank mehr als eine Szenarienplanung betreibt.

Mit strengeren Vorgaben will die Schweizer Regierung nach dem Untergang der Credit Suisse ein weiteres Grossbankendebakel verhindern. Die Kernforderung lautet, dass die UBS die Bilanz mit weiteren bis zu 24 Milliarden Dollar an Kernkapital aufpolstern muss. Dies ist rund ein Drittel mehr als das Institut gegenwärtig hält. Die UBS-Spitze befürchtet, damit international an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.

Die vertraulichen Warnungen von UBS-Vertretern finden vor dem Hintergrund des monatelangen Tauziehens zwischen der UBS-Spitze um Konzernchef Sergio Ermotti und der Schweizer Regierung um Präsidentin Karin Keller-Sutter statt. Auch Insidern des Zürcher Vermögensverwalters zufolge beabsichtigt die UBS nicht, die Schweiz zu verlassen. Im Vordergrund stünden Bemühungen der Bank, die Schweizer Gesetzgeber dazu zu bringen, die Kapitalvorschriften abzuschwächen. Kernelemente der Anfang Juni von der Regierung vorabschiedeten Vorlage müssen vom Schweizer Parlament genehmigt werden.

Sollte ein Kompromiss ausbleiben, könnte sich die UBS allerdings zu einer radikalen Antwort veranlasst sehen, sagte eine mit den Überlegungen des Instituts vertraute Person und verwies auf eine Hauptsitzverlegung als möglichen Ausweg. Auf dem Papier sind die regulatorischen Anforderungen in Grossbritannien mit den vorgeschlagenen Schweizer Regeln zwar vergleichbar. Ein Insider sagte jedoch, ausländische Behörden könnten mehr Flexibilität bei Kapitalanforderungen zeigen.

Ausserdem ist die Verlagerung des Hauptsitzes für jede grosse Bank kostspielig und schwierig. Der Ruf der Schweiz als weltweite Hochburg der Vermögensverwaltung ist für das Geschäftsmodell der UBS zentral, ebenso wie das Land vom Geschäft der Bank profitiert.

«Swissness ist ein Unterscheidungsmerkmal»

Die UBS, die am Mittwoch ihre Zahlen für das zweite Quartal veröffentlichen will, erklärte, sie werde sich am Konsultationsprozess beteiligen und geeignete Massnahmen prüfen, «um den negativen Auswirkungen extremer Regulierungen auf ihre Aktionäre entgegenzuwirken.» Die Bank wolle auch künftig von der Schweiz aus tätig sein. «Swissness ist ein Unterscheidungsmerkmal.»

Die Schweizer Finanzmarktaufsicht sowie Vertreter des britischen Finanzministeriums, der Bank of England und der Finanzmarktaufsichtsbehörde FCA lehnten eine Stellungnahme ab. Eine Sprecherin des Finanzministeriums wollte sich zu möglichen Plänen und Erwägungen der UBS nicht äussern. Im Juni hatte Finanzministerin Karin Keller-Sutter erklärt, dass das Wachstum im Ausland teurer werde. Sie hoffe, dass die UBS in der Schweiz bleibe.

Allerdings wächst der Handlungsdruck auf die UBS. Denn Unsicherheit rund um die zukünftigen Kapitalanforderungen hat die Anleger verschreckt. Seit der ersten Ankündigung der Pläne im April 2024 hat sich die UBS-Aktie seitwärts bewegt, während vergleichbare internationale Institute rund 50 Prozent an Wert gewonnen haben. Hätte sich die UBS im Gleichschritt mit diesen Firmen entwickelt, wäre sie Berechnungen von Vontobel-Analyst Andreas Venditti zufolge rund 50 Milliarden Franken mehr wert. «Wenn diese Geschichte drei oder vier Jahre dauert und in der Zwischenzeit nichts passiert, wird es sehr schwierig, Investoren anzuziehen oder zu halten. Die Anleger verlieren die Geduld», erklärte ein Aktionär. «Jetzt ist die UBS am Zug.»

Signale für mildere Regulierung erhofft

Das Schweizer Parlament soll erst weit im Jahr 2026 einen Gesetzentwurf zu den neuen Regeln erhalten, bis zu einem abschliessenden Entscheid dürften Jahre vergehen. Die UBS wolle Investoren jedoch bis Anfang nächsten Jahres zeigen, dass die endgültige Gesetzgebung milder ausfallen könnte, sagten zwei weitere mit den Überlegungen der Bank vertraute Personen. Erhalte die UBS im nächsten Jahr keine positiven Signale von der Politik, müssten drastischere Massnahmen einschliesslich einer Hauptsitzverlegung stärker in Betracht gezogen werden, so die Insider. Den Behörden müsse auch bewusst sein, dass die Bank für eine Übernahme anfällig werde, wenn sie den Investoren nicht zeige, dass sie die Kapitalanforderungen mässigen könne, erklärten zwei mit den Überlegungen der Bank vertraute Personen.

Erste Früchte ihrer Anstrengungen konnte die Bank bereits ernten. So sprach sich ein Ausschuss der grossen Kammer im Juni für einen Vorschlag aus, alle neuen Bankenregeln dem Parlament zur Genehmigung vorzulegen. Bisher war geplant, dass die Regierung einen Teil der Vorschriften selbst erlassen kann. Mehreren Abgeordneten zufolge entsteht damit mehr Spielraum für Anpassungen im Sinne der UBS.

Man müsse die richtige Balance finden zwischen Eigenkapital, das Risiken minimiert, und der Wettbewerbsfähigkeit der UBS, erklärt der FDP-Abgeordnete Beat Walti, der den Vorschlag eingebracht hat. «Diese Bank ist letztlich auch ihren Kapitalgebern verpflichtet und muss Rahmenbedingungen haben, die eine erfolgversprechende Perspektive ermöglichen.» 

(Reuters)