Top-Dealmaker aus globalen Investmentbanken sind in den letzten Wochen nach Zürich gereist, um der UBS Transaktionen vorzuschlagen, die das Gesicht der Schweizer Finanzwelt verändern könnten. Die Konzernleitung hat Präsentationen verfolgt, während sie nach einer Lösung für wohl die grösste Herausforderung seit über einem Jahrzehnt sucht: eine von der Schweiz verhängte Erhöhung der Kapitalanforderungen um 26 Milliarden Dollar.
Kursverlauf von UBS (in Franken) und dem Stoxx 600 Bankenindex (in Euro) seit September 2024.
Die theoretisch diskutierten Optionen der UBS reichen vom Dramatischen – etwa eine Fusion oder Übernahme mit einer nicht-schweizerischen Bank, die einen Sitzwechsel und die Umgehung der neuen Regeln ermöglichen würde – bis hin zu eher technischen Anpassungen, mit denen über die kommenden Jahre gerade genug Kapital angespart werden kann.
«Es ist definitiv zu früh, um mögliche Szenarien und unsere Reaktionen darauf zu kommentieren», sagte UBS-Cehef Sergio Ermotti am 11. September bei Bloomberg. «Natürlich sind die Anforderungen, wie vorgeschlagen, sehr belastend und überzogen, und deshalb müssen wir überlegen, wie wir die Interessen unserer Aktionäre und Stakeholder schützen.»
Die folgenden hypothetischen Szenarien stammen aus Gesprächen mit Analysten, Branchenexperten und aktuellen Insidern. Es wurden keine Entscheidungen getroffen; die Bank wird später in diesem Monat ein Update zu ihrer Position bezüglich des Reformplans der Schweizer Regierung geben. Die UBS lehnte es ab, weitere Kommentare abzugeben.
Schlanker werden
Diese Überlegung wirft für die Führungskräfte die Frage auf: Gibt es ein Geschäft, auf das wir ganz verzichten könnten? Der Verkauf oder Abbau einer risikoreichen Einheit, die viel Kapital erfordert, könnte die Chancen der UBS erhöhen, die künftigen staatlichen Anforderungen zu erfüllen.
Das Kerngeschäft der UBS ist das globale Wealth Management, mit etwa 166 Milliarden Dollar risikogewichteten Aktiva und einem Kundenvermögen von über 4 Billionen Dollar. Aufgrund des höheren Risikos zieht das Investmentbanking die Aufmerksamkeit als potenzieller Kandidat für Downsizing oder Spin-off auf sich. Selbst als Kombination von UBS- und Credit-Suisse-Investmentbanken ist es im Vergleich zu Wall-Street-Konkurrenten klein.
Die UBS hat ihre Handels- und Deal-Abteilung nach der Finanzkrise 2008 radikal verkleinert, und Credit Suisse hatte in ihren letzten Jahren ebenfalls Abteilungen abgebaut. Dennoch bietet die Investmentbank wertvolle, komplexe Dienstleistungen für UBS-Ultra-High-Net-Worth-Kunden – ihre Trader und Dealmaker sind oft Quellen überdurchschnittlicher Gewinne in volatilen Zeiten. Eine weitere Reduzierung würde dem Prestige der UBS schaden – ein riskanter Schritt angesichts wachsender Konkurrenz in Asien und den USA.
Pragmatischer wäre, spezifische risikoreichere Geschäfte zu reduzieren, wie z. B. Kredite an hochverschuldete Unternehmen. Auch das Prime-Brokerage-Geschäft, also die Kreditvergabe an Hedgefonds, könnte im Fokus stehen, da die Kapitalanforderungen hier unter den jüngsten globalen Reformen gestiegen sind. Eine weitere, wenn auch unwahrscheinliche, aber kapitalwirksame Option wäre, die Schweizer Universalbank «Personal & Corporate» auszugliedern. Dieser Teil der Bank ist bereits weitgehend separat, und die Idee hat historische Vorbilder – Credit Suisse hatte einen ähnlichen Plan vor ihrem Zusammenbruch 2023.
Technische Anpassungen
Es gibt mehrere technische Möglichkeiten, die Bilanz der UBS zu entlasten oder die Anforderungen an die Muttergesellschaft zu umgehen, ohne schmerzhafte Abspaltungen vorzunehmen, auch wenn es keine einzelne Lösung gibt. Die Bank kann den Einsatz sogenannter Significant Risk Transfers erhöhen, bei denen Kreditrisiken an externe Investoren abgegeben werden. Diese Methode wird in Europa bereits vielfach eingesetzt, hat aber nur begrenztes Potenzial zur Reduzierung risikogewichteter Aktiva.
Die UBS könnte ausserdem die relativ hohe Verschuldung ihrer Auslandstöchter beibehalten, anstatt sie wie geplant zu senken. Einige Analysten setzen auf sogenanntes «Upstreaming» – ein Szenario, bei dem ausländische Aufseher es erlauben, überschüssiges Kapital aus den Auslandstöchtern in die Schweiz zurückzuführen. Die UBS plant hier bereits Transfers von rund 5 Milliarden Dollar.
Benjamin Goy von der Deutschen Bank sieht zusätzlich Potenzial bei der ehemaligen UK-Einheit der Credit Suisse und bei der US-Tochter der UBS. Dennoch fordern globale Regulierer, dass Banken einen grösseren Teil ihres Kapitals in den jeweiligen Märkten halten; Rückführungen an die Mutterbank sind schwierig.
Effizienzsteigerung statt Schrumpfung
Die Bank kleiner zu machen, um die Schweizer Regulierung zu überstehen, ist für Manager, die auf Wachstum ausgerichtet sind, wenig attraktiv. Ermotti betonte bereits: «Schrumpfen ist keine Option.» Effektiver könnte sein, das zu tun, was UBS bereits tut – nur besser.
Profitabilität der UBS nach Regionen (2024).
Analysten von JPMorgan schätzen, dass bei einer Umsetzung über sechs bis acht Jahre und den 5 Milliarden Dollar an Upstreaming etwa 2,6 Milliarden Dollar pro Jahr zurückgelegt werden müssten, bevor weitere Schritte zur Optimierung der Bilanz berücksichtigt werden. Neben dem laufenden Abbau von Credit-Suisse-Altlasten und dem Ziel von 13 Milliarden Dollar Kosteneinsparungen bis 2026 konzentriert sich UBS auf die Leistungssteigerung im Wealth Management, besonders in Amerika. Diese Region erwirtschaftet ähnlich viel Umsatz wie die Schweiz, ist aber deutlich kostenintensiver.
Mit einer Kosten-Einkommen-Quote von über 90 Prozent ist das US-Wealth-Management der ineffizienteste Bereich. Ziel ist eine Profitmargin vor Steuern von 15 Prozent bis 2027 (aktuell 12 Prozent). Ein Teil des Problems liegt darin, dass Ende 2024 fast 6’000 Vermögensberater in den USA tätig waren, die Produkte verkauften, aber nicht direkt für die Bank arbeiteten, sondern semi-unabhängig. Dieses Modell effizient zu halten, während die Kosten reduziert werden, ist eine Schlüsselaufgabe für Rob Karofsky, den neuen US-Chef.
In jedem Szenario, in dem die UBS die höheren Kapitalanforderungen absorbiert, werden Anleger wohl vorsichtig sein, was zukünftige Ausschüttungen betrifft. Aktuell plant die Bank Aktienrückkäufe von bis zu 3 Milliarden Dollar in diesem Jahr, über das Vorgehen im nächsten Jahr wird nach dem ersten Quartal informiert.
Ausblick
Es gibt noch eine weitere Möglichkeit. Das sogenannte «Swiss Finish» – strengere Vorschriften in der Schweiz als anderswo – hat Kosten für UBS-Anleger. Die Unsicherheit über die Regulierung hat den Aktienkurs gebremst, während der europäische Bankenindex um 30 Prozent stieg. Für manche wäre ein kompletter Standortwechsel besser.
Im März berichtete Bloomberg, dass die Bank prüfe, ihren Hauptsitz angesichts der bevorstehenden Kapitalerhöhung zu verlagern – ein drastischer Schritt, der eine massive Zäsur für die UBS wäre, deren über 160-jährige Geschichte eng mit der Schweiz verbunden ist, und der auf viele Hindernisse stossen würde. Die Marke UBS hängt stark vom Image der Schweiz als sicherem Hafen für Vermögen der Superreichen ab.
Ein anderer Sitzstaat würde UBS und die Schweiz zugleich vom Problem befreien, dass eine globale Grossbank in einem kleinen Land mit begrenzten Ressourcen ansässig ist. Senior Executives haben sich in den letzten Monaten von dieser Option teilweise entfernt, und ehemalige Top-Manager bezeichnen die Wahrscheinlichkeit als null bis nahe null. Dennoch bietet ein möglicher M&A-Deal in den kommenden Jahren eine Chance für einen Neuanfang.
Kelleher hatte bereits Interesse an einer US-Vermögensverwaltung bekundet; seine langjährige Erfahrung bei Morgan Stanley bietet dort Verbindungen für einen möglichen Deal. Einige Führungskräfte sehen die Chance, durch einen internationalen M&A-Deal «heimlich» den Sitz zu wechseln. Explorative Gespräche mit US-Regulatoren sollen stattgefunden haben, berichtete die New York Post.
Für andere bleibt die UBS anfällig für opportunistische Käufer, die profitable Einheiten übernehmen könnten, während die Gesamtbewertung schwach ist. Bei einem Angebot könnte die UBS gezwungen sein, ernsthaft zu prüfen.
Diese Szenarien gelten als wenig wahrscheinlich. Vorerst betonen UBS-Manager die Standardlösungen: gute Performance beibehalten und hoffen, dass die Schweizer Parlamentarier ihnen den Vorteil des Zweifels zugestehen. Eine Abstimmung über das endgültige Gesetz wird frühestens Ende 2027 erwartet.
Doch schon jetzt dürfte die Situation grosse Investoren der UBS verunsichern. In der vergangenen Woche sagte Lars Förberg, Mitgründer von Cevian (1,4 Prozent UBS-Anteile), gegenüber lokalen Medien, dass die Bank «keine andere Wahl habe, als die Schweiz zu verlassen». Die Behörden wüssten «genau, dass die vorgeschlagenen, extremen Kapitalanforderungen bedeuten, dass die UBS gehen muss. Sie wollen es nur nicht sagen.»
(Bloomberg)