Die Fortschritte auf dem Schlachtfeld seien "langsamer als gewünscht", sagte er in einem am Mittwoch veröffentlichten BBC-Interview. "Einige Leute meinen, dies sei ein Hollywood-Film und erwarten jetzt Ergebnisse. Das ist es aber nicht", sagte Selenskyj. Der militärische Vorstoss sei nicht einfach, da 200.000 Quadratkilometer ukrainisches Territorium von den russischen Streitkräften vermint worden seien. Die ukrainischen Streitkräfte setzten laut Regierungsangaben ihre Gegenoffensive mit Angriffen auf russische Stellungen im Süden fort. In anderen Frontabschnitten hätten sie jüngste Geländegewinne gesichert, teilte Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar mit. Im Osten würden die Truppen einem russischen Grossangriff standhalten.
Russland meldete erneut einen ukrainischen Drohnenangriff in der Nähe von Moskau. Die Luftabwehr habe alle drei Drohnen abgefangen, die sich Militärdepots genähert hätten. Es habe keine Opfer oder Schäden gegeben. Die EU, die USA und Grossbritannien stellten auf einer Geberkonferenz in London weitere Milliardenhilfen zum Wiederaufbau der Ukraine bereit und brachten eine Initiative zur Beteiligung der Privatwirtschaft daran auf den Weg.
«Schwere Kämpfe im Osten»
Selenskyj sagte, die Ukraine werde sich bei ihrer Gegenoffensive nicht unter Druck setzen Lassen. "Bei allem Respekt, wir werden auf dem Schlachtfeld so vorrücken, wie wir es für richtig halten." Vize-Verteidigungsministerin Maljar erklärte über den Kurznachrichtendienst Telegram, die ukrainischen Streitkräfte setzten ihre Offensiveinsätze in Richtung der Stadt Melitopol tief im besetzten Gebiet im Süden und in Richtung Berdjansk am Asowschen Meer fort. Sie sprach von schweren Kämpfen im Osten, insbesondere in der Nähe der Stadt Lyman, die ukrainische Truppen im Oktober von den russischen Streitkräften zurückerobert hatte. "Im Osten halten die Verteidiger weiterhin einen grossangelegten Angriff der russischen Streitkräfte in Richtung Lyman und Bachmut zurück", so Maljar. Der Osten bleibe der Schwerpunkt der russischen Angriffe. Russland versuche dort weiterhin, die Regionen Donezk und Luhansk vollständig zu erobern. Donezk und Luhansk bilden die Industrieregion Donbass.
Die Ukraine hatte nach eigenen Angaben in den vergangenen zwei Wochen acht Dörfer im Süden zurückerobert. Die Vorstösse in die stark befestigten und verminten Gebiete unter russischer Kontrolle sind zwar klein, aber die grössten seit November. Die Führung in Kiew hat seit Monaten eine Gegenoffensive vorbereitet, von der sie sich einen Wendepunkt in dem Krieg erhofft. Sie hat allerdings eine Nachrichtensperre verhängt, und unabhängige Berichte sind rar. Experten zufolge steht der Einsatz des Grossteils der ukrainischen Streitkräfte noch aus, von denen ein Teil vom Westen ausgebildet und ausgerüstet wurde. Daher sei es zu früh, um Schlüsse über den Erfolg der Offensive zu ziehen. Auf beiden Seiten soll es aber schwere Verluste geben. Reuters-Reporter, die vorige Woche in zwei zurückeroberte Dörfer kamen, sahen die Leichen toter russischer Soldaten auf dem Boden sowie ausgebrannte Panzerfahrzeuge.
Neue Hilfszusagen bei Geberkonferenz in London
Bei der Geberkonferenz in London kündigte der britische Premierminister Rishi Sunak an, private Investitionen mit staatlichen Garantien vor Risiken absichern zu wollen. Er forderte Investoren auf, sich am Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur, Kliniken und Wohnhäusern zu beteiligen. Zudem kündigte Sunak an, weitere drei Milliarden Dollar an Garantien bereitzustellen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, die Europäische Union werde der Ukraine 50 Milliarden Euro von 2024 bis 2027 bereitstellen. US-Aussenminister Antony Blinken kündigte an, dass sein Land mehr als 1,3 Milliarden Dollar zusätzlich zum Wiederaufbau des kriegsgeschundenen Landes zur Verfügung stellen werde.
(Reuters)