Zu den Forderungen zähle ein vollständiger Rückzug ukrainischer Truppen aus den ukrainischen Regionen Donezk, Saporischschja, Cherson und Luhansk, sagte ein hochrangiger Vertreter der Ukraine der Nachrichtenagentur Reuters. Russland hält Teile dieser Regionen besetzt. Es hatte aber auch Ansprüche auf diejenigen Teile erhoben, die unverändert unter ukrainischer Kontrolle stehen.
Diese und weitere Forderungen, die die russischen Unterhändler dem ukrainischen Insider zufolge in Istanbul vorbrachten, gehen über diejenigen Punkte hinaus, die die USA nach eigenen Gesprächen mit Russland in einem Entwurf für ein Friedensabkommen genannt hatten. Dem ukrainischen Insider zufolge brachte die russische Delegation in Istanbul ihre Forderungen lediglich mündlich vor. Die Punkte weichen auch von dem Entwurf ab, den die Ukraine und ihrer europäischen Partner für ein Friedensabkommen genannt hatten.
Der russische Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow wollte sich am Samstag im Gespräch mit Journalisten nicht zu von Russland gestellten Bedingungen äussern. Die Gespräche sollte hinter verschlossenen Türen stattfinden, sagte Peskow lediglich. Er deutete zudem an, dass die russische Führung wie bereits früher geäussert Selenskyjs Rolle als legitimer Vertreter der Ukraine infrage stellt. Falls sich beide Seiten in Verhandlungen auf gemeinsame Positionen verständigten, bleibe «die wichtigste und grundlegende Frage» aus russischer Sicht, «wer genau auf ukrainischer Seite diese Dokumente unterzeichnen wird».
Dem ukrainischen Insider zufolge verlangten die russischen Unterhändler nicht nur eine Preisgabe, sondern auch eine internationale Anerkennung ukrainischer Gebiete als russische Territorien. Neben den Regionen Donezk, Saporischschja, Cherson und Luhansk solle auch die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 international gebilligt werden. Die USA hingegen hatten in ihrem Entwurf eines Abkommens eine De-jure-Anerkennung lediglich der Krim und im übrigen ausschliesslich eine De-facto-Anerkennung von der von Russland kontrollierten Teile weiterer ukrainischer Regionen in Aussicht gestellt.
Zudem forderte Russland dem Insider zufolge eine Neutralität der Ukraine. Sie dürfe im Gegensatz zu Russland keine Massenvernichtungswaffen besitzen. Die Partnerstaaten der Ukraine dürften keine eigenen Truppen auf ukrainischem Boden stationieren. Diese Forderung ist in dem US-Entwurf nicht enthalten. Ferner verlange Russland einen Verzicht aller involvierten Staaten auf Kriegsreparationen, sagte der Insider. Dagegen soll dem US-Entwurf zufolge die Ukraine entschädigt werden.
Die ersten direkten Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine seit mehr als drei Jahren waren am Freitag nach weniger als zwei Stunden ohne Einigung auf einen Waffenstillstand zu Ende gegangen. Dennoch hatte sich Russland zufrieden mit den Gesprächen gezeigt. Vereinbart wurde ein Austausch von jeweils 1000 Kriegsgefangenen.
Der russische Delegationsleiter Wladimir Medinski hatte gesagt, eine Fortsetzung der Verhandlungen sei möglich. Medinski war früher Kultusminister und unter anderem für ein Schulbuch verantwortlich, das die Eigenständigkeit der Ukraine abstreitet und den sowjetischen Diktator Josef Stalin preist. Kritiker werfen Medinski Geschichtsrevisionismus vor.
(Reuters)