Am Donnerstagabend kam die Ankündigung von der Sparkasse per E-Mail, schon am Dienstag danach war die Kreditlinie weg. Ohne Vorwarnung habe sich die Hausbank nach über zehnjähriger Zusammenarbeit innerhalb weniger Arbeitstage zurückgezogen, klagt die Geschäftsführung eines im Fahrzeugbau tätigen Unternehmens. Dabei braucht die Firma - die wegen laufender Kreditverhandlungen mit anderen Banken lieber nicht genannt werden möchte - dringender denn je frisches Geld: "Durch Corona und den Krieg in der Ukraine sind die Reserven aufgebraucht".

Ähnliche Erfahrungen machen derzeit viele Unternehmen: Rund 40 Prozent der Kleinstunternehmen und Selbstständigen berichteten im März, dass es für sie schwierig ist, an frische Kredite zu kommen, wie das Münchner Ifo-Institut bei seiner Umfrage herausfand. Spürbar gestiegene Kreditkosten und die Turbulenzen um die Silicon Valley Bank und die Credit Suisse lassen viele Geldgeber vorsichtiger werden. Droht eine Kreditklemme, die die Erholung der deutschen Wirtschaft nach den Krisenjahren durch Corona und den russischen Krieg gegen die Ukraine ausbremst?

Veto von Oben

Zumindest die Erfahrungen des Fahrzeugbauers sprechen dafür: Zwei Jahre in Folge kamen wegen der durch den Krieg verursachten Lieferkettenprobleme nur die Hälfte der bestellten Fahrgestelle an, beschreibt die Geschäftsführung die schwierige Lage. Die Folge: Aufträge konnten nicht abgearbeitet werden. Dadurch fehlten 2022 über ein Million Euro Rohertrag. Seit März seien die Probleme jedoch behoben, es könne wieder gearbeitet werden. Doch nun fehlt die Finanzierung für Material und Arbeitsstunden. "Ich habe noch bis Juni oder Juli zu überbrücken, bis ich wieder richtig Geld habe", sagt die Betriebsleitung der Firma mit rund 50 Angestellten. Vor kurzem sei eine Kreditzusage einer neuen Bank erfolgt, doch dann kam zwei Wochen später ein Rückruf: Es habe ein Veto von oben gegeben.

So ähnlich ergeht es derzeit auch anderen Unternehmen. In der Gesamtwirtschaft berichten zwar nur knapp 23 Prozent jener Unternehmen, die Verhandlungen führen, von einer Zurückhaltung bei den Banken - nach 30 Prozent im Dezember 2022. Aber in einigen Bereichen der Wirtschaft ist das Problem akut. So hat etwa die Veranstaltungsbranche grosse Probleme, an frisches Geld zu kommen: Dort klagt der Ifo-Umfrage zufolge jeder zweite Betrieb über eine schwieriger gewordene Kreditbeschaffung.

Für den Euro-Raum insgesamt meldet die Europäische Zentralbank (EZB) höhere Hürden bei der Vergabe von Darlehen. "Im historischen Vergleich blieb das Tempo der Nettoverschärfung der Kreditstandards auf dem höchsten Stand seit der Euro-Schuldenkrise im Jahr 2011", heisst es in einer Umfrage unter 158 Banken zum ersten Quartal. Diese Entwicklung ist mit Blick auf den Kampf gegen die hohe Inflation von den Währungshütern auch teilweise beabsichtigt. Die Unternehmen wollten mehr investieren, aber die Nachfrage sei wegen der hohen Kosten sehr gering, sagt EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der siebten Zinserhöhung in Folge. "Das ist also eine Erkenntnis, das uns zeigt, dass unsere Zinspolitik allmählich Wirkung zeigt."

Positive Gespräche enden mit einer Absage

Viele deutsche Handwerker klagen bei ihren Verbandsberatern, dass nach durchaus positiven Gesprächen mit Geldhäusern zunächst Wochen der Entscheidungsfindung folgten und diese dann oftmals doch in einer Ablehnung mündeten. "Viele Betriebe müssten wegen Energiewende und der notwendigen Transformation einiger Geschäftsmodelle umfangreiche Investitionen tätigen", so der Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH). Nur: Die Zinsen seien vergleichsweise hoch und das eigene Geld wegen der vergangenen Krisenjahre oftmals nicht ausreichend. Bei mehr als einem Drittel der Handwerker liege die Eigenkapitalquote bei unter zehn Prozent, heisst es beim ZDH. "In dieser Situation treffen sie auf Kreditinstitute, die eine Verschlechterung der eigenen Risikolage erwarten." Das sei keine gute Kombination.

Bei der Volksbank in Mittelhessen habe sich an den tatsächlichen Vergabestandards bislang nichts geändert, sagt Sören Sänger, der dort für das Corporate Banking verantwortlich ist. In letzter Zeit seien jedoch vermehrt Anfragen von potenziellen Neukunden eingegangen, die ihre Hausbank wechseln wollten. "Es gibt keine härteren Kriterien für neue Kunden wie für Bestandskunden", betont Sänger. Dennoch analysierten die Geldhäuser genau, ob ein bestimmtes Geschäftsmodell zukunftsfähig sei. "In einer Phase, wo die Bonitätsbeurteilung und Nachhaltigkeitskriterien intensiver geprüft werden, stellt die Bank mehr Fragen."

«Die Droge billiges Geld»

Nach vielen Jahren von Niedrig- oder Negativzinsen bedeute das veränderte Zinsumfeld zunächst eine Normalisierung und kein Sonderzustand, bemerkt der Zusammenschluss der deutschen Bankenverbände, die Deutsche Kreditwirtschaft (DK). Auch Sänger spricht von einer Normalisierung. "Geld hat wieder einen Preis bekommen. Investitionen rechnen sich nicht mehr so leicht wie zuvor." Teilweise verlegten Unternehmen bestimmte Vorhaben nach hinten oder versuchten es mit kleineren Beträgen. Unterschiede machten sich vor allem mit Blick auf die Branche und die Unternehmensgrösse bemerkbar. "Bei den grossen Unternehmen spüren wir nur eine leicht rückläufige Anfrageintensität."

Auch die Deutsche Kreditwirtschaft rechnet angesichts der erforderlichen Investitionen für die Transformation der Wirtschaft mit einem steigenden Finanzierungsbedarf. "Aber natürlich stellt die aktuelle wirtschaftliche Situation sowie das geänderte Zinsumfeld für Unternehmen eine Herausforderung dar." Die höheren Kosten könnten vor allem für kleinere und mittlere Betriebe zu einem Problem werden. "Zu lange hat die EZB auf die Droge billiges Geld gesetzt", sagt die Präsidentin des Verbands der Familienunternehmer, Marie Christine-Ostermann. "Jetzt ist es schwer, davon wegzukommen, ohne Kollateralschaden anzurichten." 

(Reuters)