Gefallene Aktienkurse, explodierende Baukosten, steigende Zinsen und hohe Inflation sowie die anstehenden milliardenschweren Sanierungen für Klimaschutz-Auflagen und sinkende Immobilien-Preise setzen den Unternehmen zu. In den vergangenen Monaten lösten sich Milliarden-Werte in den Bilanzen in Luft auf: Der deutsche Branchenprimus Vonovia etwa musste sein Immobilien-Vermögen um über drei Milliarden Euro abwerten. Der Düsseldorfer LEG Immobilien droht als Nummer Zwei eine Abwertung des Bestands um die fünf Prozent, auch beim Konkurrenten Aroundtown sank der Wert des Immobilienvermögens.

Eine Abwärtsspirale droht sich in Gang zu setzen. Sollten die Konzerne ihre Immobilien-Werte angesichts sinkender Preise in vielen Metropolen weiter herunterschreiben, könnte ihnen ein weiterer Anstieg ihres Schuldengrads (LTV) - die zentrale Kennziffer erfasst die Nettoverschuldung im Verhältnis zum Immobilienvermögen - ins Haus stehen. Damit bestünde die Gefahr, dass sie die Bedingungen ihrer milliardenschweren Anleihen verfehlen und diese fällig gestellt werden müssen.

«Cash is King» - Konzerne halten das Geld zusammen

"Die Unternehmen suchen dringend nach Liquidität", sagte Daniel Zimmermann, Experte für grosse Immobilien-Konzerne beim Deutschen Mieterbund. "Cash is King", betonte LEG-Chef Lars von Lackum. Auch Vonovia-Chef Rolf Buch muss das Geld zusammenhalten - Neubauprojekte im von Wohungsmangel geplagten Markt legte er etwa auf Eis.

Bei Vonovia ist der Verschuldungsgrad (LTV) zuletzt auf 45,4 Prozent geklettert und liegt damit über der eigentlich angestrebten Spanne von 40 bis 45 Prozent. Der Konkurrent LEG wies per Ende März einen LTV von 43,5 Prozent aus, ebenfalls über der intern angestrebten Marke von 43 Prozent. Bei der seit langem kriselnden Adler Group lag der LTV zum Ende des ersten Quartals sogar bei 63,3 Prozent.

Die Entwicklung ruft auch die Investoren auf den Plan. Denn viele Konzerne haben in der Krise die Dividenden gestrichen, beim Branchenprimus Vonovia wurde die Ausschüttung gegenüber den Vorjahren empfindlich gekürzt. Vonovia drohe eine Abwärtsspirale, warnte Arne Rautenberg von der Fondsgesellschaft Union Investment.

"Im derzeitigen Zustand wirkt Vonovia nicht wie Europas grösster Wohnungskonzern, sondern wie ein Hochhaus auf wackligem Fundament", beklagte er. Letztlich könnte bei Vonovia eine Kapitalerhöhung drohen, die Gift für den Aktienkurs ist. Dieser bereitet den Investoren ohnehin wenig Freude - kosteten Vonovia-Aktien im vergangenen Mai noch 36,24 Euro, so sind es jetzt rund 17,60 Euro. Bei der Konkurrenz sieht es nicht besser aus.

Ein Grund für die Unsicherheiten rund um die Unternehmen ist auch die Frage nach den wirklichen Preisen ihrer Immobilien - entsprechen diese den Werten in den Büchern und lassen sich diese wirklich am Markt erzielen? "Ein Ausblick auf die Immobilienbewertung im ersten Halbjahr (fällt uns) deutlich schwerer als sonst", räumte LEG-Chef Lackum ein.

Drehten die Immobilien-Manager in den vergangenen Jahren noch das grosse Rad und prägten milliardenschwere Übernahmen die Branche, herrscht nun Eiszeit. Der Markt ist weitgehend schockgefrostet, grosse Transaktionen sind eine Seltenheit - und gibt es Verkäufe, gehen die Immobilien mit Abschlägen vom Buchwert an die neuen Besitzer, wie jüngst im Fall Vonovias.

Käufer lauern auf einen weiteren Verfall der Preise. "Der Markt ist im Warte-Modus", sagte Adler-Chef Thierry Beaudemoulin, dessen Konzern sich von zahlreichen Immobilien trennen will. "Viele Ankäufer sitzen auf ihren Händen", beklagte auch LEG-Chef Lackum.

Nach Käufern sucht auch Vonovia-Chef Buch, er hat Immobilienpakete mit einem Wert von rund 13 Milliarden Euro für einen Verkauf im in der Vergangenheit durch eine rasche Expansion gewachsenen Vonovia-Reich aufgestöbert. Bei Verkäufen setzt der Bochumer Dax-Konzern nun auch auf die Städte in Deutschland. Eine Reihe von Kommunen habe Vonovia-Wohnungen ins Visier genommen, sagte Buch jüngst vor Analysten. Es gehe um sieben verschiedene Städte in sechs Bundesländern. Die Wohnungen könnten so wieder in öffentlichen Besitz gehen.

Mieterbund - Situation für Mieter könnte unangenehm werden

Für die Mieter könnte die Suche der Unternehmen nach neuen flüssigen Mitteln nichts Gutes bedeuten. Seit einem Jahr stehe bei Analysten-Konferenzen etwa von Vonovia im Fokus, welche Möglichkeiten für Mieterhöhungen es gebe, berichtete Mieterbund-Vertreter Zimmermann.

"Wir müssen damit rechnen, dass die Mieterhöhungen bei den grossen Konzernen höher ausfallen als in den letzten Jahren", sagte er. Instandhaltungsarbeiten könnten ebenfalls heruntergefahren werden, um Geld zu sparen. Es könnte sogar am Personal gestrichen werden: "Die Situation für die Mieter könnte unangenehmer werden."

Mittelfristig könnte sich der Wind aber drehen, erwartet Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Denn er sieht die Phase rasch steigender Zinsen, eine der wesentlichen Faktoren für die Probleme der Immobilien-Konzerne, angesichts der Rezession in Deutschland vor einem Ende.

"Die Zinsfront wird sich zugunsten der Immobilien-Konzerne drehen", sagt er voraus. Auch die Mieten würden künftig - getrieben von der Inflation - weiter ansteigen. "Die inflationären Bewegungen werden sich in den Mietspiegeln niederschlagen", ist er sich sicher. Das nutze den Immobilien-Unternehmen: "Man kann ein wenig von Entwarnung sprechen."

(Reuters)