Ex-Audi-Chef Rupert Stadler erhielt am Dienstag vom Landgericht München eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Ausserdem muss der 60-Jährige 1,1 Millionen Euro teils an die Staatskasse und teils an mehrere gemeinnützige Organisationen zahlen. Stadler, der im Gegenzug für sein Geständnis wesentliche Teile seines Urteils von seinen Anwälten mit dem Richter hatte aushandeln lassen, nahm die Verlesung ohne erkennbare Regung zur Kenntnis.
Für die beiden Mitangeklagten verhängte das Gericht ebenfalls Bewährungsstrafen und Geldauflagen in der in Aussicht gestellten Grössenordnung. Beim ehemaligen Audi-Motorenchef und späteren Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz sind es zwei Jahre sowie 400'000 Euro, beim Ingenieur Giovanni P. ein Jahr und neun Monate sowie 50'000 Euro.
Mammut-Prozess gegen Ex-Konzernvorstand
Damit geht eines der prominentesten Verfahren im 2015 aufgeflogenen Diesel-Skandal zu Ende. Bei der von US-Behörden aufgedeckten Manipulation der Abgasreinigung, die nur auf dem Prüfstand, aber nicht auf der Strasse funktionierte, spielte die VW-Tochter Audi eine entscheidende Rolle. In Braunschweig läuft ein weiterer Strafprozess gegen frühere Konzernmanager. Ein Verfahren gegen Ex-Volkswagen-Chef Martin Winterkorn liegt wegen dessen Erkrankung auf Eis. Ausserdem dauern strafrechtliche Ermittlungen und etliche Zivilprozesse infolge des Skandals an.
Stadler stand mehr als zehn Jahre lang an der Spitze des Premiumherstellers und stieg in dieser Funktion auch in die oberste Chefetage in Wolfsburg auf. Unter dem Verdacht, die Manipulationen nicht rechtzeitig gestoppt zu haben, wurde er 2018 verhaftet und musste seine Managerposten abgeben. Stadler sass einige Zeit in Untersuchungshaft und stand seit September 2020 vor Gericht. Zwei Jahre und neun Monate lang beschäftigte sich die Strafkammer mit 190 Zeugen, vier Sachverständigen und mehr als 1400 Urkunden, wie Richter der Vorsitzende Richter Stefan Weickert bilanzierte. Eingehend befassten sich die Juristen mit technischen und chemischen Prozessen der so genannten Abgasreinigung in verschiedenen Motorenvarianten.
Im März schliesslich bot Weickert den Angeklagten einen Deal an: Bei Geständnissen werde es Bewährungsstrafen mit Geldauflagen geben, dann müsse niemand ins Gefängnis. Die drei Männer räumten die Tatvorwürfe daraufhin vollumfänglich ein. Hatz und der Ingenieur gestanden, Motoren manipuliert zu haben. Stadler hingegen wird keine aktive Manipulation vorgeworfen. Nach Überzeugung des Gerichts versäumte er es jedoch nach dem Auffliegen des Skandals in den USA, den Verkauf der manipulierten Autos in Deutschland zu stoppen. Stadler hat dies seinerseits gestanden.
Staatsanwaltschaft erwägt Revision gegen Hatz-Urteil
Stadler habe sich des Betrugs in 17'177 Fällen schuldig gemacht, sagte Richter Weickert. Er sei damit für einen Schaden von 41 Millionen Euro verantwortlich. Hatz und den Ingenieur verurteilte das Gericht wegen Betrugs in 94'924 Fällen. Hier summiere sich der Schaden auf ein Vielfaches der Stadler zur Last gelegten Summe, nämlich 2,3 Milliarden Euro. Denn Stadlers Schuld bezieht sich dem Gericht zufolge lediglich auf in Deutschland ausgelieferte Autos, wo die Manipulationen durch Softwareupdates ausgebügelt werden konnten. Hatz und der Ingenieur jedoch seien auch für Manipulationen in den USA verantwortlich, wo die betroffenen Autos nach dortiger Rechtslage nur noch Schrottwert gehabt hätten.
Bei Stadler und dem Ingenieur hatte die Staatsanwaltschaft die Deals gebilligt. Beim ehemaligen Audi-Motorenchef und späteren Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz jedoch sperrte sie sich gegen den Vorschlag des Gerichts und forderte eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und zwei Monaten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft wie auch alle Angeklagten können bis zum kommenden Dienstag Revision einlegen. Die Staatsanwaltschaft sei zufrieden mit den Urteilen gegen Stadler und den Ingenieur und werde eine mögliche Revision gegen das Urteil bei Hatz prüfen, sagte eine Sprecherin.
(Reuters)