Das Gericht für Internationalen Handel in New York blockierte in einer weitreichenden Entscheidung mit sofortiger Wirkung die meisten Zölle, mit denen Trump weltweit Handelspartner wie die Europäische Union und China zu Zugeständnissen zwingen will. Die Richter gelangten zu der Überzeugung, dass der Präsident seine Befugnisse überschritt, als er pauschale Abgaben auf Warenimporte auf Basis eines in diesem Zusammenhang noch nie angewandten Notstandsgesetzes verhängte.

Sie gaben der Regierung zehn Tage Zeit, neue Verordnungen zu erlassen, die die richterliche Verfügung gegen die Zölle widerspiegeln. Das Trump-Lager attackierte das Gericht scharf, zweifelte dessen Autorität an und kündigte umgehend an, in Berufung zu gehen. Die Finanzmärkte, die seit Trumps Aufschlag im Handelsstreit eine ständige Berg- und Talfahrt erleben, reagierten dagegen vorerst erleichtert.

An den Börsen legen die US-Aktienfutures zu. Die Kontrakte auf dem Dow Jones steigen 0,6 Prozent , diejenigen auf dem Nasdaq 1,4 Prozent.

Börsenexperten blieben aber skeptisch und verwiesen darauf, dass das juristische Tauziehen noch nicht vorbei sei. Die Experten von Goldman Sachs wiesen etwa darauf hin, dass die Verfügung der Richter branchenspezifische Abgaben nicht blockiert. Zudem gebe es womöglich andere rechtliche Wege für Trump, um pauschale und länderspezifische Zölle zu verhängen. «Diese Entscheidung stellt einen Rückschlag für die Zollpläne der Regierung dar und erhöht die Unsicherheit, am endgültigen Ergebnis für die meisten wichtigen US-Handelspartner könnte sich jedoch nichts ändern», befand Analyst Alec Phillips in einer Mitteilung.

Laut Mark Haefele, Chefanlagestratege bei der Vermögensverwaltung der Grossbank UBS, dürften die US-Zölle auf Waren aus anderen Ländern wohl nicht einfach verschwinden. Es gebe bestimmte gesetzliche Möglichkeiten, einen Teil der Zollpolitik trotz des Urteils umzusetzen. Daher dürfte das Marktumfeld für Investoren vorerst weiter volatil bleiben.

Konkret setzte das Gericht im Stadtteil Manhattan in der Nacht zum Donnerstag vorläufig alle Zollverordnungen Trumps seit dessen Amtsantritt im Januar ausser Kraft, die er auf Basis eines Gesetzes von 1977 verhängte. Dieses Gesetz räumt dem Präsidenten in Notlagen besondere wirtschaftliche Befugnisse ein, um «ungewöhnliche und ausserordentliche» Bedrohungen anzugehen. Bislang wurde es angewandt, um Sanktionen gegen Feinde der USA zu verhängen oder deren Vermögen einzufrieren. Trump ist der erste US-Präsident, der es für die Verhängung von Zöllen nutzt. Er führt an, dass die hohen Handelsdefizite der USA mit anderen Staaten die USA in einen nationalen Notstand gestürzt hätten. Deshalb sieht er sich befugt, per Dekret - also unter Umgehung des Kongresses - Zölle zu verhängen.

Das Handelsgericht sah dies jedoch anders. Das dreiköpfige Richtergremium betonte, dass laut US-Verfassung ausschliesslich der Kongress den Handel mit anderen Ländern regulieren dürfe. Daran änderten die Notstandsbefugnisse des Präsidenten zum Schutz der US-Wirtschaft nichts. «Das Gericht urteilt nicht über die Weisheit oder wahrscheinliche Wirksamkeit des Einsatzes von Zöllen als Druckmittel durch den Präsidenten. Der Einsatz ist nicht unzulässig, weil er unklug oder unwirksam ist, sondern weil das Bundesgesetz ihn nicht erlaubt», erklärten die Richter.

Branchenzölle sind nicht vom Tisch

Betroffen von der Entscheidung sind ein Grossteil der von Trump angeordneten Zölle, darunter solche, die er bei dem von ihm ausgerufenen «Tag der Befreiung» Anfang April vorgestellt hatte. Die Richter befassten sich allerdings nicht mit branchenspezifischen Zöllen, die Trump auf Autos, Stahl und Aluminium erlassen hat, da er hier auf Grundlage eines anderen Gesetzes agiert. Diese Zölle belasten unter anderem die deutsche Autobranche erheblich.

Sehr wohl wirkt sich die Richterentscheidung aber auf Zölle aus, die Trump in unterschiedlicher Höhe pauschal gegen zahlreiche Länder verhängt hat. Nach erheblichen Turbulenzen an den Märkten setzte Trump einige von diesen Strafabgaben zwar vorläufig wieder aus und startete bilaterale Verhandlungen mit diversen Ländern. Allerdings werden die Gespräche immer wieder auch von gegenseitigen Drohungen begleitet, Vergeltungsmassnahmen zu verhängen.

Grossbritannien zählt zu den ersten Ländern, die eine Vereinbarung getroffen haben. Zwischen der von Trump oft rhetorisch scharf angegangenen EU und den USA zeichnet sich das aber noch nicht wirklich ab. Bei Verbrauchern und Unternehmen sorgt Trumps Kurs für massive Verunsicherung.

Geklagt hatten deshalb zwölf Bundesstaaten sowie fünf kleinere amerikanische Firmen, die durch die überparteiliche Anwaltsgruppe Liberty Justice Center vertreten werden und die durch die Zölle ihre Geschäftsmöglichkeiten bedroht sehen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis die US-Regierung mitteilte, die Entscheidung des Gerichts anzufechten.

Richterspruch ist für Trump ein herber Rückschlag

«Es ist nicht die Aufgabe nicht gewählter Richter, zu entscheiden, wie eine nationale Notlage angemessen zu bewältigen ist», erklärte einer der Sprecher des Weissen Hauses, Kush Desai. Trumps stellvertretender Stabschef Stephen Miller kritisierte die Gerichtsentscheidung in den sozialen Medien: «Der Justizputsch ist völlig ausser Kontrolle.» Das Gericht für Internationalen Handel befasst sich mit Streitigkeiten im Zusammenhang mit internationalen Handels- und Zollgesetzen. Seine Entscheidungen können vor dem US-Berufungsgericht in Washington, D.C., und letztlich vor dem Obersten Gerichtshof der USA angefochten werden.

Der Richterspruch ist für Trump ein herber Rückschlag. Es ist für ihn extrem wichtig, dass er bei den von ihm angezettelten Handelskonflikten maximalen Freiraum behält. Zölle sind ein Kernelement, mit dem er zahlreiche seiner kostspieligen Vorhaben zu finanzieren gedenkt, etwa die geplante Steuerreform, die nach Auffassung unabhängiger Experten den Schuldenberg der weltgrössten Volkswirtschaft um weitere Billionen Dollar anschwellen lassen könnte. Trump hat auch versprochen, dass er mithilfe seiner Zollpolitik Arbeitsplätze und die Industrieproduktion zurück in die USA holen wird.

Doch das Vorgehen ist höchst umstritten. Unternehmen aller Grössenordnungen wurden durch Trumps schnelle Einführung von Zöllen und plötzliche Kehrtwenden hin- und hergerissen. Sie versuchen, ihre Lieferketten, Produktion, Personalbesetzung und Preise entsprechend anzupassen. Die globalen Handelsströme wurden erheblich gestört und die Finanzmärkte erschüttert.

(Reuters)