Um 19.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit informieren Amerikas Währungshüter über ihre weitere Geldpolitik. Allgemein wird erwartet, dass die amerikanischen Währungshüter das Zinsniveau das zweite Mal in Folge unverändert belassen werden - erstmals seit fast zwei Jahren, wie Stephen Innes von SPI Asset Management anmerkte. Spannend ist jedoch vor allem, ob die Notenbank auf den folgenden Sitzungen noch einmal handelt. Die Experten der Dekabank erinnerten daran, dass die Fed-Mitglieder beim vorherigen Zinsentscheid noch eine weitere Erhöhung bis Ende des Jahres in Aussicht gestellt hatten. Die letzte Gelegenheit dafür wäre die Sitzung am 13. Dezember.

Umso wichtiger werden deshalb die Aussagen des Fed-Chefs Powell auf der anschliessenden Pressekonferenz sein. «Wie weit lässt die Notenbank für weitere Zinsschritte nach oben die eine Tür offen oder sehen Anleger sogar durch einen kleinen Spalt in der anderen Tür zu Zinssenkungen etwas Licht durchscheinen - alles ist möglich und so auch jedwede Bewegung an den Börsen», fasst ein Händler zusammen. 

«Das hohe Wachstum der US-Wirtschaft und der unverändert enge Arbeitsmarkt lassen eigentlich nur eine Botschaft zu: Die Fed wird weitere Zinserhöhungen nicht ausschliessen und das aktuelle Niveau noch länger beibehalten», schreiben die Börsen-Experten von Index Radar.

Fed-Chef Jerome Powell hat die Finanzmärkte für den am 1. November anstehenden Zinsentscheid darauf vorbereitet, dass der Schlüsselsatz in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent bleibt. Erstmals seit Beginn der geldpolitischen Straffungsserie im März 2022 könnte die Fed somit auf zwei aufeinander folgenden Sitzungen die Füsse still halten. Sie kann laut Powell nach ihrer aggressiven Erhöhungsserie nun geduldiger agieren. Ein Grund dafür ist, dass sich die Finanzierungsbedingungen verschärft haben. Damit bewegen sich die Finanzmärkte bereits in die von der Fed gewünschte Richtung.

«Die zuletzt deutlich gestiegenen langfristigen Kapitalmarkzinsen nehmen der US-Notenbank einen Teil ihrer Arbeit im Kampf gegen die Inflation ab», erläuterte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Auch in der Realwirtschaft komme der Zinsanstieg zunehmend an: «Beispielsweise am Häusermarkt, wo der Zinssatz für 30-jährige US-Hypotheken mittlerweile bei knapp acht Prozent und damit auf dem höchsten Stand seit 2000 notiert.»

Argusaugen auf die Wirtschaft

Die Währungshüter wollen mit ihrer straffen Geldpolitik eine weiche Landung der Wirtschaft erreichen - also eine Zügelung der Inflation und der Wachstumskräfte, ohne eine tiefe Rezession zu verursachen. «Nur wenn sich das zuletzt sehr hohe Wachstumstempo nicht abschwächt, ist mit einer weiteren Zinserhöhung zu rechnen – dies aber frühestens im Dezember», so die Einschätzung von Fed-Beobachter Bernd Weidensteiner von der Commerzbank.

Die US-Wirtschaft hatte ihr Wachstum im Sommerquartal trotz stark gestiegener Zinsen mehr als verdoppelt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Juli bis September aufs Jahr hochgerechnet um 4,9 Prozent zu. Fed-Chef Powell verwies jüngst darauf, dass die Notenbank beim weiteren Abstecken des geldpolitischen Kurses die Wachstumskräfte sehr genau im Blick halten werde. Wenn es weitere Anzeichen gebe, dass diese sich beharrlich stärker als der längerfristige Trend entwickeln sollten, würden Fortschritte beim Rückgang der Inflation gefährdet. Dies könnte die Notenbank laut Powell erneut auf den Plan rufen und sie zu weiteren Zinserhöhungen bewegen.

Dazu passt, dass die Währungshüter in ihrem im September aktualisierten Ausblick noch eine Anhebung um einen viertel Prozentpunkt für dieses Jahr ins Auge fassen. Die hohe Inflation hält sich hartnäckig und gibt der Zentralbank noch keinen Grund zur Entwarnung. Die Verbraucherpreise stiegen im September um 3,7 Prozent und damit im selben Tempo wie im August. Die Fed strebt einen Wert von 2,0 Prozent an.

Keine Zinserhöhung mehr?

Zu einer Zinserhöhung wird es laut NordLB-Analyst Bernd Krampen in diesem Jahr jedoch wohl nicht mehr kommen: «Wir rechnen mit keiner weiteren Zinsanhebung der Fed 2023 und einer ersten Zinssenkung im Sommer nächsten Jahres.» Denn die Widerstandskraft der US-Wirtschaft dürfte aus seiner Sicht bald erlahmen. Den Zins- und Energiepreisanstieg würden perspektivisch auch in den Vereinigten Staaten die privaten Haushalte und Unternehmen zu spüren bekommen. Die Knappheit an Personal bremse die Wachstumsdynamik und der Immobilienmarkt stehe durch die gestiegenen Zinsen bereits massiv unter Druck. Hinzu komme die restriktivere Kreditvergabepraxis bei den meisten Banken. «Insofern dürften die nächsten BIP-Quartalsveränderungen zunächst einmal um die Nulllinie tanzen», prophezeit der Analyst.

Solche eher trüben konjunkturellen Aussichten könnten die Fed zu einem Abwarten bewegen. US-Finanzministerin Janet Yellen erwartet, dass der Notenbank eine sanfte Landung gelingen wird. Die jüngsten starken Wachstumszahlen zeigten, dass es der Wirtschaft gut gehe. Zudem spiegele ein starker Renditeanstieg der langfristigen Anleihen das Vertrauen in die heimische Wirtschaft wider. Es zeige auch die Erwartung der Anleger, dass die Zinssätze für längere Zeit hoch bleiben dürften. Diese Botschaft dürfte auch Powell nach Ansicht vieler Experten den Finanzmärkten mit auf den Weg geben, wenn er nach dem Zinsbeschluss am Mittwoch vor die Presse tritt.

(Reuters)