Im Wettlauf gegen die Zeit schaltet sich US-Präsident Joe Biden in die stockenden Verhandlungen über eine Anhebung der Schuldenobergrenze ein. Angesichts eines bereits Anfang Juni drohenden Zahlungsausfalls der USA stehen Demokraten und Republikaner unter Zugzwang, rasch eine Lösung zu finden. Daher wollte sich Biden noch auf dem Rückflug von seiner Asien-Reise aus der Präsidentenmaschine "Airforce One" am Sonntag mit seinem republikanischen Gegenspieler im Kongress Kevin McCarthy telefonisch kurzschliessen. Auf einer Pressekonferenz auf dem G7-Gipfel in Hiroshima machte Biden deutlich, dass ein Zahlungsausfall verheerende Konsequenzen hätte und daher keine Option sei.

"Es ist an der Zeit, dass die Republikaner akzeptieren, dass es keine parteiübergreifende Übereinkunft gibt, die ausschliesslich auf der Grundlage ihrer parteipolitischen Bedingungen geschlossen werden kann. Auch sie müssen sich bewegen", betonte Biden. Er sei bereit zu Kürzungen und Steueranpassungen, um eine Übereinkunft zu erzielen.

Biden erwägt Parlamentarier zu übergehen

Der Staatschef schliesst auch ein Vorgehen mit der Brechstange nicht aus: Seiner Meinung nach könnte er auch unter Berufung auf den 14. Verfassungszusatz die Schuldengrenze anheben und den Kongress damit umgehen. Doch sei nicht sicher, ob er diesen Schritt schnell genug umsetzen könnte, ohne einen Zahlungsausfall zu riskieren. In dem Zusatzartikel steht unter anderem, dass die Gültigkeit der gesetzlich zulässigen Staatsschulden der Vereinigten Staaten nicht infrage gestellt werden darf. Nach Ansicht vieler Rechtsexperten würde sich Biden mit der Berufung auf den Zusatzartikel auf unsicheres juristisches Terrain begeben. Er müsste mit Klagen rechnen.

Gestritten wird in Washington über eine Anhebung der Schuldenobergrenze des Bundes von derzeit 31,4 Billionen Dollar. Ohne Einigung droht den USA laut Finanzministerium bereits ab nächstem Monat die Zahlungsunfähigkeit. Dies könnte schwere Folgen für das globale Finanzsystem haben. Biden sagte, er glaube immer noch an eine Einigung mit den Republikanern. Er könne aber nicht garantieren, dass diese keinen Zahlungsausfall erzwingen würden.

In den USA kommt es immer wieder zu einem Streit über die Schuldenobergrenze und oft kam es erst zu Einigungen in letzter Minute. Doch dieses Mal machen die extrem verhärteten Fronten zwischen den Parteien und die nur noch recht kurze Zeit für einen Kompromiss die Börsen nervös.

Am Samstag hatte der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses McCarthy erklärt, er rechne nicht damit, dass die Gespräche vorankommen könnten, bevor Biden vom G7-Treffen zurück sei. Bidens Demokraten, die im Senat die Mehrheit haben, und die Republikaner, die das Repräsentantenhaus dominieren, warfen sich gegenseitig eine mangelnde Bereitschaft für eine Bewegung in den Verhandlungen vor.

Die Republikaner fordern massive Ausgabenkürzungen, Ausgabenobergrenzen und überdies Arbeitsanforderungen für Bürger zu schaffen, die bestimmte staatliche Sozialleistungen beziehen. Biden und seine Demokraten wehren sich dagegen, dass es vor allem bei Bildung und Sozialleistungen zu Kürzungen kommt. Eine mit den Verhandlungen vertraute Person teilte Reuters mit, die Republikaner hätten zugleich eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben vorgeschlagen.

(Reuters)