Nach reiner Lehre interveniert der Staat nur ausnahmsweise in das Spiel von Angebot und Nachfrage. Doch die Regierung unter US-Präsident Donald Trump ist nicht bekannt dafür, dass sie sich wirtschaftspolitisch zurückhält. Im Gegenteil: Sie greift ein, wie die Zölle auf Güter aus anderen Ländern beispielhaft zeigen.

Zudem steigt die US-Regierung bei mehreren Unternehmen ein. Beispiele sind der Chiphersteller Intel sowie die Rohstoffunternehmen Lithium Americas, Trilogy Metals und MP Materials.

Hinter den Deals stehen durchaus geostrategische Motive des Weissen Hauses. Intel trage dazu bei, dass in den Vereinigten Staaten die fortschrittlichsten Chips der Welt entwickelt würden, sagte US-Handelsminister Howard Lutnick Ende August, als die 10-Prozent-Beteiligung an dem Technologieunternehmen bekannt wurde. Die Regierung bleibe entschlossen, «die Vorherrschaft unseres Landes im Bereich der künstlichen Intelligenz zu stärken und gleichzeitig unsere nationale Sicherheit zu stärken.»

Dass bestimmte Branchen gerade in der Auseinandersetzung mit China als sicherheitsrelevant eingestuft werden, wurde auch im Fall von Lithium Americas deutlich. Obwohl die USA über einige der grössten Vorkommen verfügten, produzierten sie weniger als 1 Prozent des weltweiten Lithiumangebots, sagte Energieminister Chris Wright Anfang Oktober, als er über die 5-Prozent-Beteiligung sprach. Doch nun werde die «Abhängigkeit von ausländischen Gegenspielern bei kritischen Mineralien» verringert. China zählt zu den grössten Produzenten von Lithium. Der Rohstoff ist wichtig für die Herstellung von Batterien, die unter anderem in Elektroautos verwendet werden.

Erste positive Reaktionen am Markt

Die Nachrichten zu den Staatsbeteiligungen an den verschiedenen Unternehmen kam bei den Investoren überwiegend gut an. Die Aktie von Lithium Americas stieg innert Tagen um nahezu 60 Prozent, jene von Trilogy Metals verdreifachte sich, und die Valoren von MP Materials sprangen in einem Handelstag um 50 Prozent hoch. Auch Intel profitierte - der eigentliche Kurssprung folgte allerdings, nachdem Nvidia ein 5-Milliarden-Dollar-Investment in den angeschlagenen Chiphersteller angekündigt hatte und die beiden Unternehmen über eine technische Kooperation informierten.

Auch Analysten äusserten sich unmittelbar zum Einstieg der US-Regierung. «Uns gefällt die Richtung, die diese Geschichte einschlägt, da wir an eine langfristige Trendwende von Intel glauben», schrieb der zuständige Analyst von Morgan Stanley. Indes hat er weder das Kursziel von 23 Dollar noch das «Equalweight»-Rating angepasst. Mit dieser Einstufung befindet er sich im Gros der Experten. Die meisten empfehlen «Hold», und der Preiszielkonsens liegt mit 27,60 Dollar unter der aktuellen Notierung von 36,37 Dollar. Anders gesagt: Für Analysten ist Intel wegen des Einstiegs der US-Regierung kein Aktienfavorit geworden, auch wenn die kürzlich eingetroffenen Nachrichten die Stimmung aufgehellt haben.

Positiver klang es zu den US-Beteiligungen im Rohstoffsektor. Für Lithium Americas sei der Einstieg ein «Game Changer», bahnbrechend also, kommentierte der Experte von Wedbush und zog das Kursziel auf 8 von 5 Dollar bei unverändertem «Neutral»-Rating hoch. Und laut dem zuständigen Analysten von TD Cowen spiegelt das angehobene Kursziel für Trilogy Metals «die höhere Wahrscheinlichkeit eines Projektfortschritts nach der Investition der US-Administration».

Momentaufnahme oder langfristige Chance?

Damit zeichnet sich die Aussicht ab, dass Anleger auch längerfristig von den in jüngster Zeit bekannt gewordenen Entwicklungen profitieren können. Serge Nussbaumer vom Wertschriftenhaus Maverix verweist auf Anfrage von cash.ch auf die Rolle, die der amerikanische Staat nun einnimmt. Er sei Förderer oder Kreditgeber - «Wettbewerbsfähige Unternehmen werden gezielt unterstützt.» Die meisten Unternehmen hätten ihre Projekte auch ohne staatliche Unterstützung realisiert - die staatliche Förderung beschleunige jedoch die Umsetzung, reduziere die Finanzierungskosten und stärke die Kapitalstruktur. 

Der staatliche Rückhalt schaffe zusätzliches Vertrauen bei Investoren, führt Nussbaumer aus: «Eine politisch abgesicherte Nachfrage – etwa in den Bereichen Verteidigung, Elektromobilität oder Infrastruktur – sorgt für stabilere Cashflows und geringere Kapitalkosten, was sich mittel- bis langfristig positiv auf die Bewertung auswirken kann.»

Auch für Jérôme van der Bruggen, Chef-Marktstratege des Vermögensverwalters Indosuez, kann der Staat als Aktionär das Vertrauen in die langfristige Finanzierung dieser Unternehmen stärken und neue Stabilität schaffen. «Das könnte sich für die betroffenen Firmen positiv auswirken.»

Insofern bieten sich Anlegern mittel- und langfristig durchaus Chancen. Dies auch, da die US-Regierung ein starkes Interesse am Erfolg ihres Engagement in den Schlüsselindustrien hat: Die nationale Sicherheit, wirtschaftliches Gedeihen und Unabhängigkeit von Gegenspielern wie China. Allerdings hat sich die Administration unter Präsident Trump oft als unkalkulierbar erwiesen, und Regierungswechsel, die abrupte Kursänderungen einleiten, sind im politischen System der USA nach Wahlen möglich.

Reto Zanettin
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