Aufwind statt Rezession: Die US-Wirtschaft hat ihr Wachstum im Sommerquartal trotz stark gestiegener Zinsen mehr als verdoppelt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Juli bis September aufs Jahr hochgerechnet um 4,9 Prozent zu, wie das US-Handelsministerium am Donnerstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Das ist die grösste Steigerungsrate seit knapp zwei Jahren. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem Plus von 4,3 Prozent gerechnet, nachdem es im Frühjahr nur zu einem Wachstum von 2,1 Prozent gereicht hatte. Von der angesichts hoher Zinsen erwarteten Rezession ist damit bislang nichts zu sehen. Entwarnung geben Ökonomen allerdings noch nicht.

«Aufgeschoben ist nicht aufgehoben», warnte LBBW-Ökonom Dirk Chlench. «Der Gegenwind für die US-Wirtschaft wird immer stärker.» So seien die Hypothekenzinsen nach oben geschossen, während der Aktienmarkt schwächele und die Banken ihre Kriterien für die Kreditvergabe verschärften. Auch müssten 40 Millionen US-Bürger wieder ihre Studentenschulden begleichen, während der starke Dollar und die schwache Weltkonjunktur die Exportwirtschaft belaste. «All dies zusammengenommen sollte auch den riesigen Wirtschaftstanker USA vom Kurs abbringen», sagte Chlench. Er rechne daher nach wie vor damit, dass die weltgrösste Volkswirtschaft 2024 in eine Rezession abgleiten werde.

Swift, Beyonce und Barbenheimer

Zum guten Abschneiden im abgelaufenen Quartal trugen die Verbraucher bei, die ihren Konsum um 4,0 Prozent steigerten - nach lediglich 0,8 Prozent im vorangegangenen Vierteljahr. Die privaten Konsumausgaben, die mehr als zwei Drittel zur Wirtschaftsleistung beitragen, werden vom robusten Arbeitsmarkt und steigenden Löhnen angeschoben. Letztere wuchsen zuletzt schneller als die Verbraucherpreise, wodurch die Kaufkraft zulegte.

«Der private Konsum wird auch noch von Sondereffekten befördert», sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Der Hype um die Tourneen der Popstars Taylor Swift und Beyoncé mit Millionen Besuchern sowie um die Kassenschlager «Barbenheimer» - zusammengesetzt aus den Filmen «Barbie» und «Oppenheimer» - hätten der Wirtschaft kräftigen Auftrieb verliehen. «Man könnte auch sagen: Taylor Swift rockte das Wachstum im dritten Quartal», sagte Gitzel. Die Blockbuster-Filme und die Tourneen der Megastars hätten etwa 8,5 Milliarden Dollar zum Wachstum beigesteuert.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) erhöhte gerade erst seine Wachstumsprognosen für die weltgrösste Volkswirtschaft. Demnach soll es 2023 insgesamt ein Plus von 2,1 Prozent geben, das im kommenden Jahr auf 1,5 Prozent nachlassen soll. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) bekämpft die hohe Inflation mit einer straffen geldpolitischen Linie. Sie hat ihre Zinsen seit Anfang 2022 von nahe null auf eine Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent gehievt, um ihrem Ziel einer Teuerungsrate von zwei Prozent näherzukommen.

(Reuters)