«Ich denke, wir steuern auf einen »Shutdown« zu», sagte US-Vizepräsident JD Vance nach einem ergebnislosen Treffen von Präsident Donald Trump mit Vertretern der oppositionellen Demokraten im Weissen Haus. Beide Seiten gaben sich nach dem Gespräch gegenseitig die Schuld für den Fall, dass der Kongress die Finanzierung der Regierungsbehörden nicht über die Frist am Dienstag um Mitternacht Ortszeit (Mittwoch 06.00 Uhr MESZ) hinaus verlängert.

Sollte der Kongress nicht handeln, droht Hunderttausenden Bundesbediensteten der Zwangsurlaub. Eine Vielzahl von Dienstleistungen könnte unterbrochen werden, von der Finanzaufsicht über die Weltraumbehörde Nasa bis zur Müllabfuhr in den Nationalparks. Auch Bundesgerichte könnten schliessen.

Seit 1981 kam es zu 14 teilweisen Regierungsstillständen, die meist nur wenige Tage dauerten. Der jüngste war zugleich der längste: Er dauerte 2018/2019 insgesamt 35 Tage. Grund dafür war ein Einwanderungsstreit während Trumps erster Amtszeit.

Die jetzige Auseinandersetzung kreist darum, dass die Demokraten eine Verlängerung der Finanzierung der Regierungsbehörden an den Verbleib auslaufender Gesundheitsleistungen knüpfen. Trumps Republikaner bestehen jedoch darauf, das Thema getrennt zu behandeln. Der Anführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, sagte, beide Seiten hätten nach wie vor «sehr grosse Differenzen».

Laut einer Mitteilung des US-Arbeits- und des US-Handelsministeriums würden bei einem Shutdown die Statistikbehörden der Regierung die Veröffentlichung wichtiger Wirtschaftsdaten einstellen. Damit wächst bei Investoren die Sorge, dass der für Freitag erwartete monatliche Arbeitsmarktbericht nicht wie geplant erscheint. Dies könnte für Unsicherheit an den Märkten und auch bei der US-Notenbank Federal Reserve vor ihrer nächsten Zinsentscheidung sorgen. «Ein Shutdown ist ein absehbares Ereignis, wie ein Autounfall in Zeitlupe, dem wir alle zusehen», sagte Callie Cox, Chef-Marktstrategin bei Ritholtz Wealth Management. Ein 16-tägiger Regierungsstillstand im Jahr 2013 hatte die Veröffentlichung des Arbeitsmarktberichts um fast drei Wochen verzögert.

An den Finanzmärkten wird fest mit einer Zinssenkung der Fed um einen Viertel-Prozentpunkt am 29. Oktober gerechnet. Die Notenbank soll mit ihrer Geldpolitik für stabile Preise sorgen und Vollbeschäftigung fördern. Beim Abstecken des Zinspfads achtet sie dabei auf wichtige Konjunkturdaten, wie etwa zur Beschäftigung. Der Arbeitsmarkt hatte zuletzt Schwäche gezeigt, was die Zentralbank mit dazu bewog, die Zinsen erstmals im laufenden Jahr zu senken.

Laut dem Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, Cyrus de la Rubia, hängt das Ausmass der wirtschaftlichen Auswirkungen einer Haushaltssperre in den USA vor allem von der Dauer eines Shutdowns ab. «Schätzungen über die möglichen Verluste bewegen sich zwischen zwei bis sechs Milliarden Dollar pro Woche, was bei wenigen Wochen gerechnet auf die jährliche Wirtschaftsleistung von knapp 30 Billionen Dollar praktisch nicht sichtbar ist.» Für die betroffenen Menschen und Unternehmen dürfte eine Haushaltsperre durchaus spürbar sein: «Wenn rund 800.000 Menschen aus dem Staatsdienst in den Zwangsurlaub geschickt werden oder vorübergehend ohne Lohnauszahlung arbeiten müssen, werden diese Menschen sich in der Regel einschränken.» Hinzu komme, dass die Drohung der Republikaner im Raum stehe, dass im Falle eines Shutdowns eine grosse Zahl der Menschen, die in den Zwangsurlaub geschickt würden, ganz entlassen werden könnten.

Der letzte Shutdown 2018/2019 kostete die Wirtschaft der USA laut dem Congressional Budget Office rund drei Milliarden Dollar, was 0,02 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht. Dieses Mal würde ein längerer Shutdown womöglich noch mehr Turbulenzen verursachen, da Trumps Handelskriege und Auseinandersetzungen mit der Notenbank bereits für Unsicherheit in der Weltwirtschaft gesorgt haben.

(Reuters)