Der Druck sei grösser als bei früheren Verhandlungen und umfasse auch die Drohung, die Lieferung von Waffen und Geheimdienstinformationen einzustellen, sagen zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Die USA wollten, dass die Ukraine bis zum kommenden Donnerstag eine entsprechende Vereinbarung unterzeichne, sagt ein Insider.
Der von den USA vorangetriebene Friedensplan für die Ukraine stösst in Kiew und bei wichtigen europäischen Partnern allerdings auf eine zurückhaltende Reaktion. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte den Erhalt des Plans, äusserte sich jedoch nicht direkt zu dessen Inhalt. Das russische Präsidialamt erklärte sich grundsätzlich zu Verhandlungen bereit, hat nach eigenen Angaben vom Freitag aber noch keine offiziellen Informationen. In Berlin sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius, die Bundesregierung strebe einen gerechten und dauerhaften Frieden an. Der US-Plan enthalte Elemente, die in dieser Hinsicht zielgerichtet seien.
«Unsere Teams – die Ukraine und die USA – werden an den Punkten des Plans zur Beendigung des Krieges arbeiten», schrieb Selenskyj auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. «Wir sind zu einer konstruktiven, ehrlichen und schnellen Arbeit bereit.» Der ranghöchste Sicherheitsberater Selenskyjs, Rustem Umerow, dementierte Angaben aus US-Regierungskreisen, den Grundzügen des Plans zugestimmt zu haben. Er habe die Bedingungen des Plans weder diskutiert noch gebilligt, teilte Umerow auf Telegram mit.
Die unveränderlichen Prinzipien für die Regierung in Kiew seien «Souveränität, die Sicherheit der Menschen und ein gerechter Frieden». Der Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates fügte hinzu: «Wir prüfen sorgfältig alle Vorschläge unserer Partner und erwarten die gleiche angemessene Haltung gegenüber der Position der Ukraine.»
Der Kreml zeigte sich grundsätzlich offen für Verhandlungen über den US-Friedensplan, hatte nach eigenen Angaben aber zunächst noch nichts Offizielles dazu erhalten. Die beiden Länder diskutierten die Vorschläge noch nicht im Detail, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Die russischen Fortschritte auf dem Schlachtfeld schränkten den Entscheidungsspielraum des ukrainischen Präsidenten Selenskyj ein. Die Regierung in Kiew solle jetzt eine «verantwortungsvolle Entscheidung» treffen, fügte Peskow hinzu. Man sei aber auch noch nicht darüber informiert worden, dass die Ukraine bereit sei, über den Plan zu verhandeln.
Viele der Hauptforderungen Russlands unterstützt
Regierungssprecher Kornelius sagte, Deutschland und die europäischen Partner seien in die Weiterentwicklung des US-Plans eingebunden. Die USA hätten die Europäer eingeladen, ihre Interessen zu formulieren und diese einzubringen. Die Souveränität der Ukraine müsse gewahrt und deren Sicherheitsinteressen müssten berücksichtigt werden. Den 28-Punkte-Plan der USA habe die Bundesregierung zur Kenntnis genommen, kommentieren wolle er das Papier weiter nicht. Bundeskanzler Friedrich Merz werde sich eng mit der Regierung in Kiew und den europäischen Partnern abstimmen. Als Basis für das weitere Vorgehen sehe die Bundesregierung, dass die jetzige Front Ausgangspunkt der Gespräche werde und dass die Ukraine auch langfristig in der Lage sein müsse, sich zu verteidigen.
Dem von der Nachrichtenagentur Reuters eingesehenen 28-Punkte-Plan zufolge würden die USA viele der Hauptforderungen Russlands unterstützen. Die Ukraine müsste zusätzliches Territorium aufgeben, die Grösse ihres Militärs auf 600.000 Soldaten begrenzen und die Hoffnung auf einen Beitritt zur Nato für immer aufgeben. Zudem sieht der Plan vor, dass die Ukraine sich aus Gebieten zurückzieht, die sie in den von Russland beanspruchten Ostprovinzen noch kontrolliert. Die Krim sowie die Regionen Luhansk und Donezk würden von den USA de facto als russisch anerkannt. Im Gegenzug würde Russland kleinere eroberte Gebiete in anderen Regionen aufgeben. Ukrainische Vertreter hatten ähnliche Bedingungen in der Vergangenheit als Kapitulation bezeichnet. Die Hauptforderungen der Ukraine – durchsetzbare Sicherheitsgarantien – wird in dem Plan nur vage in einer einzigen Zeile erwähnt.
Bundesaussenminister Johann Wadephul äusserte sich in Brüssel erneut zurückhaltend zu dem US-Vorstoss. «Ich bewerte den nach wie vor so, dass es eine Auflistung der Themen ist, die dringend besprochen werden müssen zwischen der Ukraine und Russland», sagte Wadephul. Es sei aber kein abschliessender Plan. Er begrüsse die Initiative der USA grundsätzlich. Für Deutschland wie für Europa gelte aber: «Wir stärken der Ukraine den Rücken», betonte der Minister. «Wir wollen dafür sorgen, dass die Ukraine aus einer starken Verhandlungsposition über diese Punkte sprechen kann.» Die Regierung in Kiew müsse letztlich entscheiden, welche Kompromisse sie eingehen wolle. «Wir sind hier nicht Schiedsrichter, aber wir sind Anwalt der Ukraine, denn die Ukraine verteidigt ihre Freiheit und die Freiheit Europas.»
Die Sprecherin des Weissen Hauses, Karoline Leavitt, sagte, der Plan sei ausgearbeitet worden, «um die Realitäten der Situation nach fünf Jahren eines verheerenden Krieges widerzuspiegeln und das beste Win-Win-Szenario zu finden, bei dem beide Parteien mehr gewinnen als sie geben müssen». Aussenminister Marco Rubio und der US-Sondergesandte Steve Witkoff hätten etwa einen Monat lang im Stillen an dem Plan gearbeitet. Präsident Donald Trump unterstütze den Plan.
(Reuters)
