US-Präsident Joe Biden ist zu einem Besuch in Mexiko eingetroffen. Ein zentrales Thema ist die illegale Einwanderung aus Mittel- und Südamerika sowie den Karibikstaaten über die gemeinsame Grenze der beiden Nachbarn in die USA. Das Thema ist in den vergangenen Monaten hochgekocht, denn die USA erleben seit geraumer Zeit einen beispiellosen Ansturm von Migranten. Zahlreiche US-Gemeinden und Städte entlang der mehr als 3000 Kilometer langen Grenze schlagen mittlerweile Alarm.

Biden steckt in der Zwickmühle. Denn einerseits sieht er sich mit Forderungen konfrontiert, die illegale Einwanderung einzudämmen. Andererseits wird von einem nicht unerheblichen Teil seiner Anhängerschaft erwartet, dass er wie versprochen endlich eine echte Neuausrichtung der Einwanderungspolitik auf den Weg bringt, ohne humanitäre Aspekte zu vernachlässigen. Die Problematik zählt jedoch zu den heissesten Eisen in der US-Politik. Mehrere Reformversuche scheiterten in den vergangenen Jahrzehnten, da Demokraten und Republikaner einfach keinen wirklichen gemeinsamen Nenner finden und häufig sich auch intern nicht einig sind.

Wie groß der Ansturm auf die USA derzeit ist, zeigen Daten der US-Grenzschutzbehörde. Allein im Haushaltsjahr 2022, also in den zwölf Monaten von Oktober 2021 bis Ende September 2022, wurden 2,2 Millionen Festnahmen an der US-mexikanischen Grenze verzeichnet. Das ist ein Rekord - auch wenn in der Statistik Migranten auftauchen, die im besagten Zeitraum mehrere Versuche unternahmen, die Grenze zu überqueren, und dabei wiederholt aufgegriffen wurden.

Auch im ersten Jahr nach Bidens Amtsantritt im Januar 2021 wurde bereits ein drastischer Anstieg registriert. Experten zufolge knüpfen viele Migranten an den Demokraten die Hoffnung, wieder leichter in die USA gelassen zu werden, nach der restriktiven Handhabung während der Präsidentschaft von Bidens Vorgänger Donald Trump. Der Republikaner stand für einen harten Anti-Einwanderungskurs und nannte das Thema oft in einem Atemzug mit der Bekämpfung des Drogenschmuggels.

Umstrittene Regelung

Unter Trump wurde im März 2020, also mit Beginn der Corona-Pandemie, die umstrittene Regelung "Title 42" erlassen: Sie erlaubt es, unter Verweis auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit Migranten direkt an der Grenze umgehend abzuweisen mit der Begründung, dass dies der Eindämmung der Pandemie diene. Inzwischen halten Gesundheitsexperten die Regelung angesichts des Nachlassens der Corona-Krise nicht mehr für nötig.

Bürgerrechtler lehnen sie ohnehin ab, da sie ihrer Auffassung nach ermöglicht, Asylsuchende ohne rechtliches Verfahren pauschal abzuweisen. Viele Migranten rechneten damit, dass die Regelung Ende 2022 abgeschafft würde, was vermutlich dazu führte, dass sich noch einmal mehr Menschen auf den Weg zur US-Grenze machten. Der Oberste Gerichtshof hielt die Regelung im Dezember jedoch vorerst aufrecht. Sie kommt daher weiter zur Anwendung.

Faktisch verhindert "Title 42", dass Migranten in den USA einen Asylprozess in Gang setzen können. Denn durch ihre umgehende Abschiebung noch an der Grenze kommen sie gar nicht erst dazu, den Einwanderungsbehörden ihr Anliegen formell vorzutragen. Migranten, die es jedoch auf US-Boden schaffen, haben das Recht, Asyl zu beantragen. Das gilt auch dann, wenn sie illegal über die Grenze gelangen und sich anschliessend den Grenzschützern stellen.

Die Asylsuchenden müssen beweisen, dass sie aufgrund ihrer Religion, Nationalität, Hautfarbe, politischen Meinung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in ihrer Heimat verfolgt wurden oder dass sie von Verfolgung bedroht sind. Eine Zusage zu erhalten, kann mitunter jedoch Jahre dauern. Das Asylverfahren ist kompliziert, langwierig und die Gerichte kommen mit dem Abarbeiten der Anträge kaum hinterher.

Bei Migranten, die nicht auf Basis von "Title 42" abgeschoben werden können, kommt die Regelung "Title 8" zur Anwendung. Sie können in Gewahrsam genommen werden. Es ist aber auch möglich, sie in die USA zu entlassen, während ihr Einwanderungsverfahren anhängig ist. Asylbewerber sind berechtigt, eine Arbeitserlaubnis zu beantragen, solange sie an Gerichtsanhörungen und anderen Einwanderungskontrollen teilnehmen. Einige müssen elektronischen Überwachungsmaßnahmen zustimmen, wie etwa dem Tragen von Fußfesseln. Werden eine Anhörung versäumt oder ein Antrag abgelehnt, droht die Abschiebung.

Zweigleisige Strategie

Vergangenes Jahr liessen die damaligen republikanischen Gouverneure von Texas und Arizona tausende Migranten in Bussen von der Grenze in nördliche US-Städte wie New York und Washington bringen. Zum einen wollten sie so nach eigener Darstellung den Druck von den Grenzgemeinden nehmen. Zum anderen sollte Biden und seinen Demokraten, die für eine liberalerer Einwanderungspolitik stehen, eine politische Botschaft geschickt werden.

Biden selbst fährt inzwischen eine zweigleisige Strategie. Einerseits verschärfte er angesichts der angespannten Lage jüngst sein Vorgehen. Neue Massnahmen seiner Regierung sehen unter anderem vor, Migranten konsequent abzuschieben, wenn sie auf dem Landweg versuchen, in die USA zu kommen. An die Migranten gerichtet sagte er: "Tauchen Sie nicht einfach an der Grenze auf. Bleiben Sie, wo Sie sind, und stellen sie von dort einen legalen (Einreise-) Antrag."

Andererseits will der Präsident die formelle Beantragung von Asyl erleichtern. Zudem hat seine Regierung zugesagt, monatlich bis zu 30.000 Migranten aus Kuba, Haiti, Nicaragua und Venezuela unter bestimmten Voraussetzungen die Einreise per Flugzeug zu erlauben.

(Reuters)