US-Vizepräsident Vance wirft europäischen Regierungen vor, die Demokratie einzuschränken und Angst vor der eigenen Bevölkerung zu haben. In seiner gut 18-minütigen Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz verzichtete Vance am Freitag weitgehend auf die erwarteten Forderungen nach höheren Verteidigungsausgaben und konzentrierte sich fast ausschliesslich auf angebliche Demokratiedefizite. In Anspielung auf die AfD sagte er: «Es gibt keine Berechtigung für Brandmauern.» Zuvor hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Regierung von US-Präsident Donald Trump aufgefordert, damit aufzuhören, alle Regeln zu brechen. «Selbst die Stärksten, auch die USA, werden in diesem 21. Jahrhundert auf Bündnispartner angewiesen sein.» Demokratie sei kein beliebiges Geschäftsmodell.
Vance selbst hatte am Freitagvormittag bei einem Treffen mit Steinmeier noch erklärt, dass «Deutschland ein grossartiger Verbündeter der USA» sei. Auch CDU-Chef Friedrich Merz sagte nach einem Treffen mit Vance, dass beide «die besondere Bedeutung der transatlantischen Beziehungen bekräftigt» hätten. Er habe vorgeschlagen, «dass als vertrauensbildende Massnahme vor Beginn der Gespräche mit Russland ein Waffenstillstand in der Ukraine vereinbart werden sollte», schrieb Merz auf X.
«Die Redefreiheit in Europa ist auf dem Rückzug»
Teil der Botschaften des Vertreters von Trump war auch ein Interview im «Wall Street Journal», in dem er die Zusammenarbeit mit der AfD und den Stopp der «Massenmigration» fordert. Die neue US-Regierung und ihr Berater, der umstrittene Milliardär Elon Musk, unterstützen rechtsgerichtete Regierungen und Parteien in Europa. Kritik an diesem Kurs weisen sie als undemokratisch zurück. Vance nannte in seiner Rede etwa angebliche Demokratie-Defizite in Ländern wie Grossbritannien oder Schweden. «Die Redefreiheit in Europa ist auf dem Rückzug», sagte er. Tatsächlich gelten aus historischen Gründen seit Jahrzehnten unterschiedliche Regelungen auf beiden Seiten des Atlantiks: In den USA ist beispielsweise offene Nazi-Werbung anders als in Deutschland mit seiner Verantwortung für den Holocaust erlaubt.
Vance bekam auf der Sicherheitskonferenz kaum Applaus von den normalerweise transatlantisch ausgerichteten Zuhörern in München. Anders als der chinesische Aussenminister Wang Yi erlaubte der US-Vizepräsident zudem keine Fragen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) betonte in Anspielung auf die Ablehnung einer Koalition aller Parteien mit der vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuften AfD, dass man in Deutschland schon selbst über Koalitionen entscheide.
Der US-Vizepräsident spielte den Einfluss Russlands auf Wahlen herunter. «Sie können glauben, dass es falsch ist, wenn Russland Werbung in den sozialen Medien kauft, um Ihre Wahlen zu beeinflussen», sagte er. «Aber wenn Ihre Demokratie mit ein paar hunderttausend Dollar digitaler Werbung aus einem fremden Land zerstört werden kann, dann war sie von Anfang an nicht sehr stark.» Er kritisierte, dass in Rumänien Präsidentschaftswahlen wegen angeblicher russischer Einflussnahme annulliert worden waren. Sicherheitsbehörden aus den USA und Europa haben dagegen über Jahre gewarnt, dass Russland Wahlen in westlichen Demokratien beeinflusse, um ihnen genehme Parteien zu fördern.
Die eigentlich erwartete Auseinandersetzung über die Ukraine-Politik fand nicht statt. «Während die Trump-Administration sehr besorgt über die europäische Sicherheit ist, glauben wir, dass wir zu einer vernünftigen Lösung zwischen Russland und der Ukraine kommen können», sagte Vance nur. «Und wir glauben auch, dass es für Europa in den kommenden Jahren wichtig ist, in grossem Umfang für seine eigene Verteidigung zu sorgen.»
Steinmeier mahnt: Auch die USA brauchen künftig Verbündete
Europäische Regierungen hatten bereits in den vergangenen Tagen den Kurswechsel der US-Politik unter Präsident Trump kritisiert. Der Vorstoss für Verhandlungen mit Russland über die Ukraine erfolgte ohne Abstimmung mit europäischen- und Nato-Partnern. Trump hat zudem Irritationen mit Gebietsansprüchen von Grönland bis zum Gazastreifen ausgelöst. Die Europäer seien sehr wichtige Verbündete, betonte Vance in München, fügte aber hinzu: «Wir glauben auch, dass es wirklich wichtig ist, zu erkennen, dass Europa in Zukunft eine grössere Rolle für seine eigene Sicherheit übernehmen muss. Und natürlich wird Deutschland als grösste Volkswirtschaft in Europa dabei eine wichtige Rolle spielen.»
Bundespräsident Steinmeier äusserte sich seinerseits besorgt über die Entwicklung der Demokratie in den USA. «Als Demokrat macht es mir grösste Sorge, wenn eine kleine unternehmerische Elite die Macht, die Mittel und den Willen hat, einen wesentlichen Teil der Spielregeln liberaler Demokratien neu zu bestimmen», warnte er. «Und erst recht macht mir Sorge, wenn einige aus dieser Elite aus ihrer Verachtung für Institutionen und Normen unserer Demokratie keinen Hehl machen.»
In München haben sich 60 Staats- und Regierungschefs sowie 150 Minister angemeldet. Bundeskanzler Olaf Scholz wird am Samstag erwartet.
(Reuters/cash)
5 Kommentare
US-Vizepräsident Vance hat es auf den Punkt gebracht und jetzt kann man ja mal darüber nachdenken, anstatt immer im gleichen "Hamsterrad" weitermachen und nichts passiert.
Vance und Trump sollen zuerst ihr Land in Ordnung bringen.
Der eindruck dieser rede zeigt, er macht sich mehr sorgen über die innere sicherheit europas. Zum beispiel: warum hat die englische regierung ihre goldvoräte in die USA transportiert?? Ist europa nicht mehr sicher?? Drohen aufstände oder sonstige unruhen hier?
Gold wurde aus rein kommerziellen Gründen und nicht aus sicherheitspolitischen Uberlegungen verschoben.
Vance hat gar nichts zu sagen, er ist nur das Sprachrohr. DT hat es anlässlich einer Pressekonferenz klar zum Ausdruck gebracht, dass Vance nicht sein Nachfolger sein wird - dies ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Welche Gedanken dahinter stecken, kann ich nur vermuten.
Die USA ist ja inzwischen eine Vorzeige Demoktie.