Die Bundesregierung zieht bei der Bahn die Notbremse und löst den Vertrag mit dem langjährigen Konzernchef Richard Lutz vorzeitig auf. «Die Lage bei der Bahn ist dramatisch», sagte Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder am Donnerstag in Berlin. Es sei Zeit für eine Neuaufstellung - sowohl strukturell als auch personell, erklärte der CDU-Politiker nach Gesprächen mit Bahn-Aufsichtsratschef Werner Gatzer und Lutz selbst. Deshalb habe man sich darauf geeinigt, den noch bis 2027 laufenden Vertrag des Bahnchefs vorzeitig einvernehmlich zu beenden. Lutz bleibe im Amt, bis seine Nachfolge geregelt sei. Er ist seit März 2017 Vorstandschef und war zuvor bereits sieben Jahre Finanzvorstand der DB AG.

Schnieder will am 22. September seine «Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene» vorstellen - also Eckpunkte zur Reform der Deutschen Bahn. «Ich habe immer gesagt: erst die Strategie, dann das Personal», betonte der CDU-Politiker. «Unser Konzept steht in den Grundzügen, jetzt gilt es, die passende Person zu finden, die es umsetzt.» Für diesen Auswahlprozess gelte «Gründlichkeit und Sorgfalt vor Schnelligkeit». Im Idealfall könne man bereits am 22. September eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für Lutz präsentieren, sagte Schnieder.

Bahn soll pünktlicher und Konzern schlanker werden

Zur Strategie betonte der Minister: «Die Bahn muss pünktlich, sicher und sauber sein, der Konzern muss schneller, schlanker, schlagkräftiger und auch wirtschaftlicher werden.»

Schnieder dankte Lutz für sein «grosses Engagement in schwierigen Zeiten bei der Bahn» - «ich bin mir sicher, dass er auch in den verbleibenden Wochen alles für die Schiene geben wird.» Der Aufsichtsratsvorsitzende Gatzer erklärte, Lutz habe der Bahn viele Impulse gegeben.

Zuletzt gab es allerdings zunehmend Kritik an dem Manager - nicht zuletzt wegen der anhaltenden Unpünktlichkeit der Züge. Die Bahn steckt mitten in einem enormen Sanierungsprozess. Dieser dürfte rund ein Jahrzehnt dauern und für Reisende zu vielen Einschränkungen führen.

GDL begrüsst Entlassung - «richtig und unumgänglich»

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) begrüsste am Abend den Schritt. «Die Entlassung von Herrn Lutz war eine notwendige Konsequenz des jahrelangen Missmanagements, das die Deutsche Bahn immer tiefer in die derzeitige Krise geführt hat», erklärte der GDL-Bundesvorsitzende Mario Reiss. «Diese Entscheidung war richtig und unumgänglich.» Jedoch sei es mit einem reinen Austausch der Führungsperson nicht getan, hiess es weiter. Die Probleme der Bahn erforderten umfassendere und nachhaltige Massnahmen. Dazu gehörten insbesondere die Sanierung und Entflechtung der Finanzströme, die Modernisierung der Infrastruktur sowie eine grundlegende Reform der Unternehmensstruktur.

Die Opposition warf der Regierung vor, sie simuliere Handeln, statt wirklich zu handeln. «Dass DB-Chef Lutz gehen wird, macht nichts besser», erklärte Grünen-Verkehrsexperte Matthias Gastel. «Was es braucht, ist eine stärkere Kontrolle und Steuerung des Unternehmens durch den Bund.» Dafür nötig sei eine auskömmliche und verlässliche Finanzierung der Infrastruktur. Die Pläne der Koalition von Union und SPD seien hier aber nicht ausreichend.

Die Wettbewerber der Bahn, der Verband der Güterbahnen, betrachten den Abschied von Lutz als Chance für einen nötigen Kurswechsel.

Der Konzern sieht sich derweil nach einer deutlichen Ergebnisverbesserung im ersten Halbjahr auf Kurs zu operativ schwarzen Zahlen in diesem Jahr. Dafür ist allerdings ein noch besseres zweites Halbjahr nötig. Denn in den ersten sechs Monaten fiel vor Steuern und Zinsen ein Betriebsergebnis von minus 239 Millionen Euro an, wie das Unternehmen Ende Juli mitgeteilt hatte. 

(Reuters)