Im US-Präsidentschaftswahlkampf steht das erste TV-Duell der beiden Spitzenbewerber an. Für Amtsinhaber Joe Biden von der Demokratischen Partei und seinen Herausforderer, den Republikaner Donald Trump, bietet sich damit insbesondere die Chance, unentschiedene Wähler zu überzeugen. Bei der Wahl am 5. November dürfte es auf jede Stimme ankommen, denn in Umfragen liegen die Kandidaten praktisch gleichauf. Ausrichter der Debatte in Atlanta ist der Fernsehsender CNN. Der Schlagabtausch startet nach deutscher Zeit um 03.00 Uhr in der Nacht zum Freitag. Es folgen einige Punkte, auf die es bei der Debatte ankommen dürfte:

Eine Frage des Alters - und der Eignung

Wie geeignet sind Biden oder Trump für das Präsidentenamt? Diese Frage steht mehr noch als bei anderen Wahlen im Mittelpunkt, denn ein ganz zentrales Thema ist das Alter der beiden Kontrahenten: Biden ist 81, Trump 78. Noch nie in der US-Geschichte sind zwei Bewerber in solch fortgeschrittenem Alter gegeneinander angetreten.

Vor allem Biden steht hier im Fokus, weil er nach Auffassung von Kritikern gebrechlicher wirkt als Trump. Die Zuschauer dürften besonders auf seine Äusserungen und Gesten achten. Viele Beobachter sind der Meinung, dass Biden langsamer geworden ist. Auch verweisen sie auf den einen oder anderen rhetorischen Ausrutscher und Verwechselungen. Trump verspottet Biden auf seinen Kundgebungen regelmässig als senilen Greis, der den Aufgaben eines Präsidenten nicht gewachsen sei. Unterstützer des Amtsinhabers, der sich als Kind beibrachte, sein Stottern in den Griff zu bekommen, entgegnen, dass er so scharfsinnig und schlagfertig sei wie eh und je.

Das ungestüme Temperament

Der kräftiger wirkende Trump sieht sich mit erheblich weniger Kommentaren in Bezug auf seine körperliche Fitness konfrontiert, obwohl er nur wenige Jahre jünger ist. Allerdings ist auch er durch lange Ausschweifungen und Verwechselungen aufgefallen. Biden wirft ihm vor, verwirrt und entrückt zu sein. Vor allem aber spricht er Trump die Eignung als Präsident ab, weil er in ihm eine Gefahr für demokratische Normen und Werte sieht. Als Beleg führt er Trumps Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 an. Damals wollten Anhänger Trumps die offizielle Bestätigung von Bidens Wahlsieg verhindern. Aber auch die anderen Versuche, den Ausgang von 2020 zu kippen, kann Biden als Munition gegen seinen Rivalen nutzen - ebenso wie den Schuldspruch im Prozess rund um eine Schweigegeldzahlung an den Pornostar Stormy Daniels.

Beide Kandidaten sind für ihr Temperament und ihre Ungeduld bekannt. Sie sind es gewohnt, die Bühne zu beherrschen und ihren Willen durchzusetzen. Beide waren bereits Präsident und sehen wahrscheinlich wenig Grund, dem anderen nachzugeben. «Es gibt viel böses Blut», sagt Tevi Troy, der 2004 dem damaligen Präsidenten George W. Bush bei der Debatten-Vorbereitung half. Im ersten Duell 2020 gelang es Biden, Trump aus dem Konzept zu bringen. Der damalige Amtsinhaber gab in den Augen vieler Zuschauer keine gute Figur ab, unterbrach Biden ständig und zankte sich mit dem Moderator.

Diesmal muss der oft rüpelhaft auftretende Trump vorsichtig sein, Wähler in der politischen Mitte nicht zu verschrecken, sagten die Experten. «Trump muss präsidial erscheinen», sagt Debatten-Experte Aaron Kall von der University of Michigan. Trump könnte versuchen, Biden aus der Fassung zu bringen mit Anspielungen auf die juristischen Probleme von dessen Sohn Hunter, der jüngst in einem Prozess wegen falschen Angaben beim Waffenkauf schuldig gesprochen wurde. Der Präsident ist jedoch darin geübt, solche Kommentare abzuwehren.

Narrative Fallstricke

Trump ist dafür bekannt, seine Ausführungen mit Unwahrheiten und Prahlereien auszuschmücken. Doch auch Biden gibt auf dem Wahlkampfpodest gelegentlich Übertreibungen zum Besten. Für die Kandidaten könnte es beim TV-Duell schwierig werden, wenn sie versuchen, die Angaben des anderen zu korrigieren. «Man hat nur begrenzt Zeit», gibt Troy zu Bedenken. «Und man muss seine eigenen Punkte rüberbringen.»

Für Biden könnte es verführerisch sein, Trumps Verurteilung in dem Schweigegeldprozess zum Thema zu machen. Allerdings könnte das auch nach hinten losgehen, wenn Zuschauer dadurch Trumps ungedeckte Behauptung bestätigt sehen, dass Biden angeblich etwas mit der Anklageerhebung zu tun hatte. Für Trump wiederum liegt die Gefahr darin, dass er etwas sagt, was dem von Biden vorgetragenen Argument in die Hände spielt, wonach sein Amtsvorgänger eine Gefahr für die Demokratie ist.

Kein Studio-Publikum

Trump könnte auch versucht sein, sich abermals als Opfer einer politischen Verschwörung darzustellen. Doch bei unentschiedenen Wählern ziehe das nicht, meint Brett O’Donnell, ein altgedienter Debatten-Berater der Republikaner. «Die Leute interessieren sich nicht für die Probleme des Kandidaten, sie interessieren sich für ihre eigenen Probleme.» Politik-Experten empfehlen, dass die Kandidaten Themen wie hohe Lebenshaltungskosten betonen, um zu zeigen, dass sie verstehen, was die Wähler umtreibt.

Anders als bei früheren TV-Duellen ist diesmal im Studio kein Publikum zugelassen. Ein Echtzeit-Feedback darüber, wie die Argumente der Redner ankommen, wird es also nicht geben. Das Format könnte für beide Kandidaten ein Nachteil sein, aber womöglich vor allem für Trump, der aus öffentlichen Auftritten oft besonders Energie schöpft. Auch soll das Mikrofon eines Kandidaten nur dann freigeschaltet werden, wenn er tatsächlich an der Reihe ist, um Unterbrechungsversuchen vorzubeugen.

(Reuters)