Bei Volkswagen sprudelt der Gewinn. "Wir verdienen so viel wie nie – trotz Halbleiter-Mangel und stockenden Lieferketten", sagte Konzernchef Herbert Diess am Dienstag auf einer Belegschaftsversammlung in Wolfsburg. Der seit vielen Monaten anhaltende Engpass an elektronischen Bauteilen entspanne sich endlich. "Wir fahren unsere Volumen hoch, nicht nur in Deutschland, sondern vor allem auch in China." Angesichts der Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg und den Sorgen vor einer Wirtschaftskrise werde der Konzern die Produktion aber vorsichtig wieder steigern, "nicht blind auf 100 Prozent Auslastung gehen".

Volkswagen sehe sich auch gut vorbereitet für das auf europäischer Ebene diskutierte Aus von Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035. "Es kann kommen – wir sind am besten vorbereitet", sagte Diess. Die Wolfsburger haben nach dem Dieselskandal vor bald sieben Jahren als einer der ersten traditionellen Autobauer mit dem Schwenk in die Elektromobilität begonnen und investieren dafür viele Milliarden Euro. Ziel ist ein Konzern, der neben dem Verkauf von Autos in einigen Jahren sein Geld vor allem mit Mobilitätsdienstleistungen verdient.

Einigkeit bei Software

Nach wochenlangen Spekulationen über ein Scheitern der Tochter Cariad, einem Kernprojekt von Volkswagen für den Wandel zu einem Software-gestützten Autokonzern - gab Diess die Einigung auf ein gemeinsames Konzept bekannt. Demnach soll sich Audi gemeinsam mit Cariad auf die Entwicklung der Software 1.2 für die kommenden Elektroversionen des Porsche Macan und des Audi Q6 konzentrieren. Die Fahr-Assistenzsystem will Volkswagen ein paar Jahre länger bis Mitte des Jahrzehnts parallel entwickeln und nimmt dafür Kosten von einer halben Milliarde Euro in Kauf. "Ab Mitte, Ende des Jahrzehnts führen wir die Entwicklungen dann in der 2.0 zusammen", erläuterte Diess vor der Belegschaft. Den ersten Zuschlag für die prestigeträchtige, weil aufs autonome Fahren nach Level 4 ausgerichtete Softwareversion 2.0 bekommt damit die Hauptmarke VW. Deren Trinity-Projekt erhält so einen zeitlich Vorsprung vor Audi. Darüber hatte Reuters bereits unter Berufung auf Insider berichtet.

Diess betonte, die Fahr-Assistenzsysteme einige Jahre parallel zu entwickeln ändere nichts am Ziel einer einheitlichen Softwareplattform für alle Marken des Konzerns. "Ich freue mich sehr, dass wir hier sehr grosse Einigkeit über alle im Vorstand, im Aufsichtsrat und im Betriebsrat haben." Das Thema steht laut Insidern am 8. Juli auf der Tagesordnung des Aufsichtsrats.

Diess nutzte die nach vielfachem Zwist erreichte Einigkeit auch, um sich von Tesla abzuheben. Während Volkswagen Fahrt aufnehme, schwächele der US-Elektroautopionier, sagte er. "Elon muss gleichzeitig zwei hochkomplexe Fabriken hochfahren in Austin und Grünheide – sowie die Produktion in Shanghai auszubauen. Das wird ihn Kraft kosten." Tesla-Chef Elon Musk selbst spreche davon, dass diese Fabriken aktuell Geld verbrannten. "Diese Chance müssen wir nutzen und schnell aufholen – 2025 können wir in Führung gehen", gab sich der Volkswagen-Chef kämpferisch.

Betriebsrat warnt vor weltweiter Rezession

Betriebsratschefin Daniela Cavallo zeigte sich ob des von Diess verbreiteten Optimismus zurückhaltender. Auch sie verwies zwar auf den historisch hohen Stand an Bestellungen. "Die Auftragsbücher platzen förmlich aus allen Nähten. Und: Wir verdienen richtig gut Geld, auch wenn das Volumen niedrig ist", sagte sie. Die Erträge daraus seien "unglaublich". Cavallo warnte angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine jedoch vor einer Wirtschaftskrise: "Es ist nicht auszuschliessen, dass wir mit dem Schwung Hunderttausender Bestellungen im Rücken voll gegen die Wand einer weltweiten Rezession fahren." 

(Reuters)