Es ist alles angerichtet für ein gutes Jahr 2026 bei grossen Fusionen und Firmen-Übernahmen in Deutschland - wenn man den Investmentbankern glaubt. «Wir sind ja Berufsoptimisten», schmunzelt ein hochrangiger Experte für Mergers & Acquisitions (M&A) bei einer US-Bank. Finanzinvestoren haben tiefe Taschen und müssen das Geld ihrer Anleger gewinnbringend investieren. Deutsche Grosskonzerne bereinigen ihre Portfolien - und suchen gleichzeitig nach einem grösseren Standbein in den USA, um die Zollschranken zu umgehen und technologisch voranzukommen. «M&A ist ein sensibles Geschäft und erfordert ein stabiles Umfeld», sagt Jens Maurer, Leiter des Investmentbankings bei Morgan Stanley in Deutschland. «Das ist nun wieder gegeben.»
Die Banker sind in der Regel Monate vorher eingebunden, wenn sich Transaktionen anbahnen. Sie sehen also jetzt schon, was im ersten Halbjahr öffentlich werden könnte. Den von US-Präsident Donald Trump vom Zaun gebrochenen Zollstreit mit Europa hatten sie vor einem Jahr aber nicht auf dem Zettel. «Der sogenannte 'Liberation Day' im April hat auf dem deutschen Markt heftig eingeschlagen und viele Unternehmen für eine Zeit gelähmt», sagt Christian Kames, Co-Chef des Beratungsgeschäfts bei der Investmentboutique Lazard für den deutschsprachigen Raum. Inzwischen hätten sie die Schockstarre überwunden und blickten wieder nach vorne. «Mit geopolitischen Risiken werden sie auch die nächsten Jahre leben müssen - das sind externe Faktoren, die Unternehmen nicht beeinflussen können.» Sie könnten aber auch ein Treiber für M&A sein.
Das Transaktionsvolumen von Fusionen und Übernahmen mit deutscher Beteiligung ist im zu Ende gehenden Jahr um 17 Prozent auf 167,5 Milliarden Dollar gestiegen, wie aus der Statistik des Börsenbetreibers und Datenanbieters LSEG hervorgeht. Die US-Investmentbank Goldman Sachs, die bei den meisten grossen Übernahmen beratend aktiv war, sieht 2025 als das zweite Jahr des Aufwärtstrends in einem siebenjährigen Zyklus, der sich auf dem M&A-Markt beobachten lasse. Auch in Deutschland gehe es nach oben - wenn auch nicht so schnell.
Wagen auf deutsche Firmen mehr Mega-Deals?
«2026 muss gar nicht besser werden. Wir hoffen nur, dass das derzeitige Momentum hält», sagt Lukas Poensgen, der Co-Chef des Europa-Geschäfts mit Fusionen und Übernahmen bei der Bank of America. «Was zunimmt, sind vor allem die Mega-Deals mit Volumina von mehr als zehn Milliarden Dollar.» In Deutschland gab es davon mit dem Pharmakonzern Stada und dem Netzbetreiber Tennet 2025 nur zwei. Ihm macht besonders das zweite Halbjahr Mut, das isoliert betrachtet weltweit fast auf Rekordkurs gewesen sei. «Auch deutschen Unternehmen traue ich wieder grosse Übernahmen zu», die in den vergangenen Jahren hierzulande selten gewesen seien, sagt Poensgen. Das Geld dafür sei da, die eigenen Aktionäre gäben ebenso Geld wie Banken und Kreditfonds.
Deutsche Unternehmen blicken vor allem in die USA, wo sie noch unterrepräsentiert sind, die Konjunktur besser läuft und spannende KI-Übernahmeziele sitzen. «Treiber sind der Wunsch nach Wachstum und der Zugang zu innovativen Technologien», erläutert Maurer. Steffen Oppenländer, Partner bei der US-Anwaltskanzlei Milbank, sieht Infrastruktur und Technologie hoch im Kurs. Auch die krisenresistente Medizintechnik bleibe attraktiv, ebenso wie die Verteidigung. Marcus Schenck, Kames' Kollege bei Lazard, setzt hier auch auf eine Konsolidierung in Europa, wo viele Unternehmen im internationalen Vergleich klein sind. Aber: «In der Rüstung sind grenzüberschreitende Fusionen aufgrund nationaler Interessen herausfordernder als in anderen deutschen Industrien.» Der deutsch-französische Panzerbauer KNDS, der 2026 an die Börse strebt, ist bisher die Ausnahme.
Schenck sieht die Infrastruktur - vor allem was Energie betrifft - als Treiber für Übernahmen. Dafür interessierten sich grosse Kapitalgeber aus dem Ausland, wie das Beispiel Tennet gezeigt hat. Nun könnte noch der Bund als Investor hinzukommen. Auch Stadtwerke hätten einen hohen Kapitalbedarf, um grössere Einheiten zu schaffen, sagt der Lazard-Banker. «Daher werden wir an verschiedenen Stellen Bewegung im Markt sehen.»
Konzerne fokussieren sich
Finanzinvestoren schauten aber auch nach Sparten, die deutsche Unternehmen abspalteten oder zum Verkauf stellten - wie es BASF mit seiner Lack-Sparte gemacht hat, die an Carlyle ging. «Davon werden wir noch mehr sehen», sagt BofA-Banker Poensgen. «Grösse allein ist kein Wert mehr an sich, wenn die Performance nicht überzeugt. Im Vordergrund stehen klare Strukturen», erläutert Morgan-Stanley-Banker Maurer. Viele Konzerne wollten nicht warten, bis aktivistische Investoren sie zum Handeln drängten.
Darauf hoffen Private-Equity-Fonds, die bereits 2025 an vier der grössten fünf Übernahmen in Deutschland beteiligt waren und insgesamt hierzulande 49,9 Milliarden Dollar ausgaben. Weltweit liegen in den Fonds 4,2 Billionen Dollar Kapital, das angelegt werden will. «Viele Fonds haben erheblichen Investitionsdruck, andere müssen sich langsam aber sicher von Unternehmen trennen, um Mittelrückflüsse an ihre Investoren zu ermöglichen», sagt Anwalt Oppenländer. Das Problem: Die meisten der Unternehmen in ihrem Portfolio haben sie vor der Corona-Krise zu hohen Preisen gekauft. Doch die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern näherten sich zunehmend an, ist Poensgen zuversichtlich.
(Reuters)
