Der 47-jährige Christian Sewing folgt dem Briten John Cryan auf dem Schleudersitz in den Frankfurter Doppeltürmen. Vor dem bodenständigen Westfalen steht eine Herkulesaufgabe. Er soll das einstige Vorzeigeinstitut, dem zumindest im prestigeträchtigen Investmentbanking die Konkurrenz längst enteilt ist, wieder auf Vordermann bringen.

"Ich habe meine Karriere nie geplant", sagte Sewing im vergangenen Jahr in einem Interview. Damals war der FC-Bayern-München- und Vfl-Osnabrück-Fan gerade zusammen mit Marcus Schenck zum Co-Chef der Deutschen Bank aufgestiegen. Nun hat er Insidern zufolge den ehemalige Goldman-Sachs-Banker Schenck, der wegen der gemeinsamen Vergangenheit bei der US-Investmentbank lange als Ziehsohn von Aufsichtsratschef Paul Achleitner galt, im Rennen um die Cryan-Nachfolge ausgestochen.

Fast seine gesamte Karriere hat Sewing bei der Deutschen Bank verbracht: 1989 begann er seine Ausbildung zum Bankkaufmann in einer Bielefelder Filiale und blieb auch nach dem berufsbegleitenden Studium an der Bankakademie Bielefeld und Hamburg dem Institut treu. Bis auf ein zweijähriges Zwischenspiel von 2005 bis 2007 als Vorstand der DG Hyp, der Immobilienbank der genossenschaftlichen Institute, arbeitete er stets für Deutschlands grösstes Geldhaus.

Rotstift bei der Investmentbank?

Auslandserfahrung sammelte der Vater von vier Kindern an Standorten wie Singapur, Toronto, Tokio und London. Sewing erklomm die Karriereleiter im Risikomanagement und der internen Revision. Dadurch hatte er auch Einblick ins Investmentbanking, das für viele milliardenschwere Skandale bei der Deutschen Bank verantwortlich war. Anfang 2015 stieg der passionierte Tennisspieler zunächst als Rechtsvorstand in das Führungsgremium auf, bevor er im Sommer 2015 zum Privatkundenchef ernannt wurde.

Unter Sewings Führung schloss die Deutsche Bank fast 200 Filialen und strich Tausende Jobs. Er hat keinen Zweifel daran gelassen, dass auch die Wiedereingliederung der Postbank viele Arbeitsplätze kosten wird. Das grösste deutsche Geldhaus hatte Anfang 2017 seine Verkaufspläne für die Bonner Tochter begraben.

Ein neuer Riese im Privat- und Firmenkundengeschäft mit rund 20 Millionen Kunden soll entstehen. Mit Spannung wird nun erwartet, ob Sewing in seiner neuen Funktion auch bei der Investmentbank hart durchgreift und den Rotstift ansetzt.

(Reuters)