So wie Engelke um sein Lager sorgen sich Bürger auf dem ganzen Kontinent um das, was diesen Winter kommen wird. Verbraucher wie Unternehmen bereiten sich auf Engpässe und mögliche Blackouts vor. Die mutmassliche Sabotage der Nord-Stream-Gaspipelines ist nur das jüngste Beispiel für bislang unvorstellbare Ereignisse, mit denen gerechnet werden muss, seit Wladimir Putin in die Ukraine einmarschierte.

Auf dem EU-Gipfel in Prag konnten sich die Staats- und Regierungschefs am Freitag nicht auf eine Preisobergrenze für Gas einigen. Infolge der erheblich gestutzten Gaslieferungen Russlands ist Holz wieder zu einem gesuchten Rohstoff geworden. Heizungen für rund 40 Millionen Menschen basieren bereits auf dem ältesten aller Energieträger.

Lebenshaltungskosten steigen stark

Die Preise für Holzpellets haben sich in Frankreich auf 600 Euro pro Tonne fast verdoppelt, und es gibt Anzeichen für Panikkäufe. Ungarn hat inzwischen sogar die Ausfuhr von Pellets verboten und Rumänien entschied, die Preise für Brennholz für sechs Monate zu deckeln. Die Lieferung von Holzöfen kann in Europa inzwischen Monate dauern.

Die Energiekrise treibt Lebenshaltungskosten unerbittlich in die Höhe. Im September war die Inflation in der Eurozone zum ersten Mal zweistellig. Haushalte müssen sich zunehmend zwischen Heizung und anderen Lebensmitteln entscheiden.

“Es ist wie in den alten Zeiten, als die Leute nicht das ganze Haus beheizt haben”, sagt Nic Snell, Geschäftsführer des britischen Brennholzgrosshändlers Certainly Wood. “Sie sassen um das Feuer herum, wärmten sich am Ofen oder dem offenen Kamin - und gingen dann ins Bett. Das wird in diesem Winter wieder in Mode kommen.”

Zu den Gewinnern der Krise gehört etwa die Gabriel Kakelugnar AB, ein schwedischer Hersteller von High-End-Kachelöfen, die durchschnittlich rund 7'800 Euro kosten. Die Öfen können einen Raum 24 Stunden lang warm halten. Dazu verwenden sie verschiedene Kanäle, um die Wärme zu verteilen und zu halten.

“Während der Pandemie haben die Menschen begonnen, mehr in ihre Häuser zu investieren. Das ist jetzt natürlich eskaliert”, sagt Jesper Svensson, Eigentümer und Geschäftsführer des Unternehmens aus der Region Småland, eine knappe Autostunde südlich von einem von Schwedens grössten Atomkraftwerken.

Die Bestellungen hätten sich mehr als vervierfacht. Mittlerweile müssen die Kunden bis März auf die Lieferung warten. Vor einem Jahr waren es nur vier Wochen.

Verzweifelte Suche nach Holz

Je näher der Winter rückt, desto mehr wächst die Sorge, dass unkonventionelle Heizmethoden zu Bränden, aber auch zu Gesundheits- und Umweltproblemen führen könnten.

“Wir befürchten, dass die Leute einfach das verbrennen, was sie in die Hände bekommen”, sagt Roger Sedin, Leiter der Abteilung Luftqualität bei der schwedischen Umweltschutzbehörde. Er warnt vor schlechter Belüftung und dem Versuch, nasses Brennholz zu verfeuern. “Wir können sehr hohe Verschmutzungsgrade sehen, wenn Leute Holz verbrennen, die nicht wissen, wie man es richtig macht.”

Feinstaub könne tief in der Lunge landen und Herzinfarkte, Schlaganfälle und Asthma verursachen. Besonders akut sei das Risiko im städtischen Raum, so Sedin. “Sie müssen an Ihre Nachbarn denken.”

In Deutschland muss sich der Schornsteinfegerverband mit einer Anfrageflut von Hausbesizern auseinandersetzen, die neue Öfen anschliessen oder alte wieder flott machen wollen. Auch Anfragen bezüglich der Verbrennung von Pferdemist gibt es. 

In Frankreich berichtet der Chef des Schornstein- und Brennstoffspezialisten Poujoulat, Frederic Coirier, dass einige Kunden in diesen Tagen zwei Tonnen Holzpellets kauften, obwohl sie normalerweise mit weniger als einer Tonne auskämen.

Krise weckt Erinnerungen

“Die Leute suchen verzweifelt nach Holz, und sie kaufen mehr als üblich”, berichtet auch Trond Fjortoft, Gründer und CEO des norwegischen Holzhändlers Kortreist Ved. “Normalerweise geht es los, wenn es anfängt kalt zu werden. In diesem Jahr ging es im Juni los” – etwa zu der Zeit, als Russland die Gaslieferungen reduziert hat.

In Berlin weckt die Krise beunruhigende Erinnerungen an die Trostlosigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals fällten die Bewohner fast alle Bäume im Stadtpark Tiergarten, um mit dem Holz zu heizen.

Auch wenn die Berliner jetzt nicht zu solchen Extremen greifen, ist das Thema Heizung mit Blick auf den Winter eine verbreitete Sorge. Engelke hat nicht nur ein zusätzliches Sicherheitstor aufgestellt, um Holzscheite, Kohlebriketts und Heizöl zu schützen. Er kann auch keine neuen Kunden mehr annehmen. “Wir sehen dem Winter mit grosser Sorge entgegen”, sagt er.

(Bloomberg)