Wer mit der schwer kalkulierbaren Trump-Regierung zu tun hat, erfährt Erfolg oder Misserfolg seines Auftritts in Washington manchmal erst später aus sozialen Medien. Als der deutsche Aussenminister Johann Wadephul am Mittwoch seinen Antrittsbesuch bei US-Aussenminister Marco Rubio machte, gewährte dieser dem Gast im siebten Stock des State Departments zwar zunächst nur einen sehr knappen Händedruck vor Kameras.

Aber als Rubio dann später auf der Plattform X schrieb, dass die neue Bundesregierung die Dringlichkeit der aktuellen globalen Herausforderungen erkennen und «ihnen mit Taten begegne», konnte sich Wadephul auf dem Rückflug nach Deutschland entspannen. Mission erfüllt: Trumps einstiger Prügelknabe Deutschland scheint sich gerade aus Sicht der US-Regierung zum europäischen Musterschüler zu entwickeln.

Das wird Kanzler Friedrich Merz aufmerksam verfolgt haben: Denn der Besuch von Wadephul war auch ein kleiner Testballon, wie ruppig oder freundlich sein eigener bevorstehender Antrittsbesuch bei US-Präsident Donald Trump ausfallen könnte.

Bei Trump weiss man nie, wie lange Gunst oder Kritik anhält

Nun wird in Regierungskreisen betont, dass man bei Trump nie wisse, wie lange Gunst oder Kritik anhalten. Aber es gibt faktische Gründe für die Stimmungsaufhellung, die sich bereits in den Telefonaten zwischen Merz und Trump abzeichnete. Die Bundesregierung hat wegen der Reform der Schuldenbremse plötzlich einen noch vor einem halben Jahr ungeahnten finanziellen Spielraum.

Ohne Deckel für Verteidigungsausgaben kann die neue Bundesregierung etwa bei der Definition der Nato-Ausgabenziele aus der Dauerdefensive in die Offensive kommen. Die Chance ergriff vor allem Aussenminister Wadephul: Bei dem informellen Treffen der Nato-Aussenminister in Antalya bekannte er sich plötzlich dazu, dass die Nato-Staaten statt zwei künftig fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung direkt oder indirekt für Verteidigung ausgeben sollten. Dies war ausdrücklich auch als Botschaft an die US-Regierung gedacht.

Denn Trump selbst hat bei seiner Dauerkritik an den Europäern immer wieder bemängelt, dass diese viel zu wenig für Verteidigung ausgeben. Aber plötzlich zieht die Bundesregierung zumindest verbal an den bisherigen Musterschülern unter den europäischen Nato-Staaten vorbei. «Wir haben vor wenigen Wochen unsere Verfassung geändert, um die nötigen Mittel für die Verteidigung unseres Landes aufzubringen – und dadurch zugleich auch unseren Beitrag zur Verteidigung unserer Partner und Verbündeten zu leisten», betonte Kanzler Merz am Donnerstag.

Für Washington bekommt Berlin nun eine neue Rolle: Innerhalb der EU soll die Bundesregierung als Vorbild dafür zu sorgen, dass auch die anderen Staaten auf dem Nato-Gipfel beim neuen Ziel mitziehen. Dazu kommt, dass Deutschland neben den USA trotz der Kritik am Vorgehen im Gazastreifen der treuste Unterstützer Israels bleibt.

Neue Einstellung in Berlin

Dazu kommt eine neue Einstellung in Berlin. Kanzler Merz hat betont, dass Deutschland künftig in der EU - in Abstimmung mit Partnern - führend sein will. Sichtbarstes Zeichen war der von ihm angeregte gemeinsame Besuch der Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Polen in Kiew und ihre klare Ansage an Russland. Die Botschaft an Trump: Europa kümmert sich um seine Angelegenheiten.

Dazu kommt ein neuer Stil: Statt einer als teilweise belehrend kritisierten Aussenpolitik soll es wieder stärker um Interessen und die Konzentration auf das jeweils nächste Ziel gehen. Und das ist aus Sicht der Bundesregierung klar der Nato-Gipfel. Dieser soll ein Erfolg auch für US-Präsident Trump werden. Denn nur dann, so die Überlegung in der Regierung, bindet man den US-Präsidenten an Europa und sichert das weitere Engagement der USA im Ukraine-Krieg. Deshalb loben Merz und Wadephul auch Trumps Vermittlungsversuche beim Ukraine-Thema ein ums andere Mal - obwohl sie selbst nur geringe Erfolgschancen sehen.

Der Preis: Dafür verzichtete Wadephul in Washington darauf, Rubio beim Antrittsbesuch auf dessen umstrittene Einschätzung anzusprechen, dass sich Deutschland wegen der Einschätzung der AfD durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem in eine «Tyrannei» verwandelt habe. Als Gesten legte Wadephul zudem bei seinem kurzen Besuch nicht nur Blumen am Ort der Ermordung zweier israelischer Diplomaten nieder, sondern verfolgte bei strömendem Regen auch die Wachablösung auf dem amerikanischen Nationalfriedhof in Arlington.

Echte Interessengegensätze und einige gewagte Äusserungen des Kanzlers

Ob dies Merz einen versöhnlichen Antrittsbesuch im Oval Office verschaffen wird, ist dennoch fraglich. Neben den Launen Trumps gibt es auch echte Interessengegensätze und einige gewagte Äusserungen des Kanzlers. So überraschte Kulturstaatsminister Wolfgang Weimer mit der Ankündigung eines Gesetzentwurfs für eine Digitalsteuer. Kurz vor einem Besuch bei Trump wirkt dies eher unglücklich, weil der US-Präsident die Europäer ausdrücklich davor gewarnt hat, sich die US-Tech-Giganten vorzuknöpfen.

Und als Merz auf dem WDR-Forum Europa gefragt wurde, wie die Gespräche mit Trump verliefen, antwortete er unter anderem augenzwinkernd, man müsse beim Smalltalk eben kurz reden und vor allem den Präsidenten sprechen lassen. Dabei gehe es dann «sehr viel» um Trump selbst, fügte der Kanzler hinzu. Und jedes zweite, dritte Wort sei «great».

(Reuters)