Gut beraten sind Anlegerinnen und Anleger, langfristig bei vielversprechenden Aktien engagiert zu bleiben und selbst in einer seitwärts gehenden Konsolidierungsphase eine ruhige Hand zu bewahren. Das zeigt sich beim Schweizer Baustoffkonzern Holcim eindrücklich. Nachdem der Kurs zwischen 2017 und 2022 stagnierte, geht es mit den Preisen nun stetig nach oben. Im abgelaufenen Börsenjahr ging es um 33 Prozent hoch und seit Beginn 2022 hat sich der Wert fast verdoppelt.
Ob nun der «richtige» Zeitpunkt für Gewinnmitnahmen ist, sollte besonders gut überlegt werden. Denn trotz schwacher Entwicklung der europäischen Bauwirtschaft gibt es einige Katalysatoren, die dem Titel weiteren Schub geben könnten. Ein primärer Faktor ist die anstehende Abtrennung des Nordamerika-Geschäfts, die im ersten Halbjahr 2025 über die Bühne gehen soll.
Die Deutsche Bank zeigt sich einer jüngst publizierten Unternehmensstudie überzeugt, dass dies eine Reihe von Vorteilen mit sich bringen wird. Darunter sind eine stärkere Fokussierung des Managements sowie Vorteile bei Übernahmen und Fusionen, wo Verkäufer von Vermögenswerten Gewinne von der Steuer befreien können, wenn die Gegenleistung in US-notierten Wertpapieren erfolgt. Zudem erhält die neu verselbstständigte Einheit in Übersee möglicherweise mehr Spielraum bei den Bankdienstleistungen bei gleichzeitiger Beibehaltung der Bonität für Unternehmensanleihen.
Die Infrastrukturausgaben in den USA werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren für ein stärkeres Wachstum als üblich bei der amerikanischen Einheit von Holcim sorgen, sagte Chief Executive Officer Miljan Gutovic am Freitag in Davos gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. «Ich denke, die Infrastrukturausgaben werden sich jetzt nur noch beschleunigen», erklärte Gutovic, nachdem er auf die Notwendigkeit dieser Investitionen in den USA und das Engagement von Präsident Donald Trump für solche Projekte hingewiesen hatte.
Am Mittwoch ordnete US-Präsident Donald Trump Schritte zur Beschleunigung der Bundesgenehmigungen an, um amerikanische Investitionen anzulocken und die Zeitpläne für den Bau kritischer Energieinfrastruktur zu verkürzen. Der Schweizer Baustoffkonzern wird deshalb sein US-Geschäft im ersten Halbjahr 2025 ausgliedern und plant, die amerikanische Einheit an der New Yorker und der Schweizer Börsen zu listen.
Holcim-CEO Gutovic rechnet auch mit einem Anstieg der Zementnachfrage aufgrund der verheerenden Brände in Kalifornien. Holcim betreibt derzeit keine Zementproduktion im westlichen US-Bundesstaat, daher «muss der Zement wahrscheinlich dorthin verschifft werden. Aber die Nachfrage wird definitiv steigen».
Bewertungskennzahlen überzeugen
Das durchschnittliche Kursziel der Analysten steigt bei Holcim nach einer Delle 2022 kontinuierlich an. Anfang 2023 lag dieses bei 55 Franken, ein Jahr später bei 67 Franken und Ende 2024 bei 95 Franken. Die Deutsche Bank ruft mit 111 Franken das höchste Kursziel auf und bestätigt das Kaufrating. Das ergibt ein Kurspotenzial von 22 Prozent.
Die Experten der Deutschen Bank schätzen das aktuelle Kurs-/Gewinn-Verhältnis (KGV) auf den Multiplikator 15 ein. «Wir erwarten einen freien Cashflow von rund 3,5 Milliarden Franken im Geschäftsjahr 2024. Dies impliziert eine Rendite des freien Cashflows von circa 7 Prozent, was attraktiv ist. Wir lassen unser Kursziel von 111 Franken unverändert und behalten unsere Kaufempfehlung für die Aktien bei.»
Neben der Deutschen Bank sehen auch die Analysten von JPMorgan ein ähnlich hohes Kursziel von deutlich über 100 Franken, weil Holcim gegenüber dem Konkurrenten Heidelberg Materials jüngst eine Underperformance aufwies. Die Experten der amerikanischen Investmentbank sehen nun ein überzeugendes Bewertungsargument, da der Holcim-Valor mit einem Abschlag von 12 Prozent gegenüber Heidelberg gehandelt wird.
«Obwohl wir feststellen, dass es vor der Aufspaltung Nordamerikas einige Fragezeichen gibt, werden wir wahrscheinlich Antworten auf diese Fragen bei den beiden Kapitalmarkttag erhalten, der Anfang 2025 stattfinden und bei denen das Unternehmen wahrscheinlich einen optimistischen strategischen Ausblick für die Geschäfte präsentieren wird.» Ferner dürfte die Verbesserung der Fundamentaldaten des europäischen Zementmarkts eine breitere Investorenbasis anziehen. Holcim hat letztes Jahr einen aggressiveren Dekarbonisierungsfahrplan angekündigt, der nach eigenen Angaben nun der ehrgeizigste der Branche ist.
1 Kommentar
Interessant finde ich den Quervergleich zwischen Holcim und Sika. Beide sind mit dem grössten Teil ihrer Geschäftstätigkeit in der Baubranche aber mit anderen Produkten vertreten. Sika ist dabei breiter diversifiziert, mit einem kleinen aber nicht irrelevanten Anteil in der Automobilbranche. Während der Markt bei Holcim einen sehr optimistischen Outlook hat, ist es bei Sika das Gegenteil. Selbst wenn man die schlechte Situation in der Automobilebranche berücksichtigt, kann das nur einen Teil des negativen Outlooks bei Sika erklären. Man kann bei Sika auch noch enttäuschte Erwartungen mit Bezug auf den erwarteten Upside durch die letzte Übernahme einpreisen. Aber selbst dann scheint mir, wird die Entwicklung der Baubranche bei Sika deutlich verhaltener eingepreist als bei Holcim.