Für die grossen US-Banken schlägt am Freitag die Stunde der Wahrheit. Dann werden die Ergebnisse des Stresstests der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) vorgelegt. Zittern muss sich in den Vorstandsetagen der 22 getesteten Geldhäuser aber nicht breit machen - Analysten rechnen damit, dass die Institute den jährlichen Gesundheitscheck klar bestehen werden. Das ist dann auch eine gute Nachricht für die Investoren. Denn die Banken könnten dann ihre Dividenden in die Höhe schrauben oder Geld in die Rückkäufe eigener Aktien pumpen.

Die Stresstests wurden 2009 eingeführt und sollen sicherstellen, dass sich eine schwere Finanzkrise wie nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr davor nicht wiederholt. Sie legen fest, wie viel Gelder die Institute auf die hohe Kante legen müssen, um Krisenszenarien überstehen zu können. In diesem Jahr wurden aber die Kriterien ein wenig gelockert - es könnte also noch mehr Geld für Ausschüttungen übrig bleiben.

Mit den leiseren Tönen aus der regulatorischen Ecke bestehe die Hoffnung, dass die Kapitalanforderungen gesenkt würden, sagte Vivek Juneja, Analyst bei JPMorgan. Angesichts der hohen Kapitalisierung der Banken erwarte er eine durchschnittliche Erhöhung der Dividenden im Mittel um etwa drei Prozent und mehr Aktienrückkäufe. Das verhaltene Kreditwachstum und ein günstiges regulatorisches Umfeld könnten den Banken mehr Flexibilität bei der Kapitalverwaltung und beim Dividendenwachstum geben. Die Banker könnten aber auch vorsichtig sein, sagten andere Analysten. Gründe dafür könnten die anhaltenden Unsicherheiten um die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump sein, wirtschaftliche Ungewissheit sowie der Zeitpunkt und das Ausmass der Regulierungsreform, hiess es etwa in einem Bericht von Analysten von Raymond James.

Weniger Regulierung als Vorteil für die Banken

Die Szenarien für den diesjährigen Stresstest werden voraussichtlich milder ausfallen als im Vorjahr. «Es beinhaltet einen geringeren Rückgang des realen US-BIP, einen geringeren Anstieg der Arbeitslosenquote, geringere Rückgänge der kurz- und langfristigen Zinssätze und weitere Verbesserungen, darunter weniger aggressive Rückgänge bei Immobilien- und Aktienpreisen», schrieben Analysten von Jefferies in einer Mitteilung. Den US-Banken stehen neben diesen Verbesserungen aber weitere für sie gute Nachrichten ins Haus: Im April startete die Fed eine umfassende Initiative zur Überarbeitung der Tests. In den kommenden Jahren sollen die Ergebnisse gemittelt werden, um Schwankungen zu reduzieren. Zudem sollen die Banken mehr Einblick erhalten, wie sie von der Fed bewertet werden. «Wir sehen dies als grossen Vorteil, der Banken und Aufsichtsbehörden dabei helfen wird, die Methodik zwischen internen und von der Fed vorgenommenen Stresstests besser aufeinander abzustimmen», erklärte Betsy Graseck, Analystin bei Morgan Stanley. Die Ergebnisse würden für die Banker künftig weniger eine «Black Box» sein.

Die Wall-Street-Banken könnten auch bei ihren Stresskapitalpuffern entlastet werden, die sie auf Wunsch der Fed zusätzlich zu ihren Mindestkapitalanforderungen bereitstellen müssen. Goldman Sachs und Morgan Stanley, deren Puffer im vergangenen Jahr erhöht wurden, seien «für Verbesserungen in diesem Jahr bereit», erwarten Analysten von Jefferies. Anders könnte es aber etwa bei der Citibank oder der M&T Bank aussehen. Hier könnten die Kapitalanforderungen leicht steigen, schrieben Analysten von Keefe, Bruyette & Woods.

Insgesamt erwarten Analysten, dass das regulatorische Umfeld für grosse Banken in der zweiten Amtszeit von US-Präsident Trump günstiger sein wird. «Stresstests werden während Trump 2.0 wahrscheinlich weniger stressig sein», erklärten Analysten von Raymond James. 

(Reuters)