Rentner erhalten aus der 2. Säule mehr Kapital, als sie eingezahlt haben. Kann man überhaupt noch von einem Kapitaldeckungsverfahren sprechen?
Nur noch teilweise. Das zusätzliche Geld kommt von den aktiv Versicherten, die einen Grossteil ihrer Rendite abgeben. Zudem sind die Risikobeiträge oft um ein Vielfaches höher, als sie sein sollten. Diese werden dazu genutzt, die Rentner zu finanzieren. Das sind Beiträge, die über Jahrzehnte eingezahlt wurden, von denen die Versicherten nie etwas sehen werden.
Ist die gigantische Umverteilung das einzige Problem der BVG?
Leider nicht. Die 2. Säule reflektiert nicht die heutige Lebensweise. Sie ist auf ein klassisches Männerleben ausgerichtet, eine Karriere ohne Pausen oder Teilzeitpensen. Das entspricht weder der Realität von Müttern noch der von Personen, die Projektarbeit machen oder bei mehreren Arbeitgebern geringe Pensen arbeiten.
Wie gut sind die aktuellen Reformvorschläge?
Der Nationalrat hat den ersten Vorschlag des Bundesrats klar abgelehnt und eine eigene Idee gebracht, welche die Reformziele mehr oder weniger erreicht. Die Umverteilung wird nach einer Übergangszeit von rund 14 Jahren langsam reduziert.
Nun entscheidet der Ständerat über ein alternatives Konzept.
Der Vorschlag sieht Anpassungen an den heutigen Lebensstil vor, das ist positiv. Er behebt das Problem der Mehrfachversicherten und zum Teil der Personen mit niedrigen Löhnen. Allerdings wären diese teils so stark überversichert, dass sie mehr Rente bekämen, als sie je als Lohn verdient haben.
Wie bitte?
Ja, das ist nicht wirklich sinnvoll. Für viele Menschen mit tiefen Löhnen würde dieser Vorschlag eine deutliche Reduktion des Nettolohns bedeuten, die Überversicherung muss ja bezahlt werden. Doch als Erwerbstätige muss man oft eine Familie finanzieren, während man als Rentner ja eher weniger Geld benötigt.
Schliesst die Reform die Rentenlücken bei Frauen?
Beim Vorsorgeplan sind wir auf dem richtigen Weg. Aber beim Kapitaldeckungsverfahren muss jeder sparen. Ohne bedeutenden Lohn ist das nicht möglich. Viele Mütter können sich einen Beruf wegen der teuren Kinderbetreuung nicht leisten. Das Problem ist umfassender und kann nicht durch die BVG-Reform gelöst werden.
Dieser Artikel erschien zuerst in der "Bilanz" unter dem Titel: UBS-Vorsorge-Expertin: «Die 2. Säule ist nicht mehr zeitgemäss»
2 Kommentare
Die 2. Säule wird von viele Kassen nicht optimal gemanagt. Diese Kapitalien gehören den Versicherten, sie sollten mit wenig Kosten verwaltet werden. Der 'Rentenklau' stimmt so nicht, denn die Ueberdeckung wurde von den Alten einbezahlt, sie bekommen aber
davon nicht mal einen Teuerungsausgleich. Um das BVG zu reformieren, braucht es Konkurrenz; d.h. jeder Versicherte sollte seine Kasse frei
wählen können. Dann muss der Koordinationsabzug abgeschafft werden, dann Wenigverdiener brauchen auch eine Altersvorsorge. Und die Verwaltungskosten, Beraterhonorare, etc. müssen limitert werden.
Gut und sicher angelegtes Sparkapital bringt langfristig immer noch
3-6 % Rendite, von der die Rentner leben können.
Was heute nie erwähnt wird in den Diskussionen um das BVG: Es war gar nie möglich, seine Pension sinnvoll zu planen vor 30-40 Jahren, weil das ganze Konstrukt auf 4% Zins aufgebaut war. Ich bin 66 Jahre alt, und habe heute noch BVG-Auszüge von 2007 (vor...) und 2010 (nach der Finanzkrise). 2010 konnte ich mir von der 2007 hochgerechneten BVG-Rente 30-40% abstreichen. Das BVG-Modell taugt nichts, das AHV-Modell von 1948 hingegen schon. Nach dem Krieg konnten die Politiker offensichtlich noch klar und sachlich denken (!) Das BVG wird über kurz oder lang mit der AHV verschmelzen. Genau deshalb hab ich mir mein gesamtes BVG-Kapital auch auszahlen lassen bei meiner Frühpensionierung...