Zwar sind die meisten Risikoaktiva weit von ihren Tiefstständen von Mitte März entfernt, als die Unsicherheit über die globalen Auswirkungen des Coronavirus-Ausbruchs ihren Höhepunkt erreichte. Jedoch besteht wenig Einigkeit darüber, was nun folgt. Im Zentrum der Debatte steht die langfristige Wirksamkeit der massiven Anreize von Zentralbanken und Regierungen.

Wenn 8 Billionen Dollar immer noch nicht ausreichen

Für die Citigroup ist der "rätselhafte" Anstieg der Aktienkurse unverständlich. "Eine umfassende Reaktion der Politik, angeführt von einer ausreichenden, von den Zentralbanken zur Verfügung gestellten Liquidität, hat wahrscheinlich zur Marktbewegung beigetragen", schrieben die Ökonomen Igor Cesarec und Catherine Mann in einer Notiz am Donnerstag. "Da jedoch nicht klar ist, ob die Märkte unbefristet gestützt werden können, ist Vorsicht geboten. Risikoaktiva könnten letztlich anfällig sein, wenn die kalte, harte wirtschaftliche Realität erneut zuschlägt."

Im anderen Lager sieht JPMorgan die Aufwärtsbewegung der Börsen als gerechtfertigt an - und erwartet, dass sie weiter gehen kann.

"Zwar ist der Zusammenbruch der Wirtschaftstätigkeit von historischem Ausmass, aber das gilt auch für die globale politische Reaktion, um die Auswirkungen abzufedern und eine Erholung zu unterstützen", schrieben Strategen um Marko Kolanovic in einer Notiz. "Wir gehen davon aus, dass sich risikoreiche Vermögenswerte im Zuge der Wiedereröffnung der Volkswirtschaften und der beispiellosen politischen Unterstützung weiter erholen werden. Allerdings erwarten wir eine Abschwächung der Gewinndynamik."

Der MSCI AC World Index ist seit dem 23. März um etwa 25 Prozent gestiegen, nachdem sich die Anlegerstimmung nach einer Reihe weltweiter politischer Massnahmen zur Dämpfung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie verbessert hat. Die globale Benchmark war gegenüber dem Hoch vom Februar um bis zu 34 Prozent gefallen, als die Besorgnis über das Virus einen Höhepunkt erreichte.

Zukünftige Entwicklung

Goldman Sachs und Morgan Stanley sehen die Kursgewinne weitgehend als intakt an - mit gewissen Vorbehalten.

Goldman führt den Marktanstieg auf eine Stabilisierung der Virusinfektionsraten und eine Verbesserung der Massnahmen gegen Finanzierungs-und Liquiditätsstress zurück. Die Bank hat bereits darauf verwiesen, dass die Aktienkurse die makroökonomische Entwicklung über einen Zeithorizont von zwei Jahren einpreisen und Investoren über den grossen wirtschaftlichen Schaden hinausschauen können.

"Die Märkte werden weiterhin schlechte Nachrichten über das Ausmass des wirtschaftlichen Abschwungs ignorieren, wenn sie weiterhin an ihrer Ansicht festhalten können, dass ein beträchtlicher Teil des jüngsten Schadens bis Ende nächsten Jahres rückgängig gemacht wird", schrieben die Goldman-Strategen um Zach Pandl in einer Notiz.

Morgan Stanley hat auch kein Problem mit der Diskrepanz zwischen der Wertentwicklung der Vermögenswerte und den Fundamentaldaten. Die Bank verweist darauf, dass die Märkte tendenziell einen Vorlauf vor der Wirtschaft haben und mehr auf Veränderungsraten als auf das absolute Niveau schauen.

"Unterschiede zwischen Markt und Volkswirtschaft sind bei wirtschaftlichen Extremen häufig", schrieben die MS-Strategen, darunter Andrew Sheets, in einer Notiz. "Die Änderungsrate ist entscheidend - eine U-förmige Erholung ist in Ordnung, ein W nicht."

(Bloomberg)