In den letzten Tagen stiess der Euro-Franken-Kurs in die Nähe von 1,19 vor. Das entspricht dem höchsten Stand seit die Schweizerische Nationalbank (SNB) Mitte Januar 2015 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion den Euro-Mindestkurs von 1,20 kappte.
Nachdem die europäische Einheitswährung zum Franken in den vergangenen 12 Monaten um gut 11 Prozent zulegen konnte, fragt sich nun: Zieht der Euro-Franken-Kurs weiter oder scheitert er an den 1,20?
Wie die Credit Suisse in der neusten Ausgabe ihrer "Technical Analysis" schreibt, läuft das Währungspaar in der Region von 1,1998 bis 1,2000 in stärkere Widerstände hinein. Diese Widerstandszone reicht bis in den Dezember 2014 zurück.
Kräftiger Vorstoss möglich
Dennoch bleiben die Autoren der Schweizer Grossbank optimistisch für den Euro-Franken-Kurs, solange dieser nicht unter die Schlüsselunterstützung bei 1,1763 zurückfällt. Aktuell steht der Euro bei 1,1875 Franken.
Der früher für die Credit Suisse tätige Rolf Bertschi rechnet hingegen schon eine ganze Weile mit einem längerfristig festeren Euro. Neuerdings ist der unabhängige Markttechnik-Experte auch mittelfristig optimistisch. Er sieht im kürzlichen Sprung über die Bestmarke von Mitte Januar bei 1,1850 eine Grundvoraussetzung für einen Vorstoss des Euro-Franken-Kurses in den Bereich von 1,20 bis 1,30.
Der Euro-Franken-Kurs nähert sich nach Jahren erstmals wieder dem einstigen SNB-Mindestkurs (Quelle: www.cash.ch)
Eine grundlegende Stimmungseintrübung erwartet Bertschi nur bei einem Rücksetzer unter die Schlüsselunterstützung bei 1,1490.
Euro-Dollar-Kurs gibt den Takt vor
Auch seinen Berufskollegen bei der Genfer Privatbank Pictet & Cie ist der Vorstoss des Euro auf ein neues Mehrjahreshoch nicht unbemerkt geblieben. Sie wollen sich nicht so recht in die Karten blicken lassen. Zwischen den Zeilen ist allerdings zu lesen, dass die Pictet-Experten von hier aus mit einem gemächlicheren Anstieg rechnen.
Wie es beim Euro-Franken-Kurs weitergeht, hängt nicht zuletzt auch von der Entwicklung des Euro-Dollar-Kurses ab. Denn die Musik spielt im transatlantischen Währungsgefüge. Der Franken ist für die mächtigen internationalen Devisenmarktakteure bestenfalls ein Nebenschauplatz.
Langjähriger Abwärtstrend beim Euro-Dollar-Kurs (Quelle: Bloomberg , Pictet & Cie)
Rolf Bertschi wähnt den Euro-Dollar-Kurs vorerst in einer Seitwärtskonsolidierung, bleibt auf längere Sicht jedoch zuversichtlich für den Euro. Dem scheinen die Markttechnik-Experten von Pictet & Cie nicht widersprechen zu wollen. Allerdings sehen sie den Euro bestenfalls noch auf 1,2750 Dollar steigen.
Frankenschwäche gibt Fragen auf
Eine ganz andere Meinung vertreten die beiden Autoren der "Technical Investment Strategy" von Julius Bär. Sie sehen den Euro-Dollar-Kurs vom oberen Ende des mehrjährigen Abwärtstrends nach unten zurückfallen. Deshalb raten sie ihrer Leserschaft zu Wetten gegen die europäische Einheitswährung. Gegenüber dem Franken dürfte sich diese Bewegung aber in einem stärkeren Dollarkurs und nicht in einem schwächeren Eurokurs niederschlagen, so sind sich die Autoren sicher.
Was die fundamentale Ausgangslage anbetrifft, so gibt die jüngste Frankenschwäche Rätsel auf. Angesichts der geopolitischen Grosswetterlage müsste der Franken in seiner Rolle als "sicherer Hafen" nämlich zur Stärke neigen. Das Gegenteil ist der Fall. Ein Erklärungsansatz ist, dass in der Schweiz tätige russische Oligarchen aufgrund der US-Sanktionen zum Verkauf grösserer Frankenbeträge gezwungen sind.