Japan hat mit den USA Zolltarife von 15 Prozent ausgehandelt. Mit der Europäischen Union zeichnet sich der gleiche Satz ab, mit dem Exportwaren in die USA besteuert werden dürften. Um die Schweiz bleibt es hingegen ruhig, ein Zollbrief ist bis heute nicht eingetroffen. Vor zwei Monaten gab man sich sowohl von amerikanischer wie hiesiger Seite optimistisch, einen Deal rasch abschliessen zu können. Die Anspannung an der Schweizer Börse und um den Schweizer Franken wird bis zum Stichtag am 1. August zunehmen.
In einer ersten Reaktion reagieren die internationalen Börsen positiv auf das Zollabkommen mit Japan sowie der Indikationen über das Zollniveau mit der Europäischen Union. Der S&P 500 Index legte seit Bekanntgabe des Zolldeals mit Japan um rund 1,5 Prozent zu und der japanische Börsenindex Topix kletterte am Donnerstag auf ein neues Allzeithoch.
Der Kursanstieg an der Schweizer Börse, gemessen am Swiss Market Index (SMI) fiel über den Handelstag Mittwoch und Donnerstagmorgen mit einem Plus von 2,2 Prozent ebenfalls erfreulich aus. Der Anstieg wäre aber noch kräftiger ausgefallen, wenn Nestlé nach den Halbjahreszahlen den SMI nicht übermässig belastet hätte.
Verschnaufpause auf Zeit
Das Ausbleiben eines Briefs an die Schweizer schätzt Michael Pfister, Devisenexperte bei der Commerzbank, positiv ein. Schliesslich kündigte der US-Präsident Donald Trump an, dass die Länder neben den grössten Handelspartnern voraussichtlich mit Zöllen von rund 15 Prozent rechnen müssten. Anfang April belief sich der angedrohte Zoll noch auf 31 Prozent für Schweizer Produkte. Dies wäre eine deutliche Verbesserung.
Wie lange die Frankenstärke in diesem Umfeld anhält, steht auf einem anderen Blatt, meint der Commerzbank-Experte. «Alle Marktteilnehmer sollten sich jedoch bewusst sein, dass die Zölle weiterhin negative Auswirkungen auf die Schweizer Realwirtschaft haben werden. Wir haben daher unsere Wachstumsprognose letzte Woche nach unten korrigiert, unter anderem aufgrund schwächerer Zahlen. Bis die Unsicherheit im Zusammenhang mit den Zöllen nachlässt, dürfte der Schweizer Franken seitwärts tendieren», so das Urteil des Analysten.
Für grossen Optimismus an den Börsen ist es zu früh, erklärt Matthias Geissbühler, Anlagechef bei Raiffeisen, auf Anfrage von cash.ch. «Die Anlegerinnen und Anleger haben erleichtert reagiert. Auf der anderen Seite ist es doch eine spezielle Reaktion des Marktes. Die wichtigen Börsenindizes notieren allesamt höher als Anfang Jahr. Damals waren die Zölle bei null, nun liegen sie bei erwarteten 15 Prozent. Das ist eine massive Veränderung.»
Der Gegenwind an den Finanzmärkten dürfte in den nächsten Monaten von zwei Seiten zu spüren sein. Einerseits hat die Inflation in den USA wegen der Zölle im Juni deutlich angezogen und im Juli, August und September dürfte diese weiter ansteigen. Andererseits werden Firmen, die nicht in der Lage sind, die Preise eins zu eins weiterzugeben, unter Druck geraten. Einzig Nischenanbieter oder solche mit Top-Produkten können die Zölle mehr oder weniger auf die Preise draufschlagen. Das sind aber nicht alle, mahnt Geissbühler. Als Konsequenz führe das zu Margen- oder zu Marktanteilsverlusten. «Unter dem Strich kann ich an diesen 15-prozentigen Zöllen relativ wenig Gutes abgewinnen. Der Zweiteffekt könnte für die Aktienmärkte negativ ausfallen», so das Fazit des Raiffeisen-Experten.
Pharmabranche noch nicht aus dem Schneider
Einen grossen Teil der US-Importe aus der Schweiz machen Medikamente und pharmazeutische Produkte aus. Aufgrund der umfangreichen Ausnahmenliste war der Grossteil dieser Produkte Anfang April zunächst von den gegenseitigen Zöllen ausgenommen. Dies ist jedoch nur ein Aufschub, und Trump hat wiederholt betont, dass er sektorale Zölle auf Pharmaprodukte erheben will. Zuletzt nannte er einen Satz von 200 Prozent. Obwohl dieser wahrscheinlich nicht so hoch bleiben wird, bleibt ein sektoraler Zoll weiterhin wahrscheinlich.
Ein mögliches Handelsabkommen zwischen der Schweiz und den USA dürfte sektorale Zölle auf Pharmaprodukte beinhalten, meint der Experte der Commerzbank. Eine Möglichkeit wäre ein Zoll von 15 Prozent auf alle Schweizer Importe in die USA zuzüglich eines niedrigen zweistelligen Zolls auf Schweizer Pharmaprodukte, abhängig von den Angeboten der Schweiz an die USA. Verglichen mit den bisher angedrohten Zöllen wäre dies ein positives Zeichen für die Schweiz, so Pfister von der Commerzbank. Allerdings hängt dies von der Höhe dieser sektoralen Zölle für Pharmaprodukte ab. Und da Trump auf seine Art unberechenbar bleibt, ist es für die hiesige Pharmaindustrie zu früh, um durchzuatmen.