Die Schweiz hat keine grosse Automarke. Das heisst aber nicht, dass die Automobilindustrie hierzulande nicht von grosser Bedeutung wäre: Hunderte von Schweizer Firmen sind als Zulieferer in dieser Branche tätig, beschäftigen dabei zehntausende von Mitarbeiter und generieren in der Summe mehrere Milliarden Franken Umsatz.

Einige dieser Firmen, etwa Autoneum, Ems-Chemie, Feintool, Georg Fischer oder Komax, sind auch an der Schweizer Börse kotiert. Und die Aktien dieser Unternehmen blühen in diesem Jahr so richtig auf: Sie legen allesamt seit Jahresbeginn zwischen 6 bis 23 Prozent zu und schlagen somit den Swiss Performance Index (minus 6 Prozent) mehr als deutlich.

Wieso haben diese Titel einen solchen Lauf? "Die meisten Schweizer Autozulieferer weisen einen Fokus auf Europa oder Amerika auf", sagt Armin Rechberger, Analyst der Zürcher Kantonalbank (ZKB), auf cash-Anfrage. Und während der Markt in den USA schon länger gut läuft, haben kürzlich auch in Europa die Verkäufe wieder angezogen. Laut Rechberger sind es vor allem die Märkte in Südeuropa, welche sich nach der Finanzkrise 2007 nicht erholten und nun wieder Autoverkäufe "auf einem ansprechenden Niveau aufweisen". Und die Gefahr eines Einbruches sei dabei eher klein: "Der Automarkt präsentiert sich relativ stabil", so Rechberger.

Doch die Hausse hat noch weitere Gründe. Schweizer Autozulieferer haben zu Unrecht unter dem VW-Skandal gelitten. Denn diese Firmen besitzen in der Regel ein sehr ausgewogenes Kundenportfolio, in dem keine einzelne Marke einen hohen Teil des Umsatzes ausmacht. "Hier hat inzwischen eine Korrektur nach oben eingesetzt", sagt Rechberger. Zusätzlich wirkt sich auch der Trend zum autonomen Fahren positiv auf die Zulieferer aus. Immer mehr Sensoren und elektronische Komponenten werden für Autos benötigt. Dinge, die von Zulieferern entwickelt und hergestellt werden. Das sind fünf an der Börse beliebte Schweizer Autozulieferer-Aktien:

Autoneum

Die frühere Autosparte von Rieter gehört im Bereich Akustik- und Wärmeschutz zu den Weltmarktführern. Auch an der Börse spielt Autoneum schon seit längerem in der obersten Liga mit: Trotz einiger Auf und Abs ist die Autoneum-Aktie in diesem Jahr schon wieder um 20  Prozent vorgerückt. Seit der Abspaltung von Rieter vor fünf Jahren ist der Titel von 87 auf aktuell 244 Franken geklettert.

CEO Martin Hirzel will den Konzern weiterhin auf einem dynamischen Wachstumskurs halten. Für 2016 peilt er eine weitere Margenverbesserung an. Ausserdem will das Management den Umsatz stärker steigern als die weltweite Automobilproduktion zulegen dürfte. Erst kürzlich gab Hirzel bekannt, für das erste Halbjahr 2016 würden sich besser als erwartete Umsatzzahlen abzeichnen. Ebenfalls gut zu wissen: Die beiden Schweizer Industriegrössen Michael Pieper und Peter Spuhler gehören mit je rund 20 Prozent zu den Grossaktionären von Autoneum.

Eindrückliche Kursentwicklung: Autoneum-Aktie seit dem Börsengang vor gut fünf Jahren, Quelle: cash.ch

Feintool

Als einer der wenigen Schweizer Autozulieferer bekam Feintool die Börsenbaisse des letzten Sommers und der Jahreswende voll zu spüren. Die Aktie sank im Februar gar auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Umso eindrücklicher ist das 40 Prozent starke Comeback seit diesem Tiefpunkt. Dazu trugen starke Geschäftszahlen und intakte Aussichten bei.

Die Feinschneide-Teile von Feintool kommen beispielsweise in Getrieben zum Einsatz. Positiv für die Berner ist, dass ihr Geschäftsmodell über hohe Eintrittsbarrieren verfügt. Auch der Trend zunehmender Plattformstrategien bei den Autoherstellern (eine technische Basis auf der verschiedene Modelle aufbauen) und damit zusammenhängend die Verwendung von mehr Einzelteilen spielen Feintool in die Karten.

Auf der Negativseite steht die Liquidität der Aktien: Auch bei Feintool ist Michael Pieper mit einem grossen Aktienpaket beteiligt. Weil noch zwei weitere Grossinvestoren mit an Bord sind, beträgt der Streubesitz nur gerade 27 Prozent. Das kann schnell zu Engpässen führen.

Ems-Chemie

Ems-Chemie gilt in der Hochtechnologie-Nische als bestens positioniert. Der Fokus auf hochwertige Spezial-Produkte ermöglicht dem Bündner Unternehmen einen gewissen Spielraum bei der Preissetzung - was  in Zeiten eines starken Frankens sehr willkommen ist. Rund zwei Drittel des Umsatzes entfällt auf die Automobilbranche, wo man sich auf das Thema Leichtbau konzentriert. Es geht dabei um kostengünstige und gleichzeitig leistungsstarke Metallersatzlösungen.

Und die von Magdalena Martullo-Blocher geleitete Ems-Chemie hat in den letzten Jahren immer wieder mit sehr guten Betriebszahlen den Markt überrascht. Die Aktie legte dabei seit 2009 um über 600 Prozent zu, erreichte im März 2016 - auf einem Allzeithoch von 505 Franken - allerdings das vorläufige Ende ihrer Bergfahrt. Seither scheint die Luft etwas draussen zu sein. Derzeit notiert die Aktie noch bei 483 Franken.

Ein Grund für die Stagnation könnte die hohe Bewertung sein: Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von über 28 für das Jahr 2016 ist für einen Industrie-Titel doch eine sehr hohe Zahl. Daher ist es wohl zu Gewinnmitnahmen gekommen. Ausserdem wurde jüngst die Strategie der EMS-Chemie von niemand geringerem als Markus Blocher - Chef von Dottikon ES und Bruder von Martullo-Blocher - kritisiert: Bei der stringenten Kostenkontrolle von Ems sei es unklar, ob dabei genügend in die Zukunft neuer Produkte investiert werde.

Georg Fischer

Auf dem höchsten Stand des Jahres strichen viele Georg-Fischer-Aktionäre ihre Gewinne ein. Innert weniger Tage anfangs Juni sank die Aktie von 830 auf 750 Franken. Dennoch ist die Rendite, die mit den Titeln in den letzten Monaten verdient werden konnte, beachtlich. Seit letztem September hat sich der Börsenwert des Industrieunternehmens um 50 Prozent gesteigert.

Von den drei Divisionen Piping, Automotiv und Machining macht die Auto-Sparte von Georg Fischer (GF) 36 Prozent aus. Dabei werden Gussteile aus verschiedenen Metallen für Personenwagen und Nutzfahrzeuge hergestellt. Wie auch andere Autozulieferer macht sich GF zudem Hoffnungen, dereinst beim Apple-Car zum Zug zu kommen.

Das Wachstum von Georg Fischer ist noch lange nicht ausgereizt. Derzeit macht GF 30 Prozent des Gesamtumsatzes in Schwellenländern. Dieser Anteil soll "Schritt für Schritt" erhöht werden, sagte CEO Yves Serra kürzlich in einem Interview mit der Sonntagzeitung. Bis 2020 strebt GF nach eigenen Angaben einen Umsatz von 4,5 Milliarden Franken an, was einer Steigerung von 20 Prozent entspricht. Auch kleinere Firmenübernahmen könnten bei den Schaffhausern für eine Belebung des Geschäfts und zusätzliche Kursfantasie sorgen.

Komax

Die Aktie von Komax aus Dierikon im Kanton Luzern konnte in den letzten 52 Wochen stolze 30 Prozent zulegen. In diesem Jahr sind es immerhin noch deren 6. Doch um den Beginn des Kursaufschwungs ausfindig zu machen, muss man noch weiter zurückblicken: Im März 2009 kostete eine Aktie auf dem Tiefststand noch knapp 43 Franken - aktuell sind es 207 Franken. Das ist beinahe eine Verfünffachung des Werts.

Komax profitierte in den letzten Jahren nicht nur von der Erholung des Automobilgeschäfts, welches über 70 Prozent des Umsatzes ausmacht, sondern auch von guten Entscheiden des Managements: Mitte 2013 veräusserte man das defizitäre Solargeschäft, und im April dieses Jahres konnte man darüber hinaus die wenig profitable Medtech-Sparte abstossen.

Die Dieriker können sich nun voll und ganz auf Maschinen zur Kabelherstellung konzentrieren, welche Hauptsächlich in der Autoindustrie zum Einsatz kommen. Der Trend zu mehr Kabeln im Auto spielt Komax dabei in die Hände. Zwar ist man sehr stark den Launen des Automarktes ausgesetzt, doch ist dort - wie erwähnt - kein unmittelbarer Konjunktureinbruch zu erwarten.

So empfehlen auch die meisten Analysten die Aktie zum Kauf, mit Kurszielen von 230 bis 245 Franken. Ende April nannte der erfolgreiche Fondsmanager Andrew Paisley von Standard Life Investments in Edinburgh gegenüber Bloomberg Komax übrigens als einer von Europas unentdeckten Juwelen, dessen "Wachstumspotential vom Markt unterschätzt" werde.