Seit zwei Jahren bewegt sich der Aktienkurs von Zurich Insurance trotz üppiger Dividendenrendite seitwärts. Die Valoren notieren derzeit bei 431 Franken, auf 24 Monate resultiert ein Minus von 2,4 Prozent. Der totale Ertrag inklusive Dividenden beläuft sich in dieser Zeitspanne für die erfolgsverwöhnten Zurich-Aktionäre auf bescheidene 3 Prozent. 

Eine Auswertung von Bloomberg-Daten durch cash.ch zu den Kauf-, Halten- und Verkauf-Ratings spiegelt sich in der Kursentwicklung. Vor zwei Jahren empfahlen noch 18 von 27 Analysten die Aktie zum Kauf, am Montag waren es bloss noch deren vier. Im Gegenzug stieg die Anzahl der Verkaufsempfehlungen von eins auf acht.  

Operativ betrachtet kann Zurich hingegen nach wie vor überzeugen. Zwar ist die durchschnittliche Gewinnerwartung pro Aktie von 40 auf 32 Franken gesunken. Ein Grossteil dieser Reduktion ist aber der Umstellung auf den neuen Buchhaltungsstandard IFRS 17 geschuldet, obwohl diese Änderung keinen Einfluss auf den Cashflow und die Dividende hat, wie Simon Fössmeier, Analyst bei Vontobel, gegenüber cash.ch erklärt. Unter Berücksichtigung der IFRS-Umstellung hätte der Gewinn 2021 bei 25 Franken gelegen. «Insofern ist für dieses Jahr eine Gewinnsteigerung drin und die operative Stärke zeigt, dass Zurich weiter auf Kurs ist.» 

Europäische Konkurrenz auf der Überholspur

Trotzdem hat der Vontobel-Analyst vor Wochenfrist das Kursziel bei Zurich von 475 auf 444 Franken mit der Begründung gesenkt, die Aktie sei im Vergleich zu anderen Versicherern nicht sonderlich attraktiv bewertet. Mit dieser Meinung ist er nicht allein. Am Montag hat die Bank Berenberg den Titel von Kaufen auf Halten herabgestuft und im Gegenzug den grössten europäischen Versicherer Allianz von Halten auf Kaufen angehoben.

Für Berenberg wie Vontobel ist das eine Konsequenz der Umstellung auf die neuen Bilanzrichtlinien. Zurich wird jetzt weniger mit einer Schweizer Versicherung verglichen, sondern vielmehr mit Allianz, Axa und Generali. «Diese drei Europäer schneiden zum Schweizer Versicherer unter den neuen Accounting-Richtlinien sehr stark ab,» so Fössmeier. 

Diese Verschiebung zeigt sich auch bei einer der wichtigsten Kennzahlen der Assekuranz-Branche, der Kapitalstärke. Hier fällt die Zurich Insurance nicht wirklich ab, aber die anderen sind mittlerweile überraschend gut. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) zeigt sogar, dass die Konkurrenz-Valoren mittlerweile zu deutlich günstigeren Bewertungen zu haben sind. Der Multiplikator des erwarteten Gewinns 2024 beträgt bei der Zurich 14x, bei Allianz 11x und je 9x bei Axa und Generali. Ebenso gereicht der Zurich-Kurs im Verhältnis zum Unternehmenswert (EV) gemäss einer UBS-Versicherungsstudie von Mitte Januar auch nicht mehr zum Vorteil der Schweizer. 

Gerade für Schweizer Investorinnen und Investoren ist die aktuelle Dividendenrendite von 5,6 Prozent aber immer noch attraktiv. Institutionelle Investoren, welche den Hauptharst des Aktionariats bei den europäischen Versicherern ausmachen, verfallen bei Zurich aber nicht mehr in Jubelstürme, meint Fössmeier. Die Konkurrenz hat auch da deutlich aufgeholt. Bis auf Allianz (4,7 Prozent) liegen Axa (5,6 Prozent) und Generali (5,7 Prozent) gleichauf oder höher als Zurich (5,6 Prozent). Der Dividendenvorteil ist entsprechend etwas verloren gegangen. Dazu passt, dass das Dividendenwachstum bei Zurich über die letzten fünf Jahre hinter den drei erwähnten Konkurrenten zurückblieb.

Es bleiben einige Fragen offen

Ob die Zurich Versicherung in den nächsten Jahren wieder zu altem Glanz zurückfindet, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein gewichtiger ist die anstehende Pensionierung von Langzeit-CEO Mario Greco sein. Dieser dürfte den 2025 endenden Strategiezyklus noch abschliessen wollen und gemäss Fössmeier bestrebt sein, den Abgang mit einem Rekordergebnis festzumachen. Aufgrund der operativen Stärke der Zurich liegt das im Bereich des Möglichen. 

Dies ist allerdings nur ein Katalysator, dem mehrere offene Fragen mit negativen Vorzeichen gegenüberstehen. So könnte ein Rekordabschluss 2025 zum Ende der Ära Greco für den neuen CEO eine grosse Bürde werden, da dieser danach noch schneller mehr abliefern muss. Erschwerend kommt hinzu, dass die Nachfolgerin oder der Nachfolger gänzlich unbekannt ist. 

Nachteilig wiegt auch der jüngst gescheiterte Versuch, das deutsche Lebensversicherungsportfolio an die Versicherungsgruppe Viridium zu verkaufen. Die Analysten der Deutschen Bank bewerten dies negativ, da die kapitalintensiven Portfolios in den Büchern von Zurich belassen werden und es sich durchaus als schwierig erweisen könnte, eine alternative Lösung - sprich Käufer - zu finden.

Zudem ist nicht vergessen, dass die Zurich im Juli 2022 den milliardenschweren Kauf des britischen Rivalen RSA begraben musste. Fössmeier meint dazu: «Alles kann man begründen und entschuldigen, aber der Leistungsausweis des Managements ist nicht mehr ganz so sauber».

Management von Zurich etwas zu selbstgefällig

Ein Analyst, der nicht namentlich genannt werden will, geht noch einen Schritt weiter und hält das Management der Zurich Insurance mittlerweile für etwas selbstgefällig. Er kritisiert das umständliche Reporting und hält beim Tool zum operativen Business Reporting fest, dieses sei einzig auf die Bonusstruktur des Managements ausgerichtet und nicht Shareholder-freundlich.

Es brauche da künftig mehr Transparenz, da sich die Analysten sonst bei der Einschätzung mehrheitlich zurückhalten würden. «Es geht nicht darum, die Zurich in die Pfanne zu hauen. Aber es muss einmal gesagt werden, ihr habt noch deutliches Verbesserungspotenzial, das dem Aktienkurs dann auch auf die Beine helfen würde», so der Analyst weiter.

Zurich Insurance veröffentlicht die Unternehmenszahlen zum abgelaufenen Geschäftsjahr am 22. Februar 2024. Den pessimistischer als auch schon eingestellten Analysten steht ein optimistisches Management gegenüber, welches sich bei den gesetzten Geschäftszielen 2023 bis 2025 auf Kurs sieht. Der Versicherungskonzern will insbesondere in der Schadenversicherung wachsen und die Ertragskraft der Gruppe weiter steigern.

Zudem versprach die Assekuranz-Gruppe am Investorentag im November 2023 den Aktionärinnen und Aktionären höhere Dividendenzahlungen. Das organische Wachstum beim Gewinn je Aktie wurde mit einem jährlichen, organischen Wachstum von 8 Prozent veranschlagt.

Thomas Daniel Marti
Thomas MartiMehr erfahren