Man sollte sich nicht von der Kakophonie der Zinserhöhungsankündigungen in die Irre führen lassen: Die globale Geldpolitik ist immer noch auf einem historisch lockeren Kurs unterwegs. Die Geldpolitik kann noch viel stärker gestrafft werden, so dass die Vermögenspreise weiteren, möglicherweise erheblichen Abwärtsbewegungen ausgesetzt sein werden.

Diese Woche erhöhte die schwedische Riksbank ihren Leitzins unerwartet um 100 Basispunkte und am Mittwoch hatte die Fed ihre fünfte Zinserhöhung in Folge. In den Philippinen, Indonesien, der Schweiz, Norwegen, Südafrika und dem Vereinigten Königreich werden heute die Zinssätze angehoben. Doch trotz dieser Flut an geldpolitischen Straffungen liegt die Global Policy Rate - der mittlere Zentralbankzinssatz der wichtigsten Schwellen- und Industrieländer - bei nur 3 Prozent. Diese Quote lag vor der Lehman-Krise bei über 5 und Anfang der 1980er-Jahre bei 15 Prozent.

Noch höhere Zinssätze erforderlich

Aber es ist die inflationsbereinigte Version dieses Wertes, welche eine hohe Aufmerksamkeit verdient: Die Global Real Policy Rate ist nämlich sehr negativ und liegt immer noch in der Nähe ihrer historischen Tiefststände. Der Wert hat erst vor kurzem begonnen, sich zu erholen, und hat noch einen langen Weg vor sich, bis er wieder auf Null, geschweige in den restriktiven Bereich gelangt.

Dies hat bedrohliche Auswirkungen auf die Inflation und auf Risikoanlagen. Wenn die Zentralbanken kalte Füsse bekommen und aufhören, die Zinsen zu erhöhen, während der reale Leitzins immer noch deutlich negativ ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die Auswirkungen der Inflation noch nicht gebannt sind. Irgendwann wird die Inflation nämlich wieder spürbar sein, und dann werden noch höhere Zinssätze erforderlich werden.  

Aber das würde für Risikoaktiva eine wunderbare Gelegenheit ergeben, eine überdurchschnittliche Performance zu erzielen. Die Aktien würden steigen, angeführt von Wachstumswerten, und die Anleiherenditen sinken. Die Dollarstärke würde sich verringern. Dieser Trend würde sich fortsetzen, bis sich abzeichnet, dass die Inflation wieder ansteigt und die Geldpolitik wieder sehr restriktiv wird.

Kein Licht am Ende des Tunnels

Die andere Möglichkeit ist, dass die Zentralbanken ihre Leitzinsen erhöhen, bis der globale reale Zinssatz positiv ist, und dann die Zinsen noch weiter anheben, nur um sicherzugehen. Wenn das der Fall ist, dann stehen die Probleme der Risikoaktiva und der Volkswirtschaften erst am Anfang. Die Aktien dürften noch viel weiter fallen, die vorderen Renditen noch weiter steigen, und die Renditekurven hätten reichlich Spielraum für eine weitere Inversion.

So oder so, unbestreitbar ist, dass die globalen monetären Bedingungen bereits angespannt sind und dass Aktien und andere Risikoanlagen anfällig für weitere Schwächen sind. Der Global Financial Tightness Indicator ist ein Diffusionsindex für Zinserhöhungen der Zentralbanken und für andere Massnahmen zur Kredit- und Liquiditätsverknappung. Er ist im letzten Jahr stark gefallen und zeigt, dass bei Aktien in den kommenden Monaten mit weiteren Abwärtsbewegungen zu rechnen ist.

Zur grossen Enttäuschung der Bullen gibt es noch keine Anzeichen dafür, dass die Liquidität - einer der besten mittelfristigen Indikatoren für die Aktienperformance - bald wieder ansteigen wird. Solange die Liquidität in der Welt so knapp bemessen ist, wird es für Aktien äusserst schwierig sein, eine nachhaltige Erholung zu erzielen.

Ausserdem ist noch kein Licht am Ende des Tunnels sichtbar. Der Advance Global Tightness Indicator - der einen Vorsprung vor dem Global Tightness Indicator hat und auf den Zinserhöhungserwartungen der Zentralbanken basiert - fällt weiterhin, was bedeutet, dass die globale Liquidität niedrig bleiben und tendenziell noch weiter sinken wird (zumindest in den nächsten drei bis sechs Monaten).

In Jackson Hole signalisierte Powell, dass die Fed die Zinsen anheben und sie für einen längeren Zeitraum hoch halten werde. Diese Strategie würde, wenn sie von anderen Zentralbanken übernommen wird, die globalen Finanzbedingungen sehr straff halten, ohne Aussicht auf eine kurzfristige Erleichterung. Eine langwierige Baisse bei Aktien und Anleihen wäre so programmiert. Man sollte sich nicht von Verfügbarkeitsheuristik der jüngsten Zinserhöhungen täuschen lassen: Die Geschichte zeigt, dass der potenzielle Höhepunkt der globalen monetären Straffung noch weit entfernt ist.

(Bloomberg/cash)