Anlegerinnen und Anleger, die in Kryptowährungen investiert sind, haben in diesen Tagen etwas erlebt, was zuletzt selten geworden ist. Während die weltweiten Börsen seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine vor einer Woche mit Kursverlusten reagierten oder bestenfalls stagnierten, drehten Krypto-Assets plötzlich auf. Der seit vielen Monaten herrschende Gleichschritt zwischen den Aktien- und Kryptobörsen kam damit erstmals wieder aus dem Tritt. 

Ein Grund für die die steigenden Kurse bei Bitcoin und anderen Krypto-Assets dürfte die verstärkte Nachfrage aus Russland und der Ukraine sein. Um den freien Fall des Rubels aufzuhalten, dürfen russische Staatsbürger seit Mittwoch nicht mehr als umgerechnet rund 10'000 Dollar aus dem Land ausführen. Die Folge: Viele russische Privatleute – teilweise auch schwerreiche Oligarchen – retten sich in die Kryptomärkte, um dort das Geld in Bitcoin, Ether oder andere Kryptowährungen zu parken. 

Kursentwicklung von Bitcoin (blau) und SMI (grün) seit einer Woche

Grafik: cash.ch

Warnungen vor Regulierungsvorstössen

Für Timo Emden, Krypto-Experte von Emden Research, ist der jüngste Krypto-Anstieg aber auch ein kleines Comeback von Krypto als Krisen-Asset. "Viele vergessen derzeit, dass Krypto-Anlagen in der Vergangenheit immer wieder als Fluchthafen gedient haben." Dies habe zuletzt zwar nachgelassen, doch jetzt würde langsam wieder der "wahre Wert von Krypto" erkannt, sagt Emden zu cash.ch. 

Doch mitten im Bitcoin-Höhenflug mehren sich bereits die warnenden Stimmen. Dass Krypto-Anlagen seit dem Ukraine-Krieg vermehrt dazu genutzt werden, um westliche Sanktionen zu umgehen (bzw. jetzt wird es offensichtlich, weil die ganze Welt darauf schaut), dürfte verstärkt Regulierer auf den Plan rufen. Die fehlende Regulierung in der Krypto-Branche hatte zwar schon immer auf der Tagesordnung gestanden, wurde von der Gesetzgebung aber nie wirklich angefasst. 

Gut möglich, dass durch den Ukraine-Krieg diesbezüglich tatsächlich ein Ruck durch die Branche geht. Doch wie schlimm wäre ein zunehmender Regulierungsdruck für Bitcoin und Co? Timo Emden rechnet in solch einem Fall mit Turbulenzen an den Kryptomärkten. "Kurzfristig sehe ich durchaus Abwärtsrisiken." Aber er fügt hinzu: "Das bedeutet nicht, dass Regulierungsdruck schlecht für Krypto ist, im Gegenteil." 

«Regulierung ein überfälliger Schritt»

Vielmehr sei eine Regulierung der Branche mittel- bis langfristig wichtig, ja sogar unabdingbar, um als seriöse Anlageklasse fungieren zu können, betont Emden. "Regulierung ist ein überfälliger Schritt, der jetzt vorgezogen werden könnte." 

Wenn Emden von nötigen Regulierungsvorstössen spricht, meint er damit nicht das Beispiel China, geschweige denn ein Verbot. China hat im vergangenen Sommer praktisch sämtliche Aktivitäten in Sachen Kryptowährung untersagt. Die Regierungen hätten gar kein Interesse daran, Krypto zu verbieten, glaubt Emden. "Erstens würden dem Staat viele Einnahmen, auch steuerlicher Natur, entgehen. Zweitens erstickt man durch ein Verbot eine dynamische Branche, die Arbeitsplätze und Innovationen schafft direkt im Keim." 

Und drittens gibt es laut Emden noch einen ganz praktischen Grund, der ein Verbot unwahrscheinlich macht. "Was man verbietet, kann man nicht kontrollieren", sagt der Krypto-Experte. 

Vor dem Hintergrund, was in China passiert ist nach dem Verbot, scheint dies plausibel. In China – ein Land, das lange Zeit das Bitcoin-Mining-Land Nummer eins war – sind die Bitcoin-Schürfer mit ihren Rechenzentren einfach ins Ausland abgewandert. Das könnte auch passieren, wenn hierzulande Verbote ausgesprochen würden. Krypto-freundliche Länder wie El Salvador gibt es genug.