Am Dienstag wollen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) erneut versuchen, eine Lösung im Streit über den Haushaltsentwurf für 2024 zu finden. Die Länge der Verhandlungen mit nun fast vier Wochen und weiter unklarem Ausgang hat eine Reihe von Fragen aufgeworfen. Ein Überblick:

Gibt es trotzdem einen Haushalt 2024?

Ja. Anders als in den USA bedeutet die fehlende Einigkeit innerhalb der Ampel-Koalition nicht, dass es im kommenden Jahr keinen Etat oder gar eine Ausgabensperre geben wird. Die gesetzlich festgelegten Ausgaben etwa im Sozialbereich laufen einfach weiter. Der Kanzler verwies zuletzt darauf, dass Renten und Bafög-Zahlungen sicher seien. Auch die meisten Bundeszuschüsse für Firmen oder Förderprogramme für Bürger sind nicht berührt. Einzelne Unternehmen wie Northvolt haben zudem bereits die Zusicherung erhalten, dass ihnen zugesagte Subventionen etwa für den Aufbau einer Batteriefabrik auf jeden Fall kommen werden.

Was passiert ab Januar?

Schon jetzt ist klar, dass der Bundestag den Haushalt 2024 nicht mehr abschliessend in diesem Jahr verabschieden kann. Deshalb wird es ab dem 1. Januar zunächst eine vorläufige Haushaltsführung geben. In dieser bekommt der Finanzminister eine grössere Rolle, weil er dann bestimmte Ausgaben freigeben muss. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat Lindner bereits gewarnt, dies nicht politisch auszunutzen.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Haushalt erst später verabschiedet wird: 2018 dauerte es wegen der langwierigen Koalitionsverhandlungen mehrere Monate, bis der Etat am 5. Juli für das damals also schon länger laufende Jahr verabschiedet werden konnte. Eine Staatskrise gab es deshalb nicht.

Was hat den jetzigen Haushaltsstreit ausgelöst?

Letztlich war dies das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Mitte November. Die Karlsruher Richter haben 60 Milliarden Euro aus dem Klimafonds KTF gestrichen, weil diese auf verfassungswidrige Weise dorthin transferiert wurden. Die Ampel will nun auch andere Nebenhaushalte auf eine neue Grundlage stellen, die vor Gericht standhält. Das hat auch Folgen für den normalen Haushalt. Hier müssen plötzlich neue Prioritäten gesetzt und Puffer geschaffen werden.

Warum ist eine Einigung so schwierig?

SPD, Grüne und FDP sind sehr unterschiedliche Partner - auch in der Finanzpolitik. Die FDP fordert als Reaktion auf das Urteil vor allem Einsparungen im Haushalt. SPD und Grüne lehnen dies nicht ab. Sie betonen aber, dass in der aktuellen Situation mit mehreren Kriegen sowie angesichts milliardenschwerer Technologie-Subventionen in den USA und China Kürzungen alleine schädlich wären. SPD und Grüne wollen daher die Schuldenbremse 2024 erneut aussetzen, um mehr Spielraum zu bekommen. Dies würde der Regierung auch Flexibilität verschaffen, sich im Jahressverlauf 2024 notfalls noch höher verschulden zu können.

Wer drückt aufs Tempo?

Länder, Kommunen, Unternehmen, aber auch viele Organisationen drängen die Regierung seit Tagen, sich schnell zu einigen. Dabei geht es zum einen um eine generelle Verunsicherung, zum anderen aber auch darum, dass viele Organisationen oder Firmen selbst Haushaltspläne für 2024 aufstellen müssen. Dazu brauchen sie juristisch verbindliche Zusagen der Politik. «Die Unternehmen sind maximal verunsichert», betont der Industrieverband BDI. «Dem Bund droht ein zweistelliges Milliardenloch in den nächsten Jahren. Die Koalition muss schleunigst klären, wie sie die notwendigen Investitionen und Fördermassnahmen kurz- und langfristig finanzieren will.»

Wie sind die Auswirkungen bei der Deutschen Bahn?

Die Ampel-Koalition wollte der Bahn bis 2027 knapp 40 Milliarden Euro zusätzlich aus staatlichen Mitteln zukommen lassen, hauptsächlich für das marode Schienennetz. 12,5 Milliarden Euro davon sollten aus dem KTF kommen, elf Milliarden direkt aus dem Bundeshaushalt und ebenfalls aus dem Bundesetat 12,5 Milliarden als Kapitalerhöhung. Eigentlich wollte die Bahn auf dieser Basis am Mittwoch bei der Aufsichtsratssitzung ihre Planung bis 2028 vorlegen und für 2024 das konkrete Budget. In Aufsichtsratskreisen hiess es nun, dafür müsste aber zumindest eine politische Erklärung vorliegen, dass die Zahlungen auch fliessen. Ansonsten müsse man eventuell eine provisorische Planung beispielsweise bis März vorlegen.

Was sind die politischen Auswirkungen?

Die Zustimmungswerte für die Ampel-Parteien sinken weiter, eine Wiederwahl des Bündnisses zeichnet sich nicht ab. Die Unzufriedenheit mit der Regierung dürfte weiter zunehmen, solange es keine Lösung gibt. Gerade bei der SPD gab es auf dem Bundesparteitag laute Warnungen, dass von einer weiteren Verzögerung nur eine Partei profitieren werde - die AfD.

Was macht die Union?

Die grösste Oppositionskraft im Bund ist mehr als nur Zuschauer. Sollte die Schuldenbremse erneut ausgesetzt und eine Notlage erklärt werden, könnte sie abermals in Karlsruhe klagen. CDU/CSU in Bundestag und Bundesrat würden auch gebraucht, wenn der Weg zu einem von Gewerkschaften und Ökonomen vorgeschlagenen Transformationsfonds im Grundgesetz verankert werden soll. Dies lehnt die Union bisher aber ab.

Kann die Regierung an dem Streit zerbrechen?

Die Union und die AfD fordern bereits Neuwahlen. SPD, Grüne und FDP beteuern aber, dass sie trotz Haushaltsstreit weiter zusammen regieren wollen. Wegen der schlechten Umfragewerte hätten alle drei Parteien kein Interesse an Neuwahlen, hiess es in Regierungskreisen.

(Reuters)